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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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zucht mit folgenden nachdrücklichen Wor-
ten: Wie soll ich dir denn gnädig

seyn?
ihren Opfermahlen unmässig und unzüchtig
gelebet. Man findet aber in dem Moses keine
Spur, daß damals diejenigen schändlichen
Götzendienste schon üblich gewesen, wovon
man in jüngern Zeiten Nachricht findet. Es
ist ein sehr grosser und gewöhnlicher Fehler
bey der Anwendung der Alterthümer, daß man
nicht genugsam auf die Zeiten gewisser Gewohn-
heiten und Gebräuche achtet, und sie in ein
solches Alter der Welt setzet, da man von ih-
nen noch nichts gewußt. Man führet zwar
hierüber eine Stelle aus dem Herodotus an,
darinne er bezeuget, daß zu Ascalon der älte-
ste Tempel der Venus gewesen. Clericus
Comment. in Exod. Cap. XXXIV. v.
15. Hier-
aus aber folget noch nicht, daß er an die Zei-
ten des Moses reiche, noch vielweniger, daß
schon damals zum Besten desselben und zum
Dienste der Venus unzüchtige Personen gehal-
ten worden. Diejenigen Götzendienste, wel-
che in den folgenden Zeiten in die schändlich-
sten Dinge ausschlugen, haben ohnedem an-
fänglich ohne allen Zweifel eine ganz andere
Gestalt und andere Absichten gehabt. Man
lese darüber Explications de divers monumens
singuliers, qui ont rapport a la Religion des
plus aciens peuples de Martin.
Es ist so gar
noch nicht ausgemacht, daß die Venus und
ihr Adonis, welche zu schändlichen Gebräu-
chen Anlaß gegeben, zu Moses Zeiten schon in
der Welt gewesen. Es sind Gründe vorhan-
den, welche das Leben dieser Personen, wel-
che nachher vergöttert worden, erst in die Zeit
der Richter setzen. Man schlage hierüber nach
Allge-

zucht mit folgenden nachdruͤcklichen Wor-
ten: Wie ſoll ich dir denn gnaͤdig

ſeyn?
ihren Opfermahlen unmaͤſſig und unzuͤchtig
gelebet. Man findet aber in dem Moſes keine
Spur, daß damals diejenigen ſchaͤndlichen
Goͤtzendienſte ſchon uͤblich geweſen, wovon
man in juͤngern Zeiten Nachricht findet. Es
iſt ein ſehr groſſer und gewoͤhnlicher Fehler
bey der Anwendung der Alterthuͤmer, daß man
nicht genugſam auf die Zeiten gewiſſer Gewohn-
heiten und Gebraͤuche achtet, und ſie in ein
ſolches Alter der Welt ſetzet, da man von ih-
nen noch nichts gewußt. Man fuͤhret zwar
hieruͤber eine Stelle aus dem Herodotus an,
darinne er bezeuget, daß zu Aſcalon der aͤlte-
ſte Tempel der Venus geweſen. Clericus
Comment. in Exod. Cap. XXXIV. v.
15. Hier-
aus aber folget noch nicht, daß er an die Zei-
ten des Moſes reiche, noch vielweniger, daß
ſchon damals zum Beſten deſſelben und zum
Dienſte der Venus unzuͤchtige Perſonen gehal-
ten worden. Diejenigen Goͤtzendienſte, wel-
che in den folgenden Zeiten in die ſchaͤndlich-
ſten Dinge ausſchlugen, haben ohnedem an-
faͤnglich ohne allen Zweifel eine ganz andere
Geſtalt und andere Abſichten gehabt. Man
leſe daruͤber Explications de divers monumens
ſinguliers, qui ont rapport à la Religion des
plus aciens peuples de Martin.
Es iſt ſo gar
noch nicht ausgemacht, daß die Venus und
ihr Adonis, welche zu ſchaͤndlichen Gebraͤu-
chen Anlaß gegeben, zu Moſes Zeiten ſchon in
der Welt geweſen. Es ſind Gruͤnde vorhan-
den, welche das Leben dieſer Perſonen, wel-
che nachher vergoͤttert worden, erſt in die Zeit
der Richter ſetzen. Man ſchlage hieruͤber nach
Allge-
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[270/0290] zucht mit folgenden nachdruͤcklichen Wor- ten: Wie ſoll ich dir denn gnaͤdig ſeyn? **) **) ihren Opfermahlen unmaͤſſig und unzuͤchtig gelebet. Man findet aber in dem Moſes keine Spur, daß damals diejenigen ſchaͤndlichen Goͤtzendienſte ſchon uͤblich geweſen, wovon man in juͤngern Zeiten Nachricht findet. Es iſt ein ſehr groſſer und gewoͤhnlicher Fehler bey der Anwendung der Alterthuͤmer, daß man nicht genugſam auf die Zeiten gewiſſer Gewohn- heiten und Gebraͤuche achtet, und ſie in ein ſolches Alter der Welt ſetzet, da man von ih- nen noch nichts gewußt. Man fuͤhret zwar hieruͤber eine Stelle aus dem Herodotus an, darinne er bezeuget, daß zu Aſcalon der aͤlte- ſte Tempel der Venus geweſen. Clericus Comment. in Exod. Cap. XXXIV. v. 15. Hier- aus aber folget noch nicht, daß er an die Zei- ten des Moſes reiche, noch vielweniger, daß ſchon damals zum Beſten deſſelben und zum Dienſte der Venus unzuͤchtige Perſonen gehal- ten worden. Diejenigen Goͤtzendienſte, wel- che in den folgenden Zeiten in die ſchaͤndlich- ſten Dinge ausſchlugen, haben ohnedem an- faͤnglich ohne allen Zweifel eine ganz andere Geſtalt und andere Abſichten gehabt. Man leſe daruͤber Explications de divers monumens ſinguliers, qui ont rapport à la Religion des plus aciens peuples de Martin. Es iſt ſo gar noch nicht ausgemacht, daß die Venus und ihr Adonis, welche zu ſchaͤndlichen Gebraͤu- chen Anlaß gegeben, zu Moſes Zeiten ſchon in der Welt geweſen. Es ſind Gruͤnde vorhan- den, welche das Leben dieſer Perſonen, wel- che nachher vergoͤttert worden, erſt in die Zeit der Richter ſetzen. Man ſchlage hieruͤber nach Allge-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/290>, abgerufen am 22.11.2024.