"chenraub, daß ihr euer Geschlecht, das "seinen Ursprung den unsterblichen Göttern "zu danken hat, ausrotten und die mensch- "liche Natur, als das Vornehmste ihnen "gewidmete Heiligthum vertilgen wollet. "Jhr suchet in der That durch diese Unart "ihre Tempel und Altäre über den Hau- "fen zu werfen, und euere Stadt nieder- "zureissen, weil ihr sie ihrer Einwohner be- "raubet. Denn eine Stadt bestehet nicht "in Häusern, Marktplätzen und Bühnen, "die von Einwohnern entblösset sind, son- "dern in Menschen.
"Gedenket an euren Stifter, den Ro- "mulus. Was würde er dazu sagen, "wenn er sehen sollte, daß ihr euch wei- "gert, euer Geschlecht durch rechtmässigen "Ehestand fortzupflanzen? Was würden "diejenigen Römer, die mit ihm waren, "von euch gedenken, welche lieber alles wa- "gen, als ohne Frauen seyn wollten, da "sie sich der Sabinischen Jungfrauen, die "Fremdlinge waren, bemächtigten? Jhr "hingegen, die ihr derselben Nachkommen "seyd, könnet diejenigen nicht einmal lie- "ben, so mit euch von einerley Volke her- "stammen. Sie begaben sich in Krieg, "Nachkommen zu verschaffen, da ihr euch "nicht bemühen wollet, Kinder von euern "Mitbürgern zu erlangen. Zu was En- "de, und mit was für Absehen lebet ihr im "ledigen Stande? Geschiehet es aus dem
"End-
„chenraub, daß ihr euer Geſchlecht, das „ſeinen Urſprung den unſterblichen Goͤttern „zu danken hat, ausrotten und die menſch- „liche Natur, als das Vornehmſte ihnen „gewidmete Heiligthum vertilgen wollet. „Jhr ſuchet in der That durch dieſe Unart „ihre Tempel und Altaͤre uͤber den Hau- „fen zu werfen, und euere Stadt nieder- „zureiſſen, weil ihr ſie ihrer Einwohner be- „raubet. Denn eine Stadt beſtehet nicht „in Haͤuſern, Marktplaͤtzen und Buͤhnen, „die von Einwohnern entbloͤſſet ſind, ſon- „dern in Menſchen.
„Gedenket an euren Stifter, den Ro- „mulus. Was wuͤrde er dazu ſagen, „wenn er ſehen ſollte, daß ihr euch wei- „gert, euer Geſchlecht durch rechtmaͤſſigen „Eheſtand fortzupflanzen? Was wuͤrden „diejenigen Roͤmer, die mit ihm waren, „von euch gedenken, welche lieber alles wa- „gen, als ohne Frauen ſeyn wollten, da „ſie ſich der Sabiniſchen Jungfrauen, die „Fremdlinge waren, bemaͤchtigten? Jhr „hingegen, die ihr derſelben Nachkommen „ſeyd, koͤnnet diejenigen nicht einmal lie- „ben, ſo mit euch von einerley Volke her- „ſtammen. Sie begaben ſich in Krieg, „Nachkommen zu verſchaffen, da ihr euch „nicht bemuͤhen wollet, Kinder von euern „Mitbuͤrgern zu erlangen. Zu was En- „de, und mit was fuͤr Abſehen lebet ihr im „ledigen Stande? Geſchiehet es aus dem
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„chenraub, daß ihr euer Geſchlecht, das
„ſeinen Urſprung den unſterblichen Goͤttern
„zu danken hat, ausrotten und die menſch-
„liche Natur, als das Vornehmſte ihnen
„gewidmete Heiligthum vertilgen wollet.
„Jhr ſuchet in der That durch dieſe Unart
„ihre Tempel und Altaͤre uͤber den Hau-
„fen zu werfen, und euere Stadt nieder-
„zureiſſen, weil ihr ſie ihrer Einwohner be-
„raubet. Denn eine Stadt beſtehet nicht
„in Haͤuſern, Marktplaͤtzen und Buͤhnen,
„die von Einwohnern entbloͤſſet ſind, ſon-
„dern in Menſchen.
„Gedenket an euren Stifter, den Ro-
„mulus. Was wuͤrde er dazu ſagen,
„wenn er ſehen ſollte, daß ihr euch wei-
„gert, euer Geſchlecht durch rechtmaͤſſigen
„Eheſtand fortzupflanzen? Was wuͤrden
„diejenigen Roͤmer, die mit ihm waren,
„von euch gedenken, welche lieber alles wa-
„gen, als ohne Frauen ſeyn wollten, da
„ſie ſich der Sabiniſchen Jungfrauen, die
„Fremdlinge waren, bemaͤchtigten? Jhr
„hingegen, die ihr derſelben Nachkommen
„ſeyd, koͤnnet diejenigen nicht einmal lie-
„ben, ſo mit euch von einerley Volke her-
„ſtammen. Sie begaben ſich in Krieg,
„Nachkommen zu verſchaffen, da ihr euch
„nicht bemuͤhen wollet, Kinder von euern
„Mitbuͤrgern zu erlangen. Zu was En-
„de, und mit was fuͤr Abſehen lebet ihr im
„ledigen Stande? Geſchiehet es aus dem
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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