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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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wird. Man hat bey uns die strengeste
Verordnung wegen der Hausdieberey, und
sie wird dem ungeachtet immer häufiger,
weil man sich der Lüderlichkeit nicht gnug-
sam widersetzet, woraus doch das mehreste
Stehlen erfolget. Man siehet, daß un-
zählige Diebstähle verborgen bleiben.
Man hoffet es ebenfalls so künstlich machen
zu können, daß man nicht entdecket werde,
und in dieser Hoffnung geschehen unzähli-
ge Entwendungen. Kann man in der
Seele keinen andern Trieb rege machen,
als die Furcht für der Strafe, so wird
man wenig ausrichten, indem es gar zu
ungewiß, ob der Richter jemals ein Ver-
brechen entdecke. Zweytens machen die
Strafen nicht tugendhaft, sondern hindern
nur einige grobe Ausbrüche der Laster.
Drittens werden die Strafgesetze wider die
Unzucht sogleich entkräftet, weil man sie
aus sehr wichtigen Ursachen zu keiner all-
gemeinen Ausübung bringen kann. Woll-
te man der unterdruckten und ganz entehr-
ten Keuschheit zu Hülfe kommen, so müß-
ten gewisse geschwächte Triebe, so Gott in
den Menschen geleget, wieder rege gemacht
und gestärket, und dasjenige vermieden
und weggeschaffet werden, was sie ent-
kräftet. Solche Triebe sind Ehrbegierde,
Schamhaftigkeit und ein Gewissen, so
auf Gott siehet. Diese Triebe müßten
von Jugend auf erwecket und gebauet

wer-

wird. Man hat bey uns die ſtrengeſte
Verordnung wegen der Hausdieberey, und
ſie wird dem ungeachtet immer haͤufiger,
weil man ſich der Luͤderlichkeit nicht gnug-
ſam widerſetzet, woraus doch das mehreſte
Stehlen erfolget. Man ſiehet, daß un-
zaͤhlige Diebſtaͤhle verborgen bleiben.
Man hoffet es ebenfalls ſo kuͤnſtlich machen
zu koͤnnen, daß man nicht entdecket werde,
und in dieſer Hoffnung geſchehen unzaͤhli-
ge Entwendungen. Kann man in der
Seele keinen andern Trieb rege machen,
als die Furcht fuͤr der Strafe, ſo wird
man wenig ausrichten, indem es gar zu
ungewiß, ob der Richter jemals ein Ver-
brechen entdecke. Zweytens machen die
Strafen nicht tugendhaft, ſondern hindern
nur einige grobe Ausbruͤche der Laſter.
Drittens werden die Strafgeſetze wider die
Unzucht ſogleich entkraͤftet, weil man ſie
aus ſehr wichtigen Urſachen zu keiner all-
gemeinen Ausuͤbung bringen kann. Woll-
te man der unterdruckten und ganz entehr-
ten Keuſchheit zu Huͤlfe kommen, ſo muͤß-
ten gewiſſe geſchwaͤchte Triebe, ſo Gott in
den Menſchen geleget, wieder rege gemacht
und geſtaͤrket, und dasjenige vermieden
und weggeſchaffet werden, was ſie ent-
kraͤftet. Solche Triebe ſind Ehrbegierde,
Schamhaftigkeit und ein Gewiſſen, ſo
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von Jugend auf erwecket und gebauet

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[304/0324] wird. Man hat bey uns die ſtrengeſte Verordnung wegen der Hausdieberey, und ſie wird dem ungeachtet immer haͤufiger, weil man ſich der Luͤderlichkeit nicht gnug- ſam widerſetzet, woraus doch das mehreſte Stehlen erfolget. Man ſiehet, daß un- zaͤhlige Diebſtaͤhle verborgen bleiben. Man hoffet es ebenfalls ſo kuͤnſtlich machen zu koͤnnen, daß man nicht entdecket werde, und in dieſer Hoffnung geſchehen unzaͤhli- ge Entwendungen. Kann man in der Seele keinen andern Trieb rege machen, als die Furcht fuͤr der Strafe, ſo wird man wenig ausrichten, indem es gar zu ungewiß, ob der Richter jemals ein Ver- brechen entdecke. Zweytens machen die Strafen nicht tugendhaft, ſondern hindern nur einige grobe Ausbruͤche der Laſter. Drittens werden die Strafgeſetze wider die Unzucht ſogleich entkraͤftet, weil man ſie aus ſehr wichtigen Urſachen zu keiner all- gemeinen Ausuͤbung bringen kann. Woll- te man der unterdruckten und ganz entehr- ten Keuſchheit zu Huͤlfe kommen, ſo muͤß- ten gewiſſe geſchwaͤchte Triebe, ſo Gott in den Menſchen geleget, wieder rege gemacht und geſtaͤrket, und dasjenige vermieden und weggeſchaffet werden, was ſie ent- kraͤftet. Solche Triebe ſind Ehrbegierde, Schamhaftigkeit und ein Gewiſſen, ſo auf Gott ſiehet. Dieſe Triebe muͤßten von Jugend auf erwecket und gebauet wer-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/324>, abgerufen am 22.11.2024.