Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

pfindlich gemacht würden? Sollte dieses
aber geschehen, so müßte in unsern Gesell-
schaften die Keuschheit eben so erhoben wer-
den, als die Herzhaftigkeit, und die Un-
zucht müßte eben die Schande tragen, wo-
mit die Zaghaftigkeit beleget wird. Aus
unsern Schauspielen müßten alle Liebes-
händel und abgeschmackte Possen verbannet
werden. Lüderliche Wirthshäuser, Sauf-
gelage, unzüchtige Lieder, leichtfertige
Tänze müßten als krebsartige Schaden
eines christlichen Staatskörpers angesehen
werden. Ordentlichen Ehen müßte ein hö-
herer Werth beygeleget und selbige erleich-
tert werden. Man müßte es als das größte
Verdienst eines guten Bürgers verehren,
wenn er dieser und der zukünftigen Welt
einige wolerzogene, vernünftige, tugend-
hafte, nützliche und fleissige Kinder gelie-
fert. Allein wer kann dieses in unsern
Zeiten hoffen, wo man alles mögliche thut,
was die Unzucht befördern kann, und auch
graue Häupter sich nicht entziehen, der-
selben das Wort zu reden?

§. 19.
Was von
einem
trennbaren
Coneubinat
zu halten.

So deutlich sich nun Jesus wegen der
Ehescheidung und wider eine trennbare
Gemeinschaft der Leiber erkläret, so haben
doch verschiedene Gelehrte Mittel gesuchet,
dieses Gesetz zum Vortheil wollüstiger Leu-

te

pfindlich gemacht wuͤrden? Sollte dieſes
aber geſchehen, ſo muͤßte in unſern Geſell-
ſchaften die Keuſchheit eben ſo erhoben wer-
den, als die Herzhaftigkeit, und die Un-
zucht muͤßte eben die Schande tragen, wo-
mit die Zaghaftigkeit beleget wird. Aus
unſern Schauſpielen muͤßten alle Liebes-
haͤndel und abgeſchmackte Poſſen verbannet
werden. Luͤderliche Wirthshaͤuſer, Sauf-
gelage, unzuͤchtige Lieder, leichtfertige
Taͤnze muͤßten als krebsartige Schaden
eines chriſtlichen Staatskoͤrpers angeſehen
werden. Ordentlichen Ehen muͤßte ein hoͤ-
herer Werth beygeleget und ſelbige erleich-
tert werden. Man muͤßte es als das groͤßte
Verdienſt eines guten Buͤrgers verehren,
wenn er dieſer und der zukuͤnftigen Welt
einige wolerzogene, vernuͤnftige, tugend-
hafte, nuͤtzliche und fleiſſige Kinder gelie-
fert. Allein wer kann dieſes in unſern
Zeiten hoffen, wo man alles moͤgliche thut,
was die Unzucht befoͤrdern kann, und auch
graue Haͤupter ſich nicht entziehen, der-
ſelben das Wort zu reden?

§. 19.
Was von
einem
trennbaren
Coneubinat
zu halten.

So deutlich ſich nun Jeſus wegen der
Eheſcheidung und wider eine trennbare
Gemeinſchaft der Leiber erklaͤret, ſo haben
doch verſchiedene Gelehrte Mittel geſuchet,
dieſes Geſetz zum Vortheil wolluͤſtiger Leu-

te
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0326" n="306"/>
pfindlich gemacht wu&#x0364;rden? Sollte die&#x017F;es<lb/>
aber ge&#x017F;chehen, &#x017F;o mu&#x0364;ßte in un&#x017F;ern Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaften die Keu&#x017F;chheit eben &#x017F;o erhoben wer-<lb/>
den, als die Herzhaftigkeit, und die Un-<lb/>
zucht mu&#x0364;ßte eben die Schande tragen, wo-<lb/>
mit die Zaghaftigkeit beleget wird. Aus<lb/>
un&#x017F;ern Schau&#x017F;pielen mu&#x0364;ßten alle Liebes-<lb/>
ha&#x0364;ndel und abge&#x017F;chmackte Po&#x017F;&#x017F;en verbannet<lb/>
werden. Lu&#x0364;derliche Wirthsha&#x0364;u&#x017F;er, Sauf-<lb/>
gelage, unzu&#x0364;chtige Lieder, leichtfertige<lb/>
Ta&#x0364;nze mu&#x0364;ßten als krebsartige Schaden<lb/>
eines chri&#x017F;tlichen Staatsko&#x0364;rpers ange&#x017F;ehen<lb/>
werden. Ordentlichen Ehen mu&#x0364;ßte ein ho&#x0364;-<lb/>
herer Werth beygeleget und &#x017F;elbige erleich-<lb/>
tert werden. Man mu&#x0364;ßte es als das gro&#x0364;ßte<lb/>
Verdien&#x017F;t eines guten Bu&#x0364;rgers verehren,<lb/>
wenn er die&#x017F;er und der zuku&#x0364;nftigen Welt<lb/>
einige wolerzogene, vernu&#x0364;nftige, tugend-<lb/>
hafte, nu&#x0364;tzliche und flei&#x017F;&#x017F;ige Kinder gelie-<lb/>
fert. Allein wer kann die&#x017F;es in un&#x017F;ern<lb/>
Zeiten hoffen, wo man alles mo&#x0364;gliche thut,<lb/>
was die Unzucht befo&#x0364;rdern kann, und auch<lb/>
graue Ha&#x0364;upter &#x017F;ich nicht entziehen, der-<lb/>
&#x017F;elben das Wort zu reden?</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 19.</head><lb/>
          <note place="left">Was von<lb/>
einem<lb/>
trennbaren<lb/>
Coneubinat<lb/>
zu halten.</note>
          <p>So deutlich &#x017F;ich nun Je&#x017F;us wegen der<lb/>
Ehe&#x017F;cheidung und wider eine trennbare<lb/>
Gemein&#x017F;chaft der Leiber erkla&#x0364;ret, &#x017F;o haben<lb/>
doch ver&#x017F;chiedene Gelehrte Mittel ge&#x017F;uchet,<lb/>
die&#x017F;es Ge&#x017F;etz zum Vortheil wollu&#x0364;&#x017F;tiger Leu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">te</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0326] pfindlich gemacht wuͤrden? Sollte dieſes aber geſchehen, ſo muͤßte in unſern Geſell- ſchaften die Keuſchheit eben ſo erhoben wer- den, als die Herzhaftigkeit, und die Un- zucht muͤßte eben die Schande tragen, wo- mit die Zaghaftigkeit beleget wird. Aus unſern Schauſpielen muͤßten alle Liebes- haͤndel und abgeſchmackte Poſſen verbannet werden. Luͤderliche Wirthshaͤuſer, Sauf- gelage, unzuͤchtige Lieder, leichtfertige Taͤnze muͤßten als krebsartige Schaden eines chriſtlichen Staatskoͤrpers angeſehen werden. Ordentlichen Ehen muͤßte ein hoͤ- herer Werth beygeleget und ſelbige erleich- tert werden. Man muͤßte es als das groͤßte Verdienſt eines guten Buͤrgers verehren, wenn er dieſer und der zukuͤnftigen Welt einige wolerzogene, vernuͤnftige, tugend- hafte, nuͤtzliche und fleiſſige Kinder gelie- fert. Allein wer kann dieſes in unſern Zeiten hoffen, wo man alles moͤgliche thut, was die Unzucht befoͤrdern kann, und auch graue Haͤupter ſich nicht entziehen, der- ſelben das Wort zu reden? §. 19. So deutlich ſich nun Jeſus wegen der Eheſcheidung und wider eine trennbare Gemeinſchaft der Leiber erklaͤret, ſo haben doch verſchiedene Gelehrte Mittel geſuchet, dieſes Geſetz zum Vortheil wolluͤſtiger Leu- te

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/326
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/326>, abgerufen am 22.11.2024.