Freunde, welche dieses gelesen, haben dabey den Wunsch geäussert, daß die Fün- delhäuser gemeiner seyn möchten, in wel- che man die ausser der Ehe gezeugte und andere arme Kinder aufnähme und erzöge. Es hat mir dieses Gelegenheit gegeben auch auf diese Anstalt mein Augenmerk zu rich- ten und habe dabey folgendes bemerket. Es verdienen solche milde Anstalten aller- dings ihr Lob und es wird dadurch das Leben vieler Kinder gerettet. Allein der- jenige Vortheil, welchen man sich davon verspricht, wird bey weitem nicht erhalten, und ordentliche Ehen leisten weit mehr, als solche Häuser, und andere Anstalten zum Besten der Fündelkinder. Durch or- dentliche Ehen wird in grossen Städten die Hälfte der gebohrnen Kinder das Leben er- halten und werden groß gezogen, und auf dem Lande erwachsen, bey zwey Dritthei- le der gebohrnen Kinder. Die Fündelan- stalten aber bringen bey weitem nicht den vierten Theil derjenigen Kinder auf, die dadurch in Pflege genommen werden. Bey den fürtrefflichen Fündlingsanstalten zu Coppenhagen sind vom 5 August 1750 bis den 23 December 1758 aufgenommen worden 2605 Kinder. Davon sind aber den Müttern verabfolget 516, und zum Unterhalte nur angenommen 2089. Hier- von sind abermals von den Eltern und
Ver-
§. 22.
Merkwuͤrdi- ge Nachricht von Fundel- haͤuſern.
Freunde, welche dieſes geleſen, haben dabey den Wunſch geaͤuſſert, daß die Fuͤn- delhaͤuſer gemeiner ſeyn moͤchten, in wel- che man die auſſer der Ehe gezeugte und andere arme Kinder aufnaͤhme und erzoͤge. Es hat mir dieſes Gelegenheit gegeben auch auf dieſe Anſtalt mein Augenmerk zu rich- ten und habe dabey folgendes bemerket. Es verdienen ſolche milde Anſtalten aller- dings ihr Lob und es wird dadurch das Leben vieler Kinder gerettet. Allein der- jenige Vortheil, welchen man ſich davon verſpricht, wird bey weitem nicht erhalten, und ordentliche Ehen leiſten weit mehr, als ſolche Haͤuſer, und andere Anſtalten zum Beſten der Fuͤndelkinder. Durch or- dentliche Ehen wird in groſſen Staͤdten die Haͤlfte der gebohrnen Kinder das Leben er- halten und werden groß gezogen, und auf dem Lande erwachſen, bey zwey Dritthei- le der gebohrnen Kinder. Die Fuͤndelan- ſtalten aber bringen bey weitem nicht den vierten Theil derjenigen Kinder auf, die dadurch in Pflege genommen werden. Bey den fuͤrtrefflichen Fuͤndlingsanſtalten zu Coppenhagen ſind vom 5 Auguſt 1750 bis den 23 December 1758 aufgenommen worden 2605 Kinder. Davon ſind aber den Muͤttern verabfolget 516, und zum Unterhalte nur angenommen 2089. Hier- von ſind abermals von den Eltern und
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§. 22.
Freunde, welche dieſes geleſen, haben
dabey den Wunſch geaͤuſſert, daß die Fuͤn-
delhaͤuſer gemeiner ſeyn moͤchten, in wel-
che man die auſſer der Ehe gezeugte und
andere arme Kinder aufnaͤhme und erzoͤge.
Es hat mir dieſes Gelegenheit gegeben auch
auf dieſe Anſtalt mein Augenmerk zu rich-
ten und habe dabey folgendes bemerket.
Es verdienen ſolche milde Anſtalten aller-
dings ihr Lob und es wird dadurch das
Leben vieler Kinder gerettet. Allein der-
jenige Vortheil, welchen man ſich davon
verſpricht, wird bey weitem nicht erhalten,
und ordentliche Ehen leiſten weit mehr,
als ſolche Haͤuſer, und andere Anſtalten
zum Beſten der Fuͤndelkinder. Durch or-
dentliche Ehen wird in groſſen Staͤdten die
Haͤlfte der gebohrnen Kinder das Leben er-
halten und werden groß gezogen, und auf
dem Lande erwachſen, bey zwey Dritthei-
le der gebohrnen Kinder. Die Fuͤndelan-
ſtalten aber bringen bey weitem nicht den
vierten Theil derjenigen Kinder auf, die
dadurch in Pflege genommen werden.
Bey den fuͤrtrefflichen Fuͤndlingsanſtalten
zu Coppenhagen ſind vom 5 Auguſt 1750
bis den 23 December 1758 aufgenommen
worden 2605 Kinder. Davon ſind aber
den Muͤttern verabfolget 516, und zum
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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