stellet. Diejenigen irren wol unstreitig, welche den Adam zu einem grossen Gelehr- ten machen. Die Geschichte beweiset, daß Künste und Wissenschaften nach und nach in die Welt gekommen. Der mensch- liche Verstand sammlet seine Begriffe nach und nach, und die ersten Menschen ha- ben derselben gewiß nicht so viele gehabt, als nachher in einer langen Zeit sind er- funden worden. Jch stelle mir die Welt von Adam bis auf Christum in ihrer Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget diese Vorstellung.*) Jst es nun jetzo bey den gebauetesten Völkern noch nöthig, daß man sinnliche Dinge bey dem Gottesdienste gebrauchet, um die Gemüther der Men- schen zu rühren und auf das Unsichtbahre zu richten und zu Gott zu erheben, wie nöthig wird selbiges nicht bey der ersten Welt gewesen seyn? Und wie geschickt waren nicht die Opfer dasjenige vorzu- stellen, woran sie den Menschen erinnern sollten?
§. 7.
Die Fortpflanzung des menschlichenWie nö- thig das längere Le- ben der Menschen im Anfan- ge der Welt gewesen. Geschlechtes und Künste und Wissenschaf- ten würden viele Hindernisse gefunden haben, wenn der Fluch des Höchsten den Erdboden gleich so verderbet hätte, wie
wir
*) Gal. C. 4. v. 1-3.
B 3
ſtellet. Diejenigen irren wol unſtreitig, welche den Adam zu einem groſſen Gelehr- ten machen. Die Geſchichte beweiſet, daß Kuͤnſte und Wiſſenſchaften nach und nach in die Welt gekommen. Der menſch- liche Verſtand ſammlet ſeine Begriffe nach und nach, und die erſten Menſchen ha- ben derſelben gewiß nicht ſo viele gehabt, als nachher in einer langen Zeit ſind er- funden worden. Jch ſtelle mir die Welt von Adam bis auf Chriſtum in ihrer Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget dieſe Vorſtellung.*) Jſt es nun jetzo bey den gebaueteſten Voͤlkern noch noͤthig, daß man ſinnliche Dinge bey dem Gottesdienſte gebrauchet, um die Gemuͤther der Men- ſchen zu ruͤhren und auf das Unſichtbahre zu richten und zu Gott zu erheben, wie noͤthig wird ſelbiges nicht bey der erſten Welt geweſen ſeyn? Und wie geſchickt waren nicht die Opfer dasjenige vorzu- ſtellen, woran ſie den Menſchen erinnern ſollten?
§. 7.
Die Fortpflanzung des menſchlichenWie noͤ- thig das laͤngere Le- ben der Menſchen im Anfan- ge der Welt geweſen. Geſchlechtes und Kuͤnſte und Wiſſenſchaf- ten wuͤrden viele Hinderniſſe gefunden haben, wenn der Fluch des Hoͤchſten den Erdboden gleich ſo verderbet haͤtte, wie
wir
*) Gal. C. 4. v. 1-3.
B 3
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ſtellet. Diejenigen irren wol unſtreitig,
welche den Adam zu einem groſſen Gelehr-
ten machen. Die Geſchichte beweiſet,
daß Kuͤnſte und Wiſſenſchaften nach und
nach in die Welt gekommen. Der menſch-
liche Verſtand ſammlet ſeine Begriffe
nach und nach, und die erſten Menſchen ha-
ben derſelben gewiß nicht ſo viele gehabt,
als nachher in einer langen Zeit ſind er-
funden worden. Jch ſtelle mir die Welt
von Adam bis auf Chriſtum in ihrer
Kindheit vor, und Paulus rechtfertiget
dieſe Vorſtellung. *) Jſt es nun jetzo bey
den gebaueteſten Voͤlkern noch noͤthig, daß
man ſinnliche Dinge bey dem Gottesdienſte
gebrauchet, um die Gemuͤther der Men-
ſchen zu ruͤhren und auf das Unſichtbahre
zu richten und zu Gott zu erheben, wie
noͤthig wird ſelbiges nicht bey der erſten
Welt geweſen ſeyn? Und wie geſchickt
waren nicht die Opfer dasjenige vorzu-
ſtellen, woran ſie den Menſchen erinnern
ſollten?
§. 7.
Die Fortpflanzung des menſchlichen
Geſchlechtes und Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-
ten wuͤrden viele Hinderniſſe gefunden
haben, wenn der Fluch des Hoͤchſten den
Erdboden gleich ſo verderbet haͤtte, wie
wir
Wie noͤ-
thig das
laͤngere Le-
ben der
Menſchen
im Anfan-
ge der Welt
geweſen.
*) Gal. C. 4. v. 1-3.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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