sen bearbeitet werden, wie jetzo? Man stelle sich in Gedanken vor, es würden ei- nige Menschen, die noch nie ein Jnstru- ment, noch einen Bau des Erdreichs gese- hen, und in keinem Stück die geringste Er- fahrung hätten, ganz nackend auf eine unbewohnte Jnsul unserer jetzigen Erde ge- setzet. Wie lange würde es dauren, ehe selbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen und zu säen? Wie langsam würde es ge- hen, ehe sie zu den allerersten Jnstrumen- ten gelangten? Regen und Sturm und kalte Nächte würden sie zwingen, hinter den Zweigen der Büsche und in Hölen Schutz zu suchen. Sie würden etwa das warme Fell eines Thieres fühlen und des- sen wider Nässe und Kälte habhaft zu werden wünschen. Sie würden mit vieler Mühe Prügel von den Bäumen brechen und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet ihnen ein schneidendes Jnstrument die Haut abzuschälen. Sie würden selbige mit den Zähnen wollen aufreissen und ab- ziehen. Dazu ist aber unser plattes Ge- sicht und der unter der hervorragenden Nase liegende Mund nicht gemacht und die vordern Zähne haben dazu keinen Halt. Sie würden etwa darauf verfallen, Steine auf einander scharf zu wetzen und sich damit zu helfen. Und wie viele Ge- schlechter würden sterben, ehe ein eisernes
Messer,
ſen bearbeitet werden, wie jetzo? Man ſtelle ſich in Gedanken vor, es wuͤrden ei- nige Menſchen, die noch nie ein Jnſtru- ment, noch einen Bau des Erdreichs geſe- hen, und in keinem Stuͤck die geringſte Er- fahrung haͤtten, ganz nackend auf eine unbewohnte Jnſul unſerer jetzigen Erde ge- ſetzet. Wie lange wuͤrde es dauren, ehe ſelbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen und zu ſaͤen? Wie langſam wuͤrde es ge- hen, ehe ſie zu den allererſten Jnſtrumen- ten gelangten? Regen und Sturm und kalte Naͤchte wuͤrden ſie zwingen, hinter den Zweigen der Buͤſche und in Hoͤlen Schutz zu ſuchen. Sie wuͤrden etwa das warme Fell eines Thieres fuͤhlen und deſ- ſen wider Naͤſſe und Kaͤlte habhaft zu werden wuͤnſchen. Sie wuͤrden mit vieler Muͤhe Pruͤgel von den Baͤumen brechen und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet ihnen ein ſchneidendes Jnſtrument die Haut abzuſchaͤlen. Sie wuͤrden ſelbige mit den Zaͤhnen wollen aufreiſſen und ab- ziehen. Dazu iſt aber unſer plattes Ge- ſicht und der unter der hervorragenden Naſe liegende Mund nicht gemacht und die vordern Zaͤhne haben dazu keinen Halt. Sie wuͤrden etwa darauf verfallen, Steine auf einander ſcharf zu wetzen und ſich damit zu helfen. Und wie viele Ge- ſchlechter wuͤrden ſterben, ehe ein eiſernes
Meſſer,
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ſen bearbeitet werden, wie jetzo? Man
ſtelle ſich in Gedanken vor, es wuͤrden ei-
nige Menſchen, die noch nie ein Jnſtru-
ment, noch einen Bau des Erdreichs geſe-
hen, und in keinem Stuͤck die geringſte Er-
fahrung haͤtten, ganz nackend auf eine
unbewohnte Jnſul unſerer jetzigen Erde ge-
ſetzet. Wie lange wuͤrde es dauren, ehe
ſelbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen
und zu ſaͤen? Wie langſam wuͤrde es ge-
hen, ehe ſie zu den allererſten Jnſtrumen-
ten gelangten? Regen und Sturm und
kalte Naͤchte wuͤrden ſie zwingen, hinter
den Zweigen der Buͤſche und in Hoͤlen
Schutz zu ſuchen. Sie wuͤrden etwa das
warme Fell eines Thieres fuͤhlen und deſ-
ſen wider Naͤſſe und Kaͤlte habhaft zu
werden wuͤnſchen. Sie wuͤrden mit vieler
Muͤhe Pruͤgel von den Baͤumen brechen
und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet
ihnen ein ſchneidendes Jnſtrument die
Haut abzuſchaͤlen. Sie wuͤrden ſelbige
mit den Zaͤhnen wollen aufreiſſen und ab-
ziehen. Dazu iſt aber unſer plattes Ge-
ſicht und der unter der hervorragenden
Naſe liegende Mund nicht gemacht und
die vordern Zaͤhne haben dazu keinen Halt.
Sie wuͤrden etwa darauf verfallen,
Steine auf einander ſcharf zu wetzen und
ſich damit zu helfen. Und wie viele Ge-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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