Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

sen bearbeitet werden, wie jetzo? Man
stelle sich in Gedanken vor, es würden ei-
nige Menschen, die noch nie ein Jnstru-
ment, noch einen Bau des Erdreichs gese-
hen, und in keinem Stück die geringste Er-
fahrung hätten, ganz nackend auf eine
unbewohnte Jnsul unserer jetzigen Erde ge-
setzet. Wie lange würde es dauren, ehe
selbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen
und zu säen? Wie langsam würde es ge-
hen, ehe sie zu den allerersten Jnstrumen-
ten gelangten? Regen und Sturm und
kalte Nächte würden sie zwingen, hinter
den Zweigen der Büsche und in Hölen
Schutz zu suchen. Sie würden etwa das
warme Fell eines Thieres fühlen und des-
sen wider Nässe und Kälte habhaft zu
werden wünschen. Sie würden mit vieler
Mühe Prügel von den Bäumen brechen
und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet
ihnen ein schneidendes Jnstrument die
Haut abzuschälen. Sie würden selbige
mit den Zähnen wollen aufreissen und ab-
ziehen. Dazu ist aber unser plattes Ge-
sicht und der unter der hervorragenden
Nase liegende Mund nicht gemacht und
die vordern Zähne haben dazu keinen Halt.
Sie würden etwa darauf verfallen,
Steine auf einander scharf zu wetzen und
sich damit zu helfen. Und wie viele Ge-
schlechter würden sterben, ehe ein eisernes

Messer,

ſen bearbeitet werden, wie jetzo? Man
ſtelle ſich in Gedanken vor, es wuͤrden ei-
nige Menſchen, die noch nie ein Jnſtru-
ment, noch einen Bau des Erdreichs geſe-
hen, und in keinem Stuͤck die geringſte Er-
fahrung haͤtten, ganz nackend auf eine
unbewohnte Jnſul unſerer jetzigen Erde ge-
ſetzet. Wie lange wuͤrde es dauren, ehe
ſelbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen
und zu ſaͤen? Wie langſam wuͤrde es ge-
hen, ehe ſie zu den allererſten Jnſtrumen-
ten gelangten? Regen und Sturm und
kalte Naͤchte wuͤrden ſie zwingen, hinter
den Zweigen der Buͤſche und in Hoͤlen
Schutz zu ſuchen. Sie wuͤrden etwa das
warme Fell eines Thieres fuͤhlen und deſ-
ſen wider Naͤſſe und Kaͤlte habhaft zu
werden wuͤnſchen. Sie wuͤrden mit vieler
Muͤhe Pruͤgel von den Baͤumen brechen
und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet
ihnen ein ſchneidendes Jnſtrument die
Haut abzuſchaͤlen. Sie wuͤrden ſelbige
mit den Zaͤhnen wollen aufreiſſen und ab-
ziehen. Dazu iſt aber unſer plattes Ge-
ſicht und der unter der hervorragenden
Naſe liegende Mund nicht gemacht und
die vordern Zaͤhne haben dazu keinen Halt.
Sie wuͤrden etwa darauf verfallen,
Steine auf einander ſcharf zu wetzen und
ſich damit zu helfen. Und wie viele Ge-
ſchlechter wuͤrden ſterben, ehe ein eiſernes

Meſſer,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="24"/>
&#x017F;en bearbeitet werden, wie jetzo? Man<lb/>
&#x017F;telle &#x017F;ich in Gedanken vor, es wu&#x0364;rden ei-<lb/>
nige Men&#x017F;chen, die noch nie ein Jn&#x017F;tru-<lb/>
ment, noch einen Bau des Erdreichs ge&#x017F;e-<lb/>
hen, und in keinem Stu&#x0364;ck die gering&#x017F;te Er-<lb/>
fahrung ha&#x0364;tten, ganz nackend auf eine<lb/>
unbewohnte Jn&#x017F;ul un&#x017F;erer jetzigen Erde ge-<lb/>
&#x017F;etzet. Wie lange wu&#x0364;rde es dauren, ehe<lb/>
&#x017F;elbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen<lb/>
und zu &#x017F;a&#x0364;en? Wie lang&#x017F;am wu&#x0364;rde es ge-<lb/>
hen, ehe &#x017F;ie zu den allerer&#x017F;ten Jn&#x017F;trumen-<lb/>
ten gelangten? Regen und Sturm und<lb/>
kalte Na&#x0364;chte wu&#x0364;rden &#x017F;ie zwingen, hinter<lb/>
den Zweigen der Bu&#x0364;&#x017F;che und in Ho&#x0364;len<lb/>
Schutz zu &#x017F;uchen. Sie wu&#x0364;rden etwa das<lb/>
warme Fell eines Thieres fu&#x0364;hlen und de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en wider Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Ka&#x0364;lte habhaft zu<lb/>
werden wu&#x0364;n&#x017F;chen. Sie wu&#x0364;rden mit vieler<lb/>
Mu&#x0364;he Pru&#x0364;gel von den Ba&#x0364;umen brechen<lb/>
und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet<lb/>
ihnen ein &#x017F;chneidendes Jn&#x017F;trument die<lb/>
Haut abzu&#x017F;cha&#x0364;len. Sie wu&#x0364;rden &#x017F;elbige<lb/>
mit den Za&#x0364;hnen wollen aufrei&#x017F;&#x017F;en und ab-<lb/>
ziehen. Dazu i&#x017F;t aber un&#x017F;er plattes Ge-<lb/>
&#x017F;icht und der unter der hervorragenden<lb/>
Na&#x017F;e liegende Mund nicht gemacht und<lb/>
die vordern Za&#x0364;hne haben dazu keinen Halt.<lb/>
Sie wu&#x0364;rden etwa darauf verfallen,<lb/>
Steine auf einander &#x017F;charf zu wetzen und<lb/>
&#x017F;ich damit zu helfen. Und wie viele Ge-<lb/>
&#x017F;chlechter wu&#x0364;rden &#x017F;terben, ehe ein ei&#x017F;ernes<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Me&#x017F;&#x017F;er,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0044] ſen bearbeitet werden, wie jetzo? Man ſtelle ſich in Gedanken vor, es wuͤrden ei- nige Menſchen, die noch nie ein Jnſtru- ment, noch einen Bau des Erdreichs geſe- hen, und in keinem Stuͤck die geringſte Er- fahrung haͤtten, ganz nackend auf eine unbewohnte Jnſul unſerer jetzigen Erde ge- ſetzet. Wie lange wuͤrde es dauren, ehe ſelbigen einmal einfiele, etwas zu pflanzen und zu ſaͤen? Wie langſam wuͤrde es ge- hen, ehe ſie zu den allererſten Jnſtrumen- ten gelangten? Regen und Sturm und kalte Naͤchte wuͤrden ſie zwingen, hinter den Zweigen der Buͤſche und in Hoͤlen Schutz zu ſuchen. Sie wuͤrden etwa das warme Fell eines Thieres fuͤhlen und deſ- ſen wider Naͤſſe und Kaͤlte habhaft zu werden wuͤnſchen. Sie wuͤrden mit vieler Muͤhe Pruͤgel von den Baͤumen brechen und die Thiere erlegen. Nun aber fehlet ihnen ein ſchneidendes Jnſtrument die Haut abzuſchaͤlen. Sie wuͤrden ſelbige mit den Zaͤhnen wollen aufreiſſen und ab- ziehen. Dazu iſt aber unſer plattes Ge- ſicht und der unter der hervorragenden Naſe liegende Mund nicht gemacht und die vordern Zaͤhne haben dazu keinen Halt. Sie wuͤrden etwa darauf verfallen, Steine auf einander ſcharf zu wetzen und ſich damit zu helfen. Und wie viele Ge- ſchlechter wuͤrden ſterben, ehe ein eiſernes Meſſer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/44
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/44>, abgerufen am 08.05.2024.