de erschaffen und ihm nicht nur das Leben verliehen, sondern auch seine Wohlfarth zu befördern gesucht, sich ihm zu erkennen gegeben, und auf alle Weise, auch so gar nach dem Falle, für die Kleidung desselben gesorget. Es kommt dieses einigen an- stössig vor. Allein man erwäge folgende Umstände: Was ist Gott anständiger, und was kann man wol mehr von seiner Weis- heit und unendlichen Güte erwarten, daß er den Menschen schaffet, und ihn vie- leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh gehen lässet, bis er nach und nach zu eini- ger Vernunft gelanget, oder daß er sich seiner nach der Schöpfung, da er noch ohne alle Erfahrung und in diesem Stücke ein völliges Kind ist, annimmt, und ihm die allerersten Bedürfnisse in die Hand reichet und den nöthigsten Unterricht ertheilet? Wenn ich folgende Umstände überdenke, so scheinet es mir unumgänglich nothwendig zu seyn, daß Gott sich auf eine nähere Arth der ersten Menschen angenommen, wie jetzo geschiehet. Wie nöthig ist den Menschen, auch in den heissesten Gegenden, in kalten und feuchten Nächten, eine Decke? Und wie lange würden die ersten Menschen derselben haben entbehren müs- sen, wenn sie selbige selbst hätten suchen und erfinden sollen? Wie würde es den neugebohrnen Kindern ergangen seyn? Man erwäge nur alle Umstände derselben.
Wie
de erſchaffen und ihm nicht nur das Leben verliehen, ſondern auch ſeine Wohlfarth zu befoͤrdern geſucht, ſich ihm zu erkennen gegeben, und auf alle Weiſe, auch ſo gar nach dem Falle, fuͤr die Kleidung deſſelben geſorget. Es kommt dieſes einigen an- ſtoͤſſig vor. Allein man erwaͤge folgende Umſtaͤnde: Was iſt Gott anſtaͤndiger, und was kann man wol mehr von ſeiner Weis- heit und unendlichen Guͤte erwarten, daß er den Menſchen ſchaffet, und ihn vie- leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh gehen laͤſſet, bis er nach und nach zu eini- ger Vernunft gelanget, oder daß er ſich ſeiner nach der Schoͤpfung, da er noch ohne alle Erfahrung und in dieſem Stuͤcke ein voͤlliges Kind iſt, annimmt, und ihm die allererſten Beduͤrfniſſe in die Hand reichet und den noͤthigſten Unterricht ertheilet? Wenn ich folgende Umſtaͤnde uͤberdenke, ſo ſcheinet es mir unumgaͤnglich nothwendig zu ſeyn, daß Gott ſich auf eine naͤhere Arth der erſten Menſchen angenommen, wie jetzo geſchiehet. Wie noͤthig iſt den Menſchen, auch in den heiſſeſten Gegenden, in kalten und feuchten Naͤchten, eine Decke? Und wie lange wuͤrden die erſten Menſchen derſelben haben entbehren muͤſ- ſen, wenn ſie ſelbige ſelbſt haͤtten ſuchen und erfinden ſollen? Wie wuͤrde es den neugebohrnen Kindern ergangen ſeyn? Man erwaͤge nur alle Umſtaͤnde derſelben.
Wie
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de erſchaffen und ihm nicht nur das Leben
verliehen, ſondern auch ſeine Wohlfarth
zu befoͤrdern geſucht, ſich ihm zu erkennen
gegeben, und auf alle Weiſe, auch ſo gar
nach dem Falle, fuͤr die Kleidung deſſelben
geſorget. Es kommt dieſes einigen an-
ſtoͤſſig vor. Allein man erwaͤge folgende
Umſtaͤnde: Was iſt Gott anſtaͤndiger, und
was kann man wol mehr von ſeiner Weis-
heit und unendlichen Guͤte erwarten, daß
er den Menſchen ſchaffet, und ihn vie-
leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh
gehen laͤſſet, bis er nach und nach zu eini-
ger Vernunft gelanget, oder daß er ſich
ſeiner nach der Schoͤpfung, da er noch ohne
alle Erfahrung und in dieſem Stuͤcke ein
voͤlliges Kind iſt, annimmt, und ihm die
allererſten Beduͤrfniſſe in die Hand reichet
und den noͤthigſten Unterricht ertheilet?
Wenn ich folgende Umſtaͤnde uͤberdenke,
ſo ſcheinet es mir unumgaͤnglich nothwendig
zu ſeyn, daß Gott ſich auf eine naͤhere
Arth der erſten Menſchen angenommen,
wie jetzo geſchiehet. Wie noͤthig iſt den
Menſchen, auch in den heiſſeſten Gegenden,
in kalten und feuchten Naͤchten, eine
Decke? Und wie lange wuͤrden die erſten
Menſchen derſelben haben entbehren muͤſ-
ſen, wenn ſie ſelbige ſelbſt haͤtten ſuchen
und erfinden ſollen? Wie wuͤrde es den
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Man erwaͤge nur alle Umſtaͤnde derſelben.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/47>, abgerufen am 28.01.2025.
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