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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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nerley Sache allezeit einerley Laut ausspre-
chen. Da er nun durch die Natur zu
keinen gewissen Benennungen der Dinge
bestimmet wird, so würde er bey eben der-
selben Sache heute diesen und Morgen ei-
nen andern Laut machen, und nicht wissen,
wie er die Sache das erste mahl bezeich-
net. Denn die ersten Worte in einer un-
bekannten Sprache muß auch der geübteste,
und der schon eine andere Sprache weiß,
einige mahl überdenken, ehe er sie behält.
Jch kann mir daher nicht wol vorstellen,
daß ein Mensch durch sich selbst zu einer
Sprache kommen würde. Alle diese Um-
stände bewegen mich zu glauben, daß Gott
bey den ersten Menschen noch mehr gethan,
als daß er sie erschaffen. Es haben daher
die Nachrichten des Moses, daß Gott
den ersten Menschen selber unterrichtet,
ihn, unter seiner Regierung, die Thiere
und andere Dinge benennen lassen*) und

für
*) Man setzet der Meinung, daß die erste
Sprache durch eine besondere Vorkehrung
Gottes entstanden, die gar grosse Mannig-
faltigkeit der Sprachen entgegen. Es las-
sen sich selbige aber begreifen, wenn man
gleich die erste Sprache von Gott oder einem
Engel ableitet. Die allererste Sprache
muß nothwendig sehr arm gewesen seyn und
nur die Sachen benennet haben, welche der
Mensch um sich hatte. Da aber die Men-
schen nach und nach aus einander gezogen,
und

nerley Sache allezeit einerley Laut ausſpre-
chen. Da er nun durch die Natur zu
keinen gewiſſen Benennungen der Dinge
beſtimmet wird, ſo wuͤrde er bey eben der-
ſelben Sache heute dieſen und Morgen ei-
nen andern Laut machen, und nicht wiſſen,
wie er die Sache das erſte mahl bezeich-
net. Denn die erſten Worte in einer un-
bekannten Sprache muß auch der geuͤbteſte,
und der ſchon eine andere Sprache weiß,
einige mahl uͤberdenken, ehe er ſie behaͤlt.
Jch kann mir daher nicht wol vorſtellen,
daß ein Menſch durch ſich ſelbſt zu einer
Sprache kommen wuͤrde. Alle dieſe Um-
ſtaͤnde bewegen mich zu glauben, daß Gott
bey den erſten Menſchen noch mehr gethan,
als daß er ſie erſchaffen. Es haben daher
die Nachrichten des Moſes, daß Gott
den erſten Menſchen ſelber unterrichtet,
ihn, unter ſeiner Regierung, die Thiere
und andere Dinge benennen laſſen*) und

fuͤr
*) Man ſetzet der Meinung, daß die erſte
Sprache durch eine beſondere Vorkehrung
Gottes entſtanden, die gar groſſe Mannig-
faltigkeit der Sprachen entgegen. Es laſ-
ſen ſich ſelbige aber begreifen, wenn man
gleich die erſte Sprache von Gott oder einem
Engel ableitet. Die allererſte Sprache
muß nothwendig ſehr arm geweſen ſeyn und
nur die Sachen benennet haben, welche der
Menſch um ſich hatte. Da aber die Men-
ſchen nach und nach aus einander gezogen,
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[30/0050] nerley Sache allezeit einerley Laut ausſpre- chen. Da er nun durch die Natur zu keinen gewiſſen Benennungen der Dinge beſtimmet wird, ſo wuͤrde er bey eben der- ſelben Sache heute dieſen und Morgen ei- nen andern Laut machen, und nicht wiſſen, wie er die Sache das erſte mahl bezeich- net. Denn die erſten Worte in einer un- bekannten Sprache muß auch der geuͤbteſte, und der ſchon eine andere Sprache weiß, einige mahl uͤberdenken, ehe er ſie behaͤlt. Jch kann mir daher nicht wol vorſtellen, daß ein Menſch durch ſich ſelbſt zu einer Sprache kommen wuͤrde. Alle dieſe Um- ſtaͤnde bewegen mich zu glauben, daß Gott bey den erſten Menſchen noch mehr gethan, als daß er ſie erſchaffen. Es haben daher die Nachrichten des Moſes, daß Gott den erſten Menſchen ſelber unterrichtet, ihn, unter ſeiner Regierung, die Thiere und andere Dinge benennen laſſen *) und fuͤr *) Man ſetzet der Meinung, daß die erſte Sprache durch eine beſondere Vorkehrung Gottes entſtanden, die gar groſſe Mannig- faltigkeit der Sprachen entgegen. Es laſ- ſen ſich ſelbige aber begreifen, wenn man gleich die erſte Sprache von Gott oder einem Engel ableitet. Die allererſte Sprache muß nothwendig ſehr arm geweſen ſeyn und nur die Sachen benennet haben, welche der Menſch um ſich hatte. Da aber die Men- ſchen nach und nach aus einander gezogen, und

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/50>, abgerufen am 21.11.2024.