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Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

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als ein Verdienst der jetzigen Regierungsform und daher
die unveränderte Fortdauer derselben als wünschenswerth
anzusprechen; sie übersehen aber daß selbst die beste Schule
ihre Zöglinge nicht für immer behalten kann, vielmehr
je reifer sie sind desto eher sie zur Selbstständigkeit zu
entlassen verpflichtet ist. Und ist's denn wirklich das
gegenwärtige Staatsregiment, dem wir die hohe Cul-
turstufe verdanken? Von der in Preußen vorhandenen
politischen Bildung wird dieß wohl Niemand behaupten;
und auch die sonstige -- sittliche wie geistige -- Volks-
bildung, ist sie nicht vielmehr Folge jener großartigen,
für Preußen so überaus wichtigen Erziehungs- und Ge-
sezgebungs-Epoche der Jahre 1807 bis 1819? sind die
damaligen liberalen Principien noch die der jezigen
Regierung? Hat man die volksthümlichen Institutionen
jener Zeit weiter entwickelt, oder war man sie zurückzuschrau-
ben bedacht? Ist seit dem die Mitwirkung der selbststän-
digen Bürger erweitert oder beschränkt worden? -- Wir
haben schon oben diese Frage durch Facta beantwortet
und wollen zur Bekräftigung hier nur noch die Worte
eines Mannes anführen, der -- wenn irgend einer --
die vaterländischen Zustände zu durchschauen geeignet ist.
"Wir werden," so schildert der Staatsminister v. Stein
Preußens Gegenwart, -- "wir werden von besoldeten
Buchgelehrten
, interessenlosen ohne Eigenthum
seienden
Bureaulisten regiert; -- das geht so lange es
geht. -- Diese vier Worte enthalten den Geist unserer
und ähnlicher geistlosen Regierungsmaschienen. Besoldet,

als ein Verdienſt der jetzigen Regierungsform und daher
die unveraͤnderte Fortdauer derſelben als wuͤnſchenswerth
anzuſprechen; ſie uͤberſehen aber daß ſelbſt die beſte Schule
ihre Zoͤglinge nicht fuͤr immer behalten kann, vielmehr
je reifer ſie ſind deſto eher ſie zur Selbſtſtaͤndigkeit zu
entlaſſen verpflichtet iſt. Und iſt's denn wirklich das
gegenwaͤrtige Staatsregiment, dem wir die hohe Cul-
turſtufe verdanken? Von der in Preußen vorhandenen
politiſchen Bildung wird dieß wohl Niemand behaupten;
und auch die ſonſtige — ſittliche wie geiſtige — Volks-
bildung, iſt ſie nicht vielmehr Folge jener großartigen,
fuͤr Preußen ſo uͤberaus wichtigen Erziehungs- und Ge-
ſezgebungs-Epoche der Jahre 1807 bis 1819? ſind die
damaligen liberalen Principien noch die der jezigen
Regierung? Hat man die volksthuͤmlichen Inſtitutionen
jener Zeit weiter entwickelt, oder war man ſie zuruͤckzuſchrau-
ben bedacht? Iſt ſeit dem die Mitwirkung der ſelbſtſtaͤn-
digen Buͤrger erweitert oder beſchraͤnkt worden? — Wir
haben ſchon oben dieſe Frage durch Facta beantwortet
und wollen zur Bekraͤftigung hier nur noch die Worte
eines Mannes anfuͤhren, der — wenn irgend einer —
die vaterlaͤndiſchen Zuſtaͤnde zu durchſchauen geeignet iſt.
„Wir werden,“ ſo ſchildert der Staatsminiſter v. Stein
Preußens Gegenwart, — „wir werden von beſoldeten
Buchgelehrten
, intereſſenloſen ohne Eigenthum
ſeienden
Bureauliſten regiert; — das geht ſo lange es
geht. — Dieſe vier Worte enthalten den Geiſt unſerer
und aͤhnlicher geiſtloſen Regierungsmaſchienen. Beſoldet,

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[22/0028] als ein Verdienſt der jetzigen Regierungsform und daher die unveraͤnderte Fortdauer derſelben als wuͤnſchenswerth anzuſprechen; ſie uͤberſehen aber daß ſelbſt die beſte Schule ihre Zoͤglinge nicht fuͤr immer behalten kann, vielmehr je reifer ſie ſind deſto eher ſie zur Selbſtſtaͤndigkeit zu entlaſſen verpflichtet iſt. Und iſt's denn wirklich das gegenwaͤrtige Staatsregiment, dem wir die hohe Cul- turſtufe verdanken? Von der in Preußen vorhandenen politiſchen Bildung wird dieß wohl Niemand behaupten; und auch die ſonſtige — ſittliche wie geiſtige — Volks- bildung, iſt ſie nicht vielmehr Folge jener großartigen, fuͤr Preußen ſo uͤberaus wichtigen Erziehungs- und Ge- ſezgebungs-Epoche der Jahre 1807 bis 1819? ſind die damaligen liberalen Principien noch die der jezigen Regierung? Hat man die volksthuͤmlichen Inſtitutionen jener Zeit weiter entwickelt, oder war man ſie zuruͤckzuſchrau- ben bedacht? Iſt ſeit dem die Mitwirkung der ſelbſtſtaͤn- digen Buͤrger erweitert oder beſchraͤnkt worden? — Wir haben ſchon oben dieſe Frage durch Facta beantwortet und wollen zur Bekraͤftigung hier nur noch die Worte eines Mannes anfuͤhren, der — wenn irgend einer — die vaterlaͤndiſchen Zuſtaͤnde zu durchſchauen geeignet iſt. „Wir werden,“ ſo ſchildert der Staatsminiſter v. Stein Preußens Gegenwart, — „wir werden von beſoldeten Buchgelehrten, intereſſenloſen ohne Eigenthum ſeienden Bureauliſten regiert; — das geht ſo lange es geht. — Dieſe vier Worte enthalten den Geiſt unſerer und aͤhnlicher geiſtloſen Regierungsmaſchienen. Beſoldet,

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Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/28>, abgerufen am 21.11.2024.