Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

die Regierung kann, was sie Freisinniges geweckt, unter-
drücken, aber nicht ertödten.

Diese drei wichtigen, im Verlauf weniger Monate er-
lassenen Gesetze waren ganz dazu geeignet, eine tüchtige Na-
tionalrepräsentation vorzubereiten, -- eine Nationalreprä-
sentation, welche das Band zwischen Fürsten und Volk
fester knüpfen und dem zertrümmerten Vaterlande seine
Bedeutsamkeit im europäischen Staatenbunde wiedererrin-
gen sollte. Daß dies Stein's Absicht gewesen, geht au-
genfällig aus dem Circularschreiben *) hervor, welches er
kurz vor seinem durch Napoleon gebotenen Abgange (Ende
November 1808) an die obersten Behörden der Preußischen
Monarchie erließ. Folgende Stelle dieses merkwürdigen
Actenstückes möge hier einen Platz finden:

"Eine allgemeine Nationalrepräsentation ist erforder-
lich. Heilig war mir und bleibe das Recht und die Ge-
walt unseres Königs. Aber damit dieses Recht und diese
unumschränkte Gewalt das Gute wirken kann, was in ihr
liegt, schien es mir nothwendig, der höchsten Gewalt ein
Mittel zu geben, wodurch sie die Wünsche des Volks
kennen lernen
und ihren Bestimmungen Leben geben
kann. Wenn dem Volke alle Theilnahme an den Opera-
tionen des Staats entzogen wird, kommt es bald dahin,

*) Der Entwurf zu diesem sogenannten Stein'schen
Testament ist von der Hand des jetzigen Oberpräsidenten
v. Schön.

die Regierung kann, was ſie Freiſinniges geweckt, unter-
druͤcken, aber nicht ertoͤdten.

Dieſe drei wichtigen, im Verlauf weniger Monate er-
laſſenen Geſetze waren ganz dazu geeignet, eine tuͤchtige Na-
tionalrepraͤſentation vorzubereiten, — eine Nationalrepraͤ-
ſentation, welche das Band zwiſchen Fuͤrſten und Volk
feſter knuͤpfen und dem zertruͤmmerten Vaterlande ſeine
Bedeutſamkeit im europaͤiſchen Staatenbunde wiedererrin-
gen ſollte. Daß dies Stein's Abſicht geweſen, geht au-
genfaͤllig aus dem Circularſchreiben *) hervor, welches er
kurz vor ſeinem durch Napoleon gebotenen Abgange (Ende
November 1808) an die oberſten Behoͤrden der Preußiſchen
Monarchie erließ. Folgende Stelle dieſes merkwuͤrdigen
Actenſtuͤckes moͤge hier einen Platz finden:

„Eine allgemeine Nationalrepraͤſentation iſt erforder-
lich. Heilig war mir und bleibe das Recht und die Ge-
walt unſeres Koͤnigs. Aber damit dieſes Recht und dieſe
unumſchraͤnkte Gewalt das Gute wirken kann, was in ihr
liegt, ſchien es mir nothwendig, der hoͤchſten Gewalt ein
Mittel zu geben, wodurch ſie die Wuͤnſche des Volks
kennen lernen
und ihren Beſtimmungen Leben geben
kann. Wenn dem Volke alle Theilnahme an den Opera-
tionen des Staats entzogen wird, kommt es bald dahin,

*) Der Entwurf zu dieſem ſogenannten Stein'ſchen
Teſtament iſt von der Hand des jetzigen Oberpraͤſidenten
v. Schoͤn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="29"/>
die Regierung kann, was &#x017F;ie Frei&#x017F;inniges geweckt, unter-<lb/>
dru&#x0364;cken, aber nicht erto&#x0364;dten.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e drei wichtigen, im Verlauf weniger Monate er-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;enen Ge&#x017F;etze waren ganz dazu geeignet, eine tu&#x0364;chtige Na-<lb/>
tionalrepra&#x0364;&#x017F;entation vorzubereiten, &#x2014; eine Nationalrepra&#x0364;-<lb/>
&#x017F;entation, welche das Band zwi&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Volk<lb/>
fe&#x017F;ter knu&#x0364;pfen und dem zertru&#x0364;mmerten Vaterlande &#x017F;eine<lb/>
Bedeut&#x017F;amkeit im europa&#x0364;i&#x017F;chen Staatenbunde wiedererrin-<lb/>
gen &#x017F;ollte. Daß dies <hi rendition="#g">Stein</hi>'s Ab&#x017F;icht gewe&#x017F;en, geht au-<lb/>
genfa&#x0364;llig aus dem Circular&#x017F;chreiben <note place="foot" n="*)">Der Entwurf zu die&#x017F;em &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">Stein</hi>'&#x017F;chen<lb/>
Te&#x017F;tament i&#x017F;t von der Hand des jetzigen Oberpra&#x0364;&#x017F;identen<lb/>
v. <hi rendition="#g">Scho&#x0364;n</hi>.</note> hervor, welches er<lb/>
kurz vor &#x017F;einem durch Napoleon gebotenen Abgange (Ende<lb/>
November 1808) an die ober&#x017F;ten Beho&#x0364;rden der Preußi&#x017F;chen<lb/>
Monarchie erließ. Folgende Stelle die&#x017F;es merkwu&#x0364;rdigen<lb/>
Acten&#x017F;tu&#x0364;ckes mo&#x0364;ge hier einen Platz finden:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Eine allgemeine Nationalrepra&#x0364;&#x017F;entation i&#x017F;t erforder-<lb/>
lich. Heilig war mir und bleibe das Recht und die Ge-<lb/>
walt un&#x017F;eres Ko&#x0364;nigs. Aber damit die&#x017F;es Recht und die&#x017F;e<lb/>
unum&#x017F;chra&#x0364;nkte Gewalt das Gute wirken kann, was in ihr<lb/>
liegt, &#x017F;chien es mir nothwendig, der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gewalt ein<lb/>
Mittel zu geben, <hi rendition="#g">wodurch &#x017F;ie die Wu&#x0364;n&#x017F;che des Volks<lb/>
kennen lernen</hi> und ihren Be&#x017F;timmungen Leben geben<lb/>
kann. Wenn dem Volke alle Theilnahme an den Opera-<lb/>
tionen des Staats entzogen wird, kommt es bald dahin,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0035] die Regierung kann, was ſie Freiſinniges geweckt, unter- druͤcken, aber nicht ertoͤdten. Dieſe drei wichtigen, im Verlauf weniger Monate er- laſſenen Geſetze waren ganz dazu geeignet, eine tuͤchtige Na- tionalrepraͤſentation vorzubereiten, — eine Nationalrepraͤ- ſentation, welche das Band zwiſchen Fuͤrſten und Volk feſter knuͤpfen und dem zertruͤmmerten Vaterlande ſeine Bedeutſamkeit im europaͤiſchen Staatenbunde wiedererrin- gen ſollte. Daß dies Stein's Abſicht geweſen, geht au- genfaͤllig aus dem Circularſchreiben *) hervor, welches er kurz vor ſeinem durch Napoleon gebotenen Abgange (Ende November 1808) an die oberſten Behoͤrden der Preußiſchen Monarchie erließ. Folgende Stelle dieſes merkwuͤrdigen Actenſtuͤckes moͤge hier einen Platz finden: „Eine allgemeine Nationalrepraͤſentation iſt erforder- lich. Heilig war mir und bleibe das Recht und die Ge- walt unſeres Koͤnigs. Aber damit dieſes Recht und dieſe unumſchraͤnkte Gewalt das Gute wirken kann, was in ihr liegt, ſchien es mir nothwendig, der hoͤchſten Gewalt ein Mittel zu geben, wodurch ſie die Wuͤnſche des Volks kennen lernen und ihren Beſtimmungen Leben geben kann. Wenn dem Volke alle Theilnahme an den Opera- tionen des Staats entzogen wird, kommt es bald dahin, *) Der Entwurf zu dieſem ſogenannten Stein'ſchen Teſtament iſt von der Hand des jetzigen Oberpraͤſidenten v. Schoͤn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/35
Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/35>, abgerufen am 21.11.2024.