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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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"Muß man nicht klagen, daß wir einem
"jeden, er sei wer er wolle, er habe einen guten
"Wandel geführt oder nicht, er habe Früchte
"der Buße gezeigt oder nicht, er habe den ar¬
"men Heiligen in ihrer Noth Hülfe gethan oder
"nicht, nachsingen: Er hat getragen Christi Joch,
"ist gestorben und lebet noch! Da er doch sein
"Lebelang das Joch Christi nicht getragen, auch
"nie erfahren was es sei."

Großgebauer's geistreiche Schriften vom Ansehn
der Person. Cap. XII. p. 229.

"Es wäre besser, die Leichenpredigten wä¬
"ren nie aufkommen, oder würden doch durch
"einen allgemeinen Schluß abgeschafft. Es
"würde dem lieben Gott nicht zuwider sein, und
"der Ehre seines Namens auch nichts dadurch
"abgehen. Denn im alten Testament sind auch
"keine gehalten worden, unser Heiland hat selbst
"keine bekommen, und die ersten Christen haben
"auch nichts davon gewußt. Würde nur das
"gepredigte Wort am Sonntage und in der
"Wochen mit rechtem Ernst gehöret, so wäre es
"schon gut. Zu dem werden die Leichenpredigten
"nur Menschen zu Ehre gehalten. Vielmahl

„Muß man nicht klagen, daß wir einem
„jeden, er ſei wer er wolle, er habe einen guten
„Wandel geführt oder nicht, er habe Früchte
„der Buße gezeigt oder nicht, er habe den ar¬
„men Heiligen in ihrer Noth Hülfe gethan oder
„nicht, nachſingen: Er hat getragen Chriſti Joch,
„iſt geſtorben und lebet noch! Da er doch ſein
„Lebelang das Joch Chriſti nicht getragen, auch
„nie erfahren was es ſei.“

Großgebauer's geiſtreiche Schriften vom Anſehn
der Perſon. Cap. XII. p. 229.

„Es wäre beſſer, die Leichenpredigten wä¬
„ren nie aufkommen, oder würden doch durch
„einen allgemeinen Schluß abgeſchafft. Es
„würde dem lieben Gott nicht zuwider ſein, und
„der Ehre ſeines Namens auch nichts dadurch
„abgehen. Denn im alten Teſtament ſind auch
„keine gehalten worden, unſer Heiland hat ſelbſt
„keine bekommen, und die erſten Chriſten haben
„auch nichts davon gewußt. Würde nur das
„gepredigte Wort am Sonntage und in der
„Wochen mit rechtem Ernſt gehöret, ſo wäre es
„ſchon gut. Zu dem werden die Leichenpredigten
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[142/0172] 142 „Muß man nicht klagen, daß wir einem „jeden, er ſei wer er wolle, er habe einen guten „Wandel geführt oder nicht, er habe Früchte „der Buße gezeigt oder nicht, er habe den ar¬ „men Heiligen in ihrer Noth Hülfe gethan oder „nicht, nachſingen: Er hat getragen Chriſti Joch, „iſt geſtorben und lebet noch! Da er doch ſein „Lebelang das Joch Chriſti nicht getragen, auch „nie erfahren was es ſei.“ Großgebauer's geiſtreiche Schriften vom Anſehn der Perſon. Cap. XII. p. 229. „Es wäre beſſer, die Leichenpredigten wä¬ „ren nie aufkommen, oder würden doch durch „einen allgemeinen Schluß abgeſchafft. Es „würde dem lieben Gott nicht zuwider ſein, und „der Ehre ſeines Namens auch nichts dadurch „abgehen. Denn im alten Teſtament ſind auch „keine gehalten worden, unſer Heiland hat ſelbſt „keine bekommen, und die erſten Chriſten haben „auch nichts davon gewußt. Würde nur das „gepredigte Wort am Sonntage und in der „Wochen mit rechtem Ernſt gehöret, ſo wäre es „ſchon gut. Zu dem werden die Leichenpredigten „nur Menſchen zu Ehre gehalten. Vielmahl

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/172>, abgerufen am 14.05.2024.