Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

mer wieder von Neuem gebaut, und die Tren¬
nungslinien der Nahverwandten ins Unendliche
vervielfältigt werden? Nunmehr haben ja über¬
all in Deutschland die drei Partheien gleiche
Duldung; sie sind ja auch in den wesentlichsten
Hauptlehren einverstanden. Warum kann denn
ihr Übereinstimmendes auch nicht in den kirchli¬
chen Büchern einerlei sein? Besonders was den
Menschen bloß als solchen, als Bürger des
Staats, und Theil des Vaterlandes angeht?
Jch meine im Lehrbuch des Christenthums und
im Gesangbuch. Und was nun ein Mahl der
Trennungspunkt bleibt, ist wieder Vereinigung
großer Gemeinden. Aber die Protestanten son¬
dern und zerspleißen sich in Verschiedenheiten
und Abweichungen, die wenn auch nicht eigent¬
lich wesentlich, es doch für das Volk werden.
Neusucht, Wißdünkel, Rechthaberei, Auszeich¬
nungsgier, die Wuth sich hervorzuthun, stürzen
das brauchbare Alte, mäkeln das treffliche
Neue, verstehn nicht das Beste zu wählen. So
giebt jeder geistliche Aufseher ein eigenes Lehr¬
buch des Christenthums heraus, jede Mittelstadt
läßt ein eigen Gesangbuch ordnen. Nachtheil

K

mer wieder von Neuem gebaut, und die Tren¬
nungslinien der Nahverwandten ins Unendliche
vervielfältigt werden? Nunmehr haben ja über¬
all in Deutſchland die drei Partheien gleiche
Duldung; ſie ſind ja auch in den weſentlichſten
Hauptlehren einverſtanden. Warum kann denn
ihr Übereinſtimmendes auch nicht in den kirchli¬
chen Büchern einerlei ſein? Beſonders was den
Menſchen bloß als ſolchen, als Bürger des
Staats, und Theil des Vaterlandes angeht?
Jch meine im Lehrbuch des Chriſtenthums und
im Geſangbuch. Und was nun ein Mahl der
Trennungspunkt bleibt, iſt wieder Vereinigung
großer Gemeinden. Aber die Proteſtanten ſon¬
dern und zerſpleißen ſich in Verſchiedenheiten
und Abweichungen, die wenn auch nicht eigent¬
lich weſentlich, es doch für das Volk werden.
Neuſucht, Wißdünkel, Rechthaberei, Auszeich¬
nungsgier, die Wuth ſich hervorzuthun, ſtürzen
das brauchbare Alte, mäkeln das treffliche
Neue, verſtehn nicht das Beſte zu wählen. So
giebt jeder geiſtliche Aufſeher ein eigenes Lehr¬
buch des Chriſtenthums heraus, jede Mittelſtadt
läßt ein eigen Geſangbuch ordnen. Nachtheil

K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="145"/><fw type="pageNum" place="top">145<lb/></fw>mer wieder von Neuem gebaut, und die Tren¬<lb/>
nungslinien der Nahverwandten ins Unendliche<lb/>
vervielfältigt werden? Nunmehr haben ja über¬<lb/>
all in Deut&#x017F;chland die drei Partheien gleiche<lb/>
Duldung; &#x017F;ie &#x017F;ind ja auch in den we&#x017F;entlich&#x017F;ten<lb/>
Hauptlehren einver&#x017F;tanden. Warum kann denn<lb/>
ihr Überein&#x017F;timmendes auch nicht in den kirchli¬<lb/>
chen Büchern einerlei &#x017F;ein? Be&#x017F;onders was den<lb/>
Men&#x017F;chen bloß als &#x017F;olchen, als Bürger des<lb/>
Staats, und Theil des Vaterlandes angeht?<lb/>
Jch meine im Lehrbuch des Chri&#x017F;tenthums und<lb/>
im Ge&#x017F;angbuch. Und was nun ein Mahl der<lb/>
Trennungspunkt bleibt, i&#x017F;t wieder Vereinigung<lb/>
großer Gemeinden. Aber die Prote&#x017F;tanten &#x017F;on¬<lb/>
dern und zer&#x017F;pleißen &#x017F;ich in Ver&#x017F;chiedenheiten<lb/>
und Abweichungen, die wenn auch nicht eigent¬<lb/>
lich we&#x017F;entlich, es doch für das Volk werden.<lb/>
Neu&#x017F;ucht, Wißdünkel, Rechthaberei, Auszeich¬<lb/>
nungsgier, die Wuth &#x017F;ich hervorzuthun, &#x017F;türzen<lb/>
das brauchbare Alte, mäkeln das treffliche<lb/>
Neue, ver&#x017F;tehn nicht das Be&#x017F;te zu wählen. So<lb/>
giebt jeder gei&#x017F;tliche Auf&#x017F;eher ein eigenes Lehr¬<lb/>
buch des Chri&#x017F;tenthums heraus, jede Mittel&#x017F;tadt<lb/>
läßt ein eigen Ge&#x017F;angbuch ordnen. Nachtheil<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0175] 145 mer wieder von Neuem gebaut, und die Tren¬ nungslinien der Nahverwandten ins Unendliche vervielfältigt werden? Nunmehr haben ja über¬ all in Deutſchland die drei Partheien gleiche Duldung; ſie ſind ja auch in den weſentlichſten Hauptlehren einverſtanden. Warum kann denn ihr Übereinſtimmendes auch nicht in den kirchli¬ chen Büchern einerlei ſein? Beſonders was den Menſchen bloß als ſolchen, als Bürger des Staats, und Theil des Vaterlandes angeht? Jch meine im Lehrbuch des Chriſtenthums und im Geſangbuch. Und was nun ein Mahl der Trennungspunkt bleibt, iſt wieder Vereinigung großer Gemeinden. Aber die Proteſtanten ſon¬ dern und zerſpleißen ſich in Verſchiedenheiten und Abweichungen, die wenn auch nicht eigent¬ lich weſentlich, es doch für das Volk werden. Neuſucht, Wißdünkel, Rechthaberei, Auszeich¬ nungsgier, die Wuth ſich hervorzuthun, ſtürzen das brauchbare Alte, mäkeln das treffliche Neue, verſtehn nicht das Beſte zu wählen. So giebt jeder geiſtliche Aufſeher ein eigenes Lehr¬ buch des Chriſtenthums heraus, jede Mittelſtadt läßt ein eigen Geſangbuch ordnen. Nachtheil K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/175
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/175>, abgerufen am 21.11.2024.