Feierlichkeit ist äußere Begleitung einer höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬ bildschrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬ hergang. Nur die einzelne That fällt in die Augen, nicht wodurch sie erzeugt wird, nicht worauf sie hinstrebte. Dadurch soll offenbar werden, nicht des Daseins Schale, sondern des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬ nenwesens auf sinnlichen Pfaden zum Übersinn¬ lichen, die durch geistige Verknüpfung in einer einträchtigen Sinnbildnerei das Abstumpfen ver¬ hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das Geistige allein -- würkt höchstens auf den Geist; es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬ lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬ zen Menschen. Das Übersinnliche wird uns doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬ bilder; aber es wird den schnellsten Eingang fin¬ den, die festeste Nachwürkung behaupten, wo ein Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬ währt, und unaussprechliche Sehnungen ver¬ deutlicht.
Gebräuche kennen wilde und zahme, alte und neue Völker; jede Menschenvereinigung vom
Feierlichkeit iſt äußere Begleitung einer höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬ bildſchrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬ hergang. Nur die einzelne That fällt in die Augen, nicht wodurch ſie erzeugt wird, nicht worauf ſie hinſtrebte. Dadurch ſoll offenbar werden, nicht des Daſeins Schale, ſondern des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬ nenweſens auf ſinnlichen Pfaden zum Überſinn¬ lichen, die durch geiſtige Verknüpfung in einer einträchtigen Sinnbildnerei das Abſtumpfen ver¬ hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das Geiſtige allein — würkt höchſtens auf den Geiſt; es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬ lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬ zen Menſchen. Das Überſinnliche wird uns doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬ bilder; aber es wird den ſchnellſten Eingang fin¬ den, die feſteſte Nachwürkung behaupten, wo ein Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬ währt, und unausſprechliche Sehnungen ver¬ deutlicht.
Gebräuche kennen wilde und zahme, alte und neue Völker; jede Menſchenvereinigung vom
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Feierlichkeit iſt äußere Begleitung einer
höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬
bildſchrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬
hergang. Nur die einzelne That fällt in die
Augen, nicht wodurch ſie erzeugt wird, nicht
worauf ſie hinſtrebte. Dadurch ſoll offenbar
werden, nicht des Daſeins Schale, ſondern
des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬
nenweſens auf ſinnlichen Pfaden zum Überſinn¬
lichen, die durch geiſtige Verknüpfung in einer
einträchtigen Sinnbildnerei das Abſtumpfen ver¬
hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das
Geiſtige allein — würkt höchſtens auf den Geiſt;
es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬
lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬
zen Menſchen. Das Überſinnliche wird uns
doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬
bilder; aber es wird den ſchnellſten Eingang fin¬
den, die feſteſte Nachwürkung behaupten, wo ein
Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬
währt, und unausſprechliche Sehnungen ver¬
deutlicht.
Gebräuche kennen wilde und zahme, alte
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/370>, abgerufen am 21.11.2024.
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