Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Feierlichkeit ist äußere Begleitung einer
höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬
bildschrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬
hergang. Nur die einzelne That fällt in die
Augen, nicht wodurch sie erzeugt wird, nicht
worauf sie hinstrebte. Dadurch soll offenbar
werden, nicht des Daseins Schale, sondern
des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬
nenwesens auf sinnlichen Pfaden zum Übersinn¬
lichen, die durch geistige Verknüpfung in einer
einträchtigen Sinnbildnerei das Abstumpfen ver¬
hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das
Geistige allein -- würkt höchstens auf den Geist;
es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬
lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬
zen Menschen. Das Übersinnliche wird uns
doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬
bilder; aber es wird den schnellsten Eingang fin¬
den, die festeste Nachwürkung behaupten, wo ein
Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬
währt, und unaussprechliche Sehnungen ver¬
deutlicht.

Gebräuche kennen wilde und zahme, alte
und neue Völker; jede Menschenvereinigung vom

Feierlichkeit iſt äußere Begleitung einer
höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬
bildſchrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬
hergang. Nur die einzelne That fällt in die
Augen, nicht wodurch ſie erzeugt wird, nicht
worauf ſie hinſtrebte. Dadurch ſoll offenbar
werden, nicht des Daſeins Schale, ſondern
des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬
nenweſens auf ſinnlichen Pfaden zum Überſinn¬
lichen, die durch geiſtige Verknüpfung in einer
einträchtigen Sinnbildnerei das Abſtumpfen ver¬
hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das
Geiſtige allein — würkt höchſtens auf den Geiſt;
es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬
lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬
zen Menſchen. Das Überſinnliche wird uns
doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬
bilder; aber es wird den ſchnellſten Eingang fin¬
den, die feſteſte Nachwürkung behaupten, wo ein
Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬
währt, und unausſprechliche Sehnungen ver¬
deutlicht.

Gebräuche kennen wilde und zahme, alte
und neue Völker; jede Menſchenvereinigung vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <pb facs="#f0370" n="340"/>
          <fw type="pageNum" place="top">340<lb/></fw>
          <p><hi rendition="#g">Feierlichkeit</hi> i&#x017F;t äußere Begleitung einer<lb/>
höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬<lb/>
bild&#x017F;chrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬<lb/>
hergang. Nur die einzelne That fällt in die<lb/>
Augen, nicht wodurch &#x017F;ie erzeugt wird, nicht<lb/>
worauf &#x017F;ie hin&#x017F;trebte. Dadurch &#x017F;oll offenbar<lb/>
werden, nicht des Da&#x017F;eins Schale, &#x017F;ondern<lb/>
des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬<lb/>
nenwe&#x017F;ens auf &#x017F;innlichen Pfaden zum Über&#x017F;inn¬<lb/>
lichen, die durch gei&#x017F;tige Verknüpfung in einer<lb/>
einträchtigen Sinnbildnerei das Ab&#x017F;tumpfen ver¬<lb/>
hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das<lb/>
Gei&#x017F;tige allein &#x2014; würkt höch&#x017F;tens auf den Gei&#x017F;t;<lb/>
es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬<lb/>
lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬<lb/>
zen Men&#x017F;chen. Das Über&#x017F;innliche wird uns<lb/>
doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬<lb/>
bilder; aber es wird den &#x017F;chnell&#x017F;ten Eingang fin¬<lb/>
den, die fe&#x017F;te&#x017F;te Nachwürkung behaupten, wo ein<lb/>
Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬<lb/>
währt, und unaus&#x017F;prechliche Sehnungen ver¬<lb/>
deutlicht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Gebräuche</hi> kennen wilde und zahme, alte<lb/>
und neue Völker; jede Men&#x017F;chenvereinigung vom<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0370] 340 Feierlichkeit iſt äußere Begleitung einer höhern innern Stimmung; nicht bloß Sinn¬ bildſchrift der Handlung; auch von ihrem Vor¬ hergang. Nur die einzelne That fällt in die Augen, nicht wodurch ſie erzeugt wird, nicht worauf ſie hinſtrebte. Dadurch ſoll offenbar werden, nicht des Daſeins Schale, ſondern des Lebens Kern. Eine Überleitung des Sin¬ nenweſens auf ſinnlichen Pfaden zum Überſinn¬ lichen, die durch geiſtige Verknüpfung in einer einträchtigen Sinnbildnerei das Abſtumpfen ver¬ hütet, wo keine Berührung mehr haftet. Das Geiſtige allein — würkt höchſtens auf den Geiſt; es in Verbindung mit einem in die Augen fal¬ lenden Sinnbilde gebracht, erfaßt es den gan¬ zen Menſchen. Das Überſinnliche wird uns doch nur durch Bilder, Gedanken- und Wort¬ bilder; aber es wird den ſchnellſten Eingang fin¬ den, die feſteſte Nachwürkung behaupten, wo ein Sinnbild als Schattenriß höhere Ahnungen ge¬ währt, und unausſprechliche Sehnungen ver¬ deutlicht. Gebräuche kennen wilde und zahme, alte und neue Völker; jede Menſchenvereinigung vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/370
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/370>, abgerufen am 21.11.2024.