Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

während der Freudetrunkenheit, sondern schon
lange vorher, und lange nachher beobachten.
Nicht an der köstlich besetzten Tafel kann man
wissen, wie den Gästen die Speisen bekommen,
hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬
verrichtungen und Geschäfte von Statten gehn.
Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelassen¬
heit rächt mit Nachwehen.

Der Staat giebt bald keinen, bald lässet
er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬
vents- oder Fastenzeit die Tonkunst als öffentli¬
che Belustigung eingestellt wird, mag schwerlich
je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬
ben -- desto mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬
ternacht noch zum Tanze aufgespielt werden soll
oder nicht. Fremde unverzollte, ja selbst Engli¬
sche Waaren werden das innere Vaterlandswohl
nicht so in Gefahr bringen, als der öffentliche
Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬
genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬
merungsvögel und Nachtschmetterlinge in der
Nachtluft umherschwärmen von einem Mond¬
scheinsgewande nur so viel bekleidet, daß die
Nacktheit durch die Eintheilung desto mehr auf¬

während der Freudetrunkenheit, ſondern ſchon
lange vorher, und lange nachher beobachten.
Nicht an der köſtlich beſetzten Tafel kann man
wiſſen, wie den Gäſten die Speiſen bekommen,
hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬
verrichtungen und Geſchäfte von Statten gehn.
Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelaſſen¬
heit rächt mit Nachwehen.

Der Staat giebt bald keinen, bald läſſet
er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬
vents- oder Faſtenzeit die Tonkunſt als öffentli¬
che Beluſtigung eingeſtellt wird, mag ſchwerlich
je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬
ben — deſto mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬
ternacht noch zum Tanze aufgeſpielt werden ſoll
oder nicht. Fremde unverzollte, ja ſelbſt Engli¬
ſche Waaren werden das innere Vaterlandswohl
nicht ſo in Gefahr bringen, als der öffentliche
Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬
genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬
merungsvögel und Nachtſchmetterlinge in der
Nachtluft umherſchwärmen von einem Mond¬
ſcheinsgewande nur ſo viel bekleidet, daß die
Nacktheit durch die Eintheilung deſto mehr auf¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0375" n="345"/><fw type="pageNum" place="top">345<lb/></fw>während der Freudetrunkenheit, &#x017F;ondern &#x017F;chon<lb/>
lange vorher, und lange nachher beobachten.<lb/>
Nicht an der kö&#x017F;tlich be&#x017F;etzten Tafel kann man<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, wie den Gä&#x017F;ten die Spei&#x017F;en bekommen,<lb/>
hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬<lb/>
verrichtungen und Ge&#x017F;chäfte von Statten gehn.<lb/>
Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgela&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
heit rächt mit Nachwehen.</p><lb/>
          <p>Der Staat giebt bald keinen, bald lä&#x017F;&#x017F;et<lb/>
er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬<lb/>
vents- oder Fa&#x017F;tenzeit die Tonkun&#x017F;t als öffentli¬<lb/>
che Belu&#x017F;tigung einge&#x017F;tellt wird, mag &#x017F;chwerlich<lb/>
je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬<lb/>
ben &#x2014; de&#x017F;to mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬<lb/>
ternacht noch zum Tanze aufge&#x017F;pielt werden &#x017F;oll<lb/>
oder nicht. Fremde unverzollte, ja &#x017F;elb&#x017F;t Engli¬<lb/>
&#x017F;che Waaren werden das innere Vaterlandswohl<lb/>
nicht &#x017F;o in Gefahr bringen, als der öffentliche<lb/>
Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬<lb/>
genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬<lb/>
merungsvögel und Nacht&#x017F;chmetterlinge in der<lb/>
Nachtluft umher&#x017F;chwärmen von einem Mond¬<lb/>
&#x017F;cheinsgewande nur &#x017F;o viel bekleidet, daß die<lb/>
Nacktheit durch die Eintheilung de&#x017F;to mehr auf¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0375] 345 während der Freudetrunkenheit, ſondern ſchon lange vorher, und lange nachher beobachten. Nicht an der köſtlich beſetzten Tafel kann man wiſſen, wie den Gäſten die Speiſen bekommen, hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬ verrichtungen und Geſchäfte von Statten gehn. Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelaſſen¬ heit rächt mit Nachwehen. Der Staat giebt bald keinen, bald läſſet er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬ vents- oder Faſtenzeit die Tonkunſt als öffentli¬ che Beluſtigung eingeſtellt wird, mag ſchwerlich je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬ ben — deſto mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬ ternacht noch zum Tanze aufgeſpielt werden ſoll oder nicht. Fremde unverzollte, ja ſelbſt Engli¬ ſche Waaren werden das innere Vaterlandswohl nicht ſo in Gefahr bringen, als der öffentliche Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬ genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬ merungsvögel und Nachtſchmetterlinge in der Nachtluft umherſchwärmen von einem Mond¬ ſcheinsgewande nur ſo viel bekleidet, daß die Nacktheit durch die Eintheilung deſto mehr auf¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/375
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/375>, abgerufen am 29.05.2024.