Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Nicht der äußere umgelegte Staatsband
macht das Volk; Menschen lassen sich nicht wie
Heringe in Tonnen pökeln, nicht in Völker¬
zwinger einheerden, wie Xerxes Krieger in die
Maaßhorde der Zehntausende. Zusammensein¬
müssen giebt keinen wahren Verein. Das Jn¬
einanderhineinleben, das stille vertrauliche Sich¬
aneinandergewöhnen, das mit Wechselliebe Sich¬
lebendeinverleiben bildet das Volk, und bewahrt
und erhält es durch Volksthum. So paart sich
der Jugend Feuer mit gereifter Mannskraft,
und des Alters reicher Erfahrung. So ist ein
echtes Volk, durchdrungen vom Machtgefühl
seines eigenen Volksthums, eine menschliche Mei¬
sterschöpfung, die selbst wieder Schöpfungskraft
äußert; und so im ewigen Kreistanz das Schaf¬
fende, und Erschaffene einigt.

Der Mensch ist nur ein Genießbraucher
der Natur, ihr Handlanger, und wenn er mehr
oder gar Alles sein will -- ihr Verpfuscher.
Die Allmutter verwaltet mit zärtlicher Fürsorge
seine wichtigsten Lebensverrichtungen, den Blut¬
umlauf, das Dauungsgeschäft, und so viele an¬
dere. Wo ist der Machtmensch, der diese Ord¬

nung

Nicht der äußere umgelegte Staatsband
macht das Volk; Menſchen laſſen ſich nicht wie
Heringe in Tonnen pökeln, nicht in Völker¬
zwinger einheerden, wie Xerxes Krieger in die
Maaßhorde der Zehntauſende. Zuſammenſein¬
müſſen giebt keinen wahren Verein. Das Jn¬
einanderhineinleben, das ſtille vertrauliche Sich¬
aneinandergewöhnen, das mit Wechſelliebe Sich¬
lebendeinverleiben bildet das Volk, und bewahrt
und erhält es durch Volksthum. So paart ſich
der Jugend Feuer mit gereifter Mannskraft,
und des Alters reicher Erfahrung. So iſt ein
echtes Volk, durchdrungen vom Machtgefühl
ſeines eigenen Volksthums, eine menſchliche Mei¬
ſterſchöpfung, die ſelbſt wieder Schöpfungskraft
äußert; und ſo im ewigen Kreistanz das Schaf¬
fende, und Erſchaffene einigt.

Der Menſch iſt nur ein Genießbraucher
der Natur, ihr Handlanger, und wenn er mehr
oder gar Alles ſein will — ihr Verpfuſcher.
Die Allmutter verwaltet mit zärtlicher Fürſorge
ſeine wichtigſten Lebensverrichtungen, den Blut¬
umlauf, das Dauungsgeſchäft, und ſo viele an¬
dere. Wo iſt der Machtmenſch, der dieſe Ord¬

nung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0046" n="16"/>
        <fw type="pageNum" place="top">16<lb/></fw>
        <p>Nicht der äußere umgelegte Staatsband<lb/>
macht das Volk; Men&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht wie<lb/>
Heringe in Tonnen pökeln, nicht in Völker¬<lb/>
zwinger einheerden, wie Xerxes Krieger in die<lb/>
Maaßhorde der Zehntau&#x017F;ende. Zu&#x017F;ammen&#x017F;ein¬<lb/>&#x017F;&#x017F;en giebt keinen wahren Verein. Das Jn¬<lb/>
einanderhineinleben, das &#x017F;tille vertrauliche Sich¬<lb/>
aneinandergewöhnen, das mit Wech&#x017F;elliebe Sich¬<lb/>
lebendeinverleiben bildet das Volk, und bewahrt<lb/>
und erhält es durch Volksthum. So paart &#x017F;ich<lb/>
der Jugend Feuer mit gereifter Mannskraft,<lb/>
und des Alters reicher Erfahrung. So i&#x017F;t ein<lb/>
echtes Volk, durchdrungen vom Machtgefühl<lb/>
&#x017F;eines eigenen Volksthums, eine men&#x017F;chliche Mei¬<lb/>
&#x017F;ter&#x017F;chöpfung, die &#x017F;elb&#x017F;t wieder Schöpfungskraft<lb/>
äußert; und &#x017F;o im ewigen Kreistanz das Schaf¬<lb/>
fende, und Er&#x017F;chaffene einigt.</p><lb/>
        <p>Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t nur ein Genießbraucher<lb/>
der Natur, ihr Handlanger, und wenn er mehr<lb/>
oder gar Alles &#x017F;ein will &#x2014; ihr Verpfu&#x017F;cher.<lb/>
Die Allmutter verwaltet mit zärtlicher Für&#x017F;orge<lb/>
&#x017F;eine wichtig&#x017F;ten Lebensverrichtungen, den Blut¬<lb/>
umlauf, das Dauungsge&#x017F;chäft, und &#x017F;o viele an¬<lb/>
dere. Wo i&#x017F;t der Machtmen&#x017F;ch, der die&#x017F;e Ord¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#right">nung</hi><lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0046] 16 Nicht der äußere umgelegte Staatsband macht das Volk; Menſchen laſſen ſich nicht wie Heringe in Tonnen pökeln, nicht in Völker¬ zwinger einheerden, wie Xerxes Krieger in die Maaßhorde der Zehntauſende. Zuſammenſein¬ müſſen giebt keinen wahren Verein. Das Jn¬ einanderhineinleben, das ſtille vertrauliche Sich¬ aneinandergewöhnen, das mit Wechſelliebe Sich¬ lebendeinverleiben bildet das Volk, und bewahrt und erhält es durch Volksthum. So paart ſich der Jugend Feuer mit gereifter Mannskraft, und des Alters reicher Erfahrung. So iſt ein echtes Volk, durchdrungen vom Machtgefühl ſeines eigenen Volksthums, eine menſchliche Mei¬ ſterſchöpfung, die ſelbſt wieder Schöpfungskraft äußert; und ſo im ewigen Kreistanz das Schaf¬ fende, und Erſchaffene einigt. Der Menſch iſt nur ein Genießbraucher der Natur, ihr Handlanger, und wenn er mehr oder gar Alles ſein will — ihr Verpfuſcher. Die Allmutter verwaltet mit zärtlicher Fürſorge ſeine wichtigſten Lebensverrichtungen, den Blut¬ umlauf, das Dauungsgeſchäft, und ſo viele an¬ dere. Wo iſt der Machtmenſch, der dieſe Ord¬ nung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/46
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/46>, abgerufen am 21.11.2024.