Lykurgus, Solon, und Numa überlieferten ihren Geist eigends dazu gestalteten Volksthümern.
9) Muhammed, der auch ein Alleinreich wollte, mußte trotz seiner, vom Himmel hergelo¬ genen Beglaubigungen, der Macht des Arabi¬ schen Volksthums huldigen; was er zwar für seine Zwecke benutzte, die er aber ohne dasselbe nie würde erreicht haben, wenn er etwa unter den Feuerländern und Kamtschadalen seine Ge¬ sichte offenbart hätte.
10) Der Stifter des Christenthums, dessen Reich nicht von dieser Welt war; sondern im Geist und in der Wahrheit sittliche Besitzun¬ gen haben sollte, mußte sich dennoch einem Volks¬ thum anschließen. Und nie hat das Urchristen¬ thum, sich reinbestehend für sich, erhalten kön¬ nen; immer nur hat es sich, bald entstellter, bald unverfälschter, in Volksthümern ausgesprochen.
11) Warum verging mit KarlM. die Herrlichkeit seiner Macht? Sismondi beantwor¬ tet es sehr schön in seiner Geschichte der Jtali¬ schen Staaten des Mittelalters. Warum lebt noch unser große Heinrich? Weil er nicht den Staat über das Volk, sondern das Volk
Lykurgus, Solon, und Numa überlieferten ihren Geiſt eigends dazu geſtalteten Volksthümern.
9) Muhammed, der auch ein Alleinreich wollte, mußte trotz ſeiner, vom Himmel hergelo¬ genen Beglaubigungen, der Macht des Arabi¬ ſchen Volksthums huldigen; was er zwar für ſeine Zwecke benutzte, die er aber ohne daſſelbe nie würde erreicht haben, wenn er etwa unter den Feuerländern und Kamtſchadalen ſeine Ge¬ ſichte offenbart hätte.
10) Der Stifter des Chriſtenthums, deſſen Reich nicht von dieſer Welt war; ſondern im Geiſt und in der Wahrheit ſittliche Beſitzun¬ gen haben ſollte, mußte ſich dennoch einem Volks¬ thum anſchließen. Und nie hat das Urchriſten¬ thum, ſich reinbeſtehend für ſich, erhalten kön¬ nen; immer nur hat es ſich, bald entſtellter, bald unverfälſchter, in Volksthümern ausgeſprochen.
11) Warum verging mit KarlM. die Herrlichkeit ſeiner Macht? Siſmondi beantwor¬ tet es ſehr ſchön in ſeiner Geſchichte der Jtali¬ ſchen Staaten des Mittelalters. Warum lebt noch unſer große Heinrich? Weil er nicht den Staat über das Volk, ſondern das Volk
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Lykurgus, Solon, und Numa überlieferten
ihren Geiſt eigends dazu geſtalteten Volksthümern.
9) Muhammed, der auch ein Alleinreich
wollte, mußte trotz ſeiner, vom Himmel hergelo¬
genen Beglaubigungen, der Macht des Arabi¬
ſchen Volksthums huldigen; was er zwar für
ſeine Zwecke benutzte, die er aber ohne daſſelbe
nie würde erreicht haben, wenn er etwa unter
den Feuerländern und Kamtſchadalen ſeine Ge¬
ſichte offenbart hätte.
10) Der Stifter des Chriſtenthums, deſſen
Reich nicht von dieſer Welt war; ſondern im
Geiſt und in der Wahrheit ſittliche Beſitzun¬
gen haben ſollte, mußte ſich dennoch einem Volks¬
thum anſchließen. Und nie hat das Urchriſten¬
thum, ſich reinbeſtehend für ſich, erhalten kön¬
nen; immer nur hat es ſich, bald entſtellter, bald
unverfälſchter, in Volksthümern ausgeſprochen.
11) Warum verging mit Karl M. die
Herrlichkeit ſeiner Macht? Siſmondi beantwor¬
tet es ſehr ſchön in ſeiner Geſchichte der Jtali¬
ſchen Staaten des Mittelalters. Warum lebt
noch unſer große Heinrich? Weil er nicht
den Staat über das Volk, ſondern das Volk
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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