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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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Zwischen Kopf, Hand und Fuß liegt das
Herz, das muß nicht bloß maschinenmäßig schla¬
gen; es muß von Ehre gehoben werden. Dies
wohlthuende Gefühl wird durch eine Bürgerehre
am Besten eingeflößt, wo die Regierung die Re¬
gierten für rathsfähig in eigenen Sachen aner¬
kennt, sie nicht als ewige Unmündige in ewige
Vormundschaft nimmt. So wie man zu viel
erziehen kann, und durch ewiges Hofmeistern
die Kinder um alle Selbständigkeit bringt; so
kann man auch zu viel regieren, und dadurch
Völker verblüffen. Das wird man in Umwäl¬
zungsnöthen gewahr, und wenn das Vaterland
auf dem Spiel steht. Bei allgemeiner Landes¬
noth, wie bei Feuersbrünsten, Wasserfluthen
und Lebensgefahren hat jeder zum Retten Be¬
ruf, und doch wie Wenige fühlen diese Pflicht,
und ahnen solch Recht. Jn Zeiten wo alle alte
Formen brechen, das Neue furchtbar herrscht,
in jedem Augenblick ein Anderes droht, muß
der Mensch der innern Stimme folgen, und
der gerechten Sache vertrauen. Auch die Ver¬
nunft ist eine Offenbarung des Höchsten, und
in jedem Gewissen spricht Gott! Es ist nicht

Zwiſchen Kopf, Hand und Fuß liegt das
Herz, das muß nicht bloß maſchinenmäßig ſchla¬
gen; es muß von Ehre gehoben werden. Dies
wohlthuende Gefühl wird durch eine Bürgerehre
am Beſten eingeflößt, wo die Regierung die Re¬
gierten für rathsfähig in eigenen Sachen aner¬
kennt, ſie nicht als ewige Unmündige in ewige
Vormundſchaft nimmt. So wie man zu viel
erziehen kann, und durch ewiges Hofmeiſtern
die Kinder um alle Selbſtändigkeit bringt; ſo
kann man auch zu viel regieren, und dadurch
Völker verblüffen. Das wird man in Umwäl¬
zungsnöthen gewahr, und wenn das Vaterland
auf dem Spiel ſteht. Bei allgemeiner Landes¬
noth, wie bei Feuersbrünſten, Waſſerfluthen
und Lebensgefahren hat jeder zum Retten Be¬
ruf, und doch wie Wenige fühlen dieſe Pflicht,
und ahnen ſolch Recht. Jn Zeiten wo alle alte
Formen brechen, das Neue furchtbar herrſcht,
in jedem Augenblick ein Anderes droht, muß
der Menſch der innern Stimme folgen, und
der gerechten Sache vertrauen. Auch die Ver¬
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[55/0085] 55 Zwiſchen Kopf, Hand und Fuß liegt das Herz, das muß nicht bloß maſchinenmäßig ſchla¬ gen; es muß von Ehre gehoben werden. Dies wohlthuende Gefühl wird durch eine Bürgerehre am Beſten eingeflößt, wo die Regierung die Re¬ gierten für rathsfähig in eigenen Sachen aner¬ kennt, ſie nicht als ewige Unmündige in ewige Vormundſchaft nimmt. So wie man zu viel erziehen kann, und durch ewiges Hofmeiſtern die Kinder um alle Selbſtändigkeit bringt; ſo kann man auch zu viel regieren, und dadurch Völker verblüffen. Das wird man in Umwäl¬ zungsnöthen gewahr, und wenn das Vaterland auf dem Spiel ſteht. Bei allgemeiner Landes¬ noth, wie bei Feuersbrünſten, Waſſerfluthen und Lebensgefahren hat jeder zum Retten Be¬ ruf, und doch wie Wenige fühlen dieſe Pflicht, und ahnen ſolch Recht. Jn Zeiten wo alle alte Formen brechen, das Neue furchtbar herrſcht, in jedem Augenblick ein Anderes droht, muß der Menſch der innern Stimme folgen, und der gerechten Sache vertrauen. Auch die Ver¬ nunft iſt eine Offenbarung des Höchſten, und in jedem Gewiſſen ſpricht Gott! Es iſt nicht

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/85>, abgerufen am 23.11.2024.