Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

"den Staat ist, und daß es nicht an Mitteln
"fehlen kann, mit weniger Gehässigkeit mehr
"reinen Gewinn für die Staatsbedürfnisse zu
"schaffen. Die Einrichtung ist wirklich eine
"Schule des Betrugs und der Sittenverderbniß
"für viele: Denn Zahlende sowohl, als Einneh¬
"mende begehen fast nothwendig täglich Sün¬
"den gegen die Verordnungen. Die Zahlenden
"suchen sich dem furchtbaren Druck zu entziehn,
"die Einnehmenden sich für ihre kärgliche Be¬
"soldung durch Nachsicht und daraus entsprin¬
"genden Vortheil schadlos zu halten. Daraus
"entsteht ein Commercium improbitatis, das
"dem Charakter des Volks durchaus nachtheilig
"werden muß. Daß die Esculenta und Potu¬
"lenta des gemeinen Mannes ohne alle Rück¬
"sicht so sehr beschwert werden, ist doch wahr¬
"lich wider alle Humanität und Popularität.
"Ein armer Bürger kauft sich einen Scheffel
"Korn auf dem Markte, den der einbringende
"Landmann schon veracciset hat; nunmehr muß
"der Käufer noch etwas Ansehnliches bezahlen,
"ehe er ihn in die Mühle fahren darf. So ist
"es mit allen Artikeln; und ein Neugieriger hat

„den Staat iſt, und daß es nicht an Mitteln
„fehlen kann, mit weniger Gehäſſigkeit mehr
„reinen Gewinn für die Staatsbedürfniſſe zu
„ſchaffen. Die Einrichtung iſt wirklich eine
„Schule des Betrugs und der Sittenverderbniß
„für viele: Denn Zahlende ſowohl, als Einneh¬
„mende begehen faſt nothwendig täglich Sün¬
„den gegen die Verordnungen. Die Zahlenden
„ſuchen ſich dem furchtbaren Druck zu entziehn,
„die Einnehmenden ſich für ihre kärgliche Be¬
„ſoldung durch Nachſicht und daraus entſprin¬
„genden Vortheil ſchadlos zu halten. Daraus
„entſteht ein Commercium improbitatis, das
„dem Charakter des Volks durchaus nachtheilig
„werden muß. Daß die Esculenta und Potu¬
„lenta des gemeinen Mannes ohne alle Rück¬
„ſicht ſo ſehr beſchwert werden, iſt doch wahr¬
„lich wider alle Humanität und Popularität.
„Ein armer Bürger kauft ſich einen Scheffel
„Korn auf dem Markte, den der einbringende
„Landmann ſchon veracciſet hat; nunmehr muß
„der Käufer noch etwas Anſehnliches bezahlen,
„ehe er ihn in die Mühle fahren darf. So iſt
„es mit allen Artikeln; und ein Neugieriger hat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="61"/><fw type="pageNum" place="top">61<lb/></fw>&#x201E;den Staat i&#x017F;t, und daß es nicht an Mitteln<lb/>
&#x201E;fehlen kann, mit weniger Gehä&#x017F;&#x017F;igkeit mehr<lb/>
&#x201E;reinen Gewinn für die Staatsbedürfni&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
&#x201E;&#x017F;chaffen. Die Einrichtung i&#x017F;t wirklich eine<lb/>
&#x201E;Schule des Betrugs und der Sittenverderbniß<lb/>
&#x201E;für viele: Denn Zahlende &#x017F;owohl, als Einneh¬<lb/>
&#x201E;mende begehen fa&#x017F;t nothwendig täglich Sün¬<lb/>
&#x201E;den gegen die Verordnungen. Die Zahlenden<lb/>
&#x201E;&#x017F;uchen &#x017F;ich dem furchtbaren Druck zu entziehn,<lb/>
&#x201E;die Einnehmenden &#x017F;ich für ihre kärgliche Be¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;oldung durch Nach&#x017F;icht und daraus ent&#x017F;prin¬<lb/>
&#x201E;genden Vortheil &#x017F;chadlos zu halten. Daraus<lb/>
&#x201E;ent&#x017F;teht ein <hi rendition="#aq">Commercium improbitatis</hi>, das<lb/>
&#x201E;dem Charakter des Volks durchaus nachtheilig<lb/>
&#x201E;werden muß. Daß die Esculenta und Potu¬<lb/>
&#x201E;lenta des gemeinen Mannes ohne alle Rück¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;icht &#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;chwert werden, i&#x017F;t doch wahr¬<lb/>
&#x201E;lich wider alle Humanität und Popularität.<lb/>
&#x201E;Ein armer Bürger kauft &#x017F;ich einen Scheffel<lb/>
&#x201E;Korn auf dem Markte, den der einbringende<lb/>
&#x201E;Landmann &#x017F;chon veracci&#x017F;et hat; nunmehr muß<lb/>
&#x201E;der Käufer noch etwas An&#x017F;ehnliches bezahlen,<lb/>
&#x201E;ehe er ihn in die Mühle fahren darf. So i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;es mit allen Artikeln; und ein Neugieriger hat<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0091] 61 „den Staat iſt, und daß es nicht an Mitteln „fehlen kann, mit weniger Gehäſſigkeit mehr „reinen Gewinn für die Staatsbedürfniſſe zu „ſchaffen. Die Einrichtung iſt wirklich eine „Schule des Betrugs und der Sittenverderbniß „für viele: Denn Zahlende ſowohl, als Einneh¬ „mende begehen faſt nothwendig täglich Sün¬ „den gegen die Verordnungen. Die Zahlenden „ſuchen ſich dem furchtbaren Druck zu entziehn, „die Einnehmenden ſich für ihre kärgliche Be¬ „ſoldung durch Nachſicht und daraus entſprin¬ „genden Vortheil ſchadlos zu halten. Daraus „entſteht ein Commercium improbitatis, das „dem Charakter des Volks durchaus nachtheilig „werden muß. Daß die Esculenta und Potu¬ „lenta des gemeinen Mannes ohne alle Rück¬ „ſicht ſo ſehr beſchwert werden, iſt doch wahr¬ „lich wider alle Humanität und Popularität. „Ein armer Bürger kauft ſich einen Scheffel „Korn auf dem Markte, den der einbringende „Landmann ſchon veracciſet hat; nunmehr muß „der Käufer noch etwas Anſehnliches bezahlen, „ehe er ihn in die Mühle fahren darf. So iſt „es mit allen Artikeln; und ein Neugieriger hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/91
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/91>, abgerufen am 13.05.2024.