von den Höhen der Berge, vom Soupiren und vorzüglich das vom Nach[t]wandler hat mir, der ich iezt wie der Dachs im Winter von keinem andern Fette als meinem eignen lebe, ausnemend gefallen; nur schade! daß sie schöner als war sind, diese Gleichnisse; daß die wol- riechenden Lorberblätter einen übelriechenden Kopf bekränzen. Aus5 deinem Fortschrit in einer Ban, wo du iezt nur spazieren gehst, schliess' ich auf den, welchen du in ihr machen würdest, wenn du darinnen als Wetläufer aufträtest. Lieber Got! wie unendlich klein wären meine Anlagen one die Verbesserung des Fleisses! Sobald du von der blinden Gerechtigkeit, den Kläger und den Beklagten auf ihrer10 Ratswage zu wägen gelernt und sobald die Fastenzeit deiner Sele (d. h. die Erlernung der Jurisprudenz) zu Ende gekommen, so feiere das Osterfest wie die ersten Christen, die an demselben allen Rechts- sachen den Abschied gaben, oder wie die griechischen Christen, die am Sonabend vorher in der Kirche alle alte Lichter auslöschen und eine neue15 Wachskerze, die cerea paschalis anzünden. Wenigstens wolt' ich, daß du dan den Statüen der thebanischen Richter änlich würdest, die one Hände waren; ich meine, daß deiner Jurisprudenz höchstens noch dein Kopf, aber nicht deine Hände dienten. Vielmer könte die Juris- prudenz deinem Wize dienen. Und warum dies alles? weil du zu Hause,20 sobald du in dem Besiz aller deiner Wünsche, deiner Güter und deiner notwendigsten Kentnisse bist, ein neues und schwerer zu erreichendes Ziel dir stekken must, um dem unerträglichen Zustande auszuweichen, in den uns die gänzliche Befriedigung aller Wünsche stürzt. Nicht das Ziel, sondern die Ban macht uns glüklich; auf dieser begleitet uns25 Hofnung, aber an ienem erwartet uns Müdigkeit und Ekel; daher prallen wir immer, gleich den Kugeln auf der Kegelban, vom er- reichten Ziele, zu einer neuen Laufban zurük und präumeriren auf [110]neues Glük durch Ekel am alten. Hierin bist du obendrein noch glük- licher wie ich; du kanst an einem einzigen Bändgen viele Jare lang30 arbeiten, iedem Feler Razenpulver streuen und die Schönheiten in allen Künsten, zu gefallen, unterrichten. Die Menschen, sagt Bako, leben am längsten, die am langsamsten gewachsen; der Aloe schiest nicht wie die Schwämme nach einem Regen auf, allein seine Blüte, die 40 Jare im Kloster (d. h. in der Knospe) lebt, bricht dan mit Regen-35 bogenpracht hervor. Wolte Got! ich dürfte nicht vom Leben meiner Kinder leben, und nicht das ihrige abkürzen, um meines zu verlängern.
von den Höhen der Berge, vom Soupiren und vorzüglich das vom Nach[t]wandler hat mir, der ich iezt wie der Dachs im Winter von keinem andern Fette als meinem eignen lebe, ausnemend gefallen; nur ſchade! daß ſie ſchöner als war ſind, dieſe Gleichniſſe; daß die wol- riechenden Lorberblätter einen übelriechenden Kopf bekränzen. Aus5 deinem Fortſchrit in einer Ban, wo du iezt nur ſpazieren gehſt, ſchlieſſ’ ich auf den, welchen du in ihr machen würdeſt, wenn du darinnen als Wetläufer aufträteſt. Lieber Got! wie unendlich klein wären meine Anlagen one die Verbeſſerung des Fleiſſes! Sobald du von der blinden Gerechtigkeit, den Kläger und den Beklagten auf ihrer10 Ratswage zu wägen gelernt und ſobald die Faſtenzeit deiner Sele (d. h. die Erlernung der Jurisprudenz) zu Ende gekommen, ſo feiere das Oſterfeſt wie die erſten Chriſten, die an demſelben allen Rechts- ſachen den Abſchied gaben, oder wie die griechiſchen Chriſten, die am Sonabend vorher in der Kirche alle alte Lichter auslöſchen und eine neue15 Wachskerze, die cerea paschalis anzünden. Wenigſtens wolt’ ich, daß du dan den Statüen der thebaniſchen Richter änlich würdeſt, die one Hände waren; ich meine, daß deiner Jurisprudenz höchſtens noch dein Kopf, aber nicht deine Hände dienten. Vielmer könte die Juris- prudenz deinem Wize dienen. Und warum dies alles? weil du zu Hauſe,20 ſobald du in dem Beſiz aller deiner Wünſche, deiner Güter und deiner notwendigſten Kentniſſe biſt, ein neues und ſchwerer zu erreichendes Ziel dir ſtekken muſt, um dem unerträglichen Zuſtande auszuweichen, in den uns die gänzliche Befriedigung aller Wünſche ſtürzt. Nicht das Ziel, ſondern die Ban macht uns glüklich; auf dieſer begleitet uns25 Hofnung, aber an ienem erwartet uns Müdigkeit und Ekel; daher prallen wir immer, gleich den Kugeln auf der Kegelban, vom er- reichten Ziele, zu einer neuen Laufban zurük und präumeriren auf [110]neues Glük durch Ekel am alten. Hierin biſt du obendrein noch glük- licher wie ich; du kanſt an einem einzigen Bändgen viele Jare lang30 arbeiten, iedem Feler Razenpulver ſtreuen und die Schönheiten in allen Künſten, zu gefallen, unterrichten. Die Menſchen, ſagt Bako, leben am längſten, die am langſamſten gewachſen; der Aloe ſchieſt nicht wie die Schwämme nach einem Regen auf, allein ſeine Blüte, die 40 Jare im Kloſter (d. h. in der Knoſpe) lebt, bricht dan mit Regen-35 bogenpracht hervor. Wolte Got! ich dürfte nicht vom Leben meiner Kinder leben, und nicht das ihrige abkürzen, um meines zu verlängern.
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von den Höhen der Berge, vom Soupiren und vorzüglich das vom
Nach[t]wandler hat mir, der ich iezt wie der Dachs im Winter von
keinem andern Fette als meinem eignen lebe, ausnemend gefallen; nur
ſchade! daß ſie ſchöner als war ſind, dieſe Gleichniſſe; daß die wol-
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deinem Fortſchrit in einer Ban, wo du iezt nur ſpazieren gehſt,
ſchlieſſ’ ich auf den, welchen du in ihr machen würdeſt, wenn du
darinnen als Wetläufer aufträteſt. Lieber Got! wie unendlich klein
wären meine Anlagen one die Verbeſſerung des Fleiſſes! Sobald du
von der blinden Gerechtigkeit, den Kläger und den Beklagten auf ihrer 10
Ratswage zu wägen gelernt und ſobald die Faſtenzeit deiner Sele (d. h.
die Erlernung der Jurisprudenz) zu Ende gekommen, ſo feiere das
Oſterfeſt wie die erſten Chriſten, die an demſelben allen Rechts-
ſachen den Abſchied gaben, oder wie die griechiſchen Chriſten, die am
Sonabend vorher in der Kirche alle alte Lichter auslöſchen und eine neue 15
Wachskerze, die cerea paschalis anzünden. Wenigſtens wolt’ ich,
daß du dan den Statüen der thebaniſchen Richter änlich würdeſt, die
one Hände waren; ich meine, daß deiner Jurisprudenz höchſtens noch
dein Kopf, aber nicht deine Hände dienten. Vielmer könte die Juris-
prudenz deinem Wize dienen. Und warum dies alles? weil du zu Hauſe, 20
ſobald du in dem Beſiz aller deiner Wünſche, deiner Güter und deiner
notwendigſten Kentniſſe biſt, ein neues und ſchwerer zu erreichendes
Ziel dir ſtekken muſt, um dem unerträglichen Zuſtande auszuweichen,
in den uns die gänzliche Befriedigung aller Wünſche ſtürzt. Nicht das
Ziel, ſondern die Ban macht uns glüklich; auf dieſer begleitet uns 25
Hofnung, aber an ienem erwartet uns Müdigkeit und Ekel; daher
prallen wir immer, gleich den Kugeln auf der Kegelban, vom er-
reichten Ziele, zu einer neuen Laufban zurük und präumeriren auf
neues Glük durch Ekel am alten. Hierin biſt du obendrein noch glük-
licher wie ich; du kanſt an einem einzigen Bändgen viele Jare lang 30
arbeiten, iedem Feler Razenpulver ſtreuen und die Schönheiten in
allen Künſten, zu gefallen, unterrichten. Die Menſchen, ſagt Bako,
leben am längſten, die am langſamſten gewachſen; der Aloe ſchieſt
nicht wie die Schwämme nach einem Regen auf, allein ſeine Blüte, die
40 Jare im Kloſter (d. h. in der Knoſpe) lebt, bricht dan mit Regen- 35
bogenpracht hervor. Wolte Got! ich dürfte nicht vom Leben meiner
Kinder leben, und nicht das ihrige abkürzen, um meines zu verlängern.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/125>, abgerufen am 21.11.2024.
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