herannahende Messe und der Verleger mich ermante, war ein Anlas zu meinem langen Stilschweigen und ob mich gleich nichts hindern kan, an Sie zu denken, so kan manches mich doch hindern, an Sie zu schreiben. Allein nichts kan mich hindern, für Sie zu arbeiten; nur gleicht der Erfolg meiner Mühe noch nicht. Zu dem Glük, Sie zu sehen,5 hab' ich zwar Hofnung, aber noch nicht Gewisheit. Hier ist es weniger gewönlich, als an andern Orten, Personen, deren Namen Sie kennen, zu halten; und meistens halten nur die sich sogenante Aus- geberinnen, die ihre Weiber verloren haben. Doch lassen Sie sich dadurch nicht mutlos machen; dies alles beweist nur die Schwierigkeit,10 aber nicht die Unmöglichkeit der Sache. Was kan nicht das Ungefär tun? das Ungefär, das schon so viel tat, wird die Liebe, die es veranstaltet hat,[117] gewis auch beglükken. Schreiben Sie mir bald, viel und mer als ich iezt schreiben kan; schreiben Sie mir iede Kleinigkeit, die Sie betrift: denn für mich ist das, was Sie betrift, keine Kleinigkeit; wenden Sie die15 Stärke Ihres Geistes, die Sie vor andern Frauen so sichtbar aus- zeichnet, zur Bekämpfung einer Sensucht an, in die sich bei Ihnen nicht wie bei mir Süssigkeiten mischen, und lieben Sie den, den Sie so beglükten, der Sie so liebt und der immer sein [wird] etc.
61. An Sophie Ellrodt in Helmbrechts.20
[Kopie][Leipzig, 20. Oktober 1783]
Ich eile Ihren Brief zu beantworten, eh' die Post abgeht; ich werd' ihn darum aber freilich kurz beantworten müssen. Jede Verstellung ist mir verhast; daher sei sie auch von dieser Antwort entfernt. -- Ihr neulicher Brief, der meine Nachlässigkeit bestrafte, gefiel mir besser als25 Ihr ieziger, der sie verzeiht und Sie schienen mir, erzürnt mich wärmer zu lieben als ausgesönet. Ihr Brief enthält die Silhouette Ihres Kopfs, aber nicht J[h]res Herzens; das Licht des einen ersezt die Wärme des andern und Ihre Vernunft, aber nicht Ihre Liebe hör' ich darin sprechen. Solte diese Liebe auch nicht mer in Ihrem Herzen30 für mich sprechen? Solte Ihre Wärme für mich mit der Wärme des Sommers entflohen sein? Diesen Argwon wird Ihr nächster Brief ent- weder heben oder nären. Schreiben Sie daher bald: denn ist meine Furcht gegründet, so sei sie bald erfült, da man ein Übel leichter erträgt als voraussieht: ist sie ungegründet, so daure sie auch dan nicht lange,35
herannahende Meſſe und der Verleger mich ermante, war ein Anlas zu meinem langen Stilſchweigen und ob mich gleich nichts hindern kan, an Sie zu denken, ſo kan manches mich doch hindern, an Sie zu ſchreiben. Allein nichts kan mich hindern, für Sie zu arbeiten; nur gleicht der Erfolg meiner Mühe noch nicht. Zu dem Glük, Sie zu ſehen,5 hab’ ich zwar Hofnung, aber noch nicht Gewisheit. Hier iſt es weniger gewönlich, als an andern Orten, Perſonen, deren Namen Sie kennen, zu halten; und meiſtens halten nur die ſich ſogenante Aus- geberinnen, die ihre Weiber verloren haben. Doch laſſen Sie ſich dadurch nicht mutlos machen; dies alles beweiſt nur die Schwierigkeit,10 aber nicht die Unmöglichkeit der Sache. Was kan nicht das Ungefär tun? das Ungefär, das ſchon ſo viel tat, wird die Liebe, die es veranſtaltet hat,[117] gewis auch beglükken. Schreiben Sie mir bald, viel und mer als ich iezt ſchreiben kan; ſchreiben Sie mir iede Kleinigkeit, die Sie betrift: denn für mich iſt das, was Sie betrift, keine Kleinigkeit; wenden Sie die15 Stärke Ihres Geiſtes, die Sie vor andern Frauen ſo ſichtbar aus- zeichnet, zur Bekämpfung einer Senſucht an, in die ſich bei Ihnen nicht wie bei mir Süſſigkeiten miſchen, und lieben Sie den, den Sie ſo beglükten, der Sie ſo liebt und der immer ſein [wird] ꝛc.
61. An Sophie Ellrodt in Helmbrechts.20
[Kopie][Leipzig, 20. Oktober 1783]
Ich eile Ihren Brief zu beantworten, eh’ die Poſt abgeht; ich werd’ ihn darum aber freilich kurz beantworten müſſen. Jede Verſtellung iſt mir verhaſt; daher ſei ſie auch von dieſer Antwort entfernt. — Ihr neulicher Brief, der meine Nachläſſigkeit beſtrafte, gefiel mir beſſer als25 Ihr ieziger, der ſie verzeiht und Sie ſchienen mir, erzürnt mich wärmer zu lieben als ausgeſönet. Ihr Brief enthält die Silhouette Ihres Kopfs, aber nicht J[h]res Herzens; das Licht des einen erſezt die Wärme des andern und Ihre Vernunft, aber nicht Ihre Liebe hör’ ich darin ſprechen. Solte dieſe Liebe auch nicht mer in Ihrem Herzen30 für mich ſprechen? Solte Ihre Wärme für mich mit der Wärme des Sommers entflohen ſein? Dieſen Argwon wird Ihr nächſter Brief ent- weder heben oder nären. Schreiben Sie daher bald: denn iſt meine Furcht gegründet, ſo ſei ſie bald erfült, da man ein Übel leichter erträgt als vorausſieht: iſt ſie ungegründet, ſo daure ſie auch dan nicht lange,35
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[109/0132]
herannahende Meſſe und der Verleger mich ermante, war ein Anlas
zu meinem langen Stilſchweigen und ob mich gleich nichts hindern kan,
an Sie zu denken, ſo kan manches mich doch hindern, an Sie zu
ſchreiben. Allein nichts kan mich hindern, für Sie zu arbeiten; nur
gleicht der Erfolg meiner Mühe noch nicht. Zu dem Glük, Sie zu ſehen, 5
hab’ ich zwar Hofnung, aber noch nicht Gewisheit. Hier iſt es
weniger gewönlich, als an andern Orten, Perſonen, deren Namen Sie
kennen, zu halten; und meiſtens halten nur die ſich ſogenante Aus-
geberinnen, die ihre Weiber verloren haben. Doch laſſen Sie ſich
dadurch nicht mutlos machen; dies alles beweiſt nur die Schwierigkeit, 10
aber nicht die Unmöglichkeit der Sache. Was kan nicht das Ungefär tun?
das Ungefär, das ſchon ſo viel tat, wird die Liebe, die es veranſtaltet hat,
gewis auch beglükken. Schreiben Sie mir bald, viel und mer als ich iezt
ſchreiben kan; ſchreiben Sie mir iede Kleinigkeit, die Sie betrift: denn
für mich iſt das, was Sie betrift, keine Kleinigkeit; wenden Sie die 15
Stärke Ihres Geiſtes, die Sie vor andern Frauen ſo ſichtbar aus-
zeichnet, zur Bekämpfung einer Senſucht an, in die ſich bei Ihnen nicht
wie bei mir Süſſigkeiten miſchen, und lieben Sie den, den Sie ſo
beglükten, der Sie ſo liebt und der immer ſein [wird] ꝛc.
[117]
61. An Sophie Ellrodt in Helmbrechts. 20
[Leipzig, 20. Oktober 1783]
Ich eile Ihren Brief zu beantworten, eh’ die Poſt abgeht; ich werd’
ihn darum aber freilich kurz beantworten müſſen. Jede Verſtellung
iſt mir verhaſt; daher ſei ſie auch von dieſer Antwort entfernt. — Ihr
neulicher Brief, der meine Nachläſſigkeit beſtrafte, gefiel mir beſſer als 25
Ihr ieziger, der ſie verzeiht und Sie ſchienen mir, erzürnt mich wärmer
zu lieben als ausgeſönet. Ihr Brief enthält die Silhouette Ihres
Kopfs, aber nicht J[h]res Herzens; das Licht des einen erſezt die
Wärme des andern und Ihre Vernunft, aber nicht Ihre Liebe hör’
ich darin ſprechen. Solte dieſe Liebe auch nicht mer in Ihrem Herzen 30
für mich ſprechen? Solte Ihre Wärme für mich mit der Wärme des
Sommers entflohen ſein? Dieſen Argwon wird Ihr nächſter Brief ent-
weder heben oder nären. Schreiben Sie daher bald: denn iſt meine
Furcht gegründet, ſo ſei ſie bald erfült, da man ein Übel leichter erträgt
als vorausſieht: iſt ſie ungegründet, ſo daure ſie auch dan nicht lange, 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/132>, abgerufen am 21.11.2024.
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