blossen Frachtzettel in einen Brief zu verwandeln; du hast also noch nichts zu beantworten, bis ich dir wieder geschrieben habe. Ich bin
[Spaltenumbruch]Hof den 16 Nov. 1784.5 [Spaltenumbruch]Dein Freund J. P. F. Richter
N. S. Ich habe meinen Brief nach der Regel Swifts geschrieben: wenn man an einen Freund schreibet, so mus man sich nie auf den Arm stüzen als höchstens bis der Brief fertig ist.
Den 18 Nov.
Ich wolte nur ienes Blat dir vol, und dieses leer schikken; aber durch10 eine Saumseligkeit, die nicht die meinige ist, komt er[!] und der Mantel um einen Posttag später. Unter der Zeit war ich bei deinen lieben Eltern, die ich nicht gelegner hätte besuchen können als iezt: denn ich konte ihnen die Sorgen um dich benehmen, in die dein lezter Brief sie gesezet hatte und welche noch überdies durch verschiedne Fälle und15 Schläge, die seit einiger Zeit in deiner Kammer geschehen, sehr ver- mehret wurden. Möchte ich mit dieser Gespensterzeitung deinem in der That schreklichen Unglauben einigen Abbruch thun! Denn ich bin fest überzeugt, wenn man einmal so weit wäre, daß du mit inniger Über- zeugung das Dasein der Gespenster und Teufel annähmst, so würde20 man nur noch einen Schrit zu thun haben, dich zum Glauben an die Existenz Gottes zu bringen. -- Bei dieser Sache fiel mir noch die Vermuthung ein: ob nicht gewisse Geister uns auch andere Dinge als körperliches Ungemach durch Zeichen weissagten? Denn warum solten sie nicht vielmehr eher die Unpäslichkeit der Sele anmelden, welche sie25 sicher noch besser kennen? Ich habe diese 2 Fragen vorausgeschikt, weil ich in der That der Meinung bin, daß die Schläge und Fälle, die es in deinem Zimmer gethan, nicht die Krankheit deines Körpers, wol aber den schlechten Zustand deiner Sele andeuten; und sie mögen nun be- deuten, daß ihr das kalte Fieber, oder der Beinfras oder auch der30 Unglaube an Vorbedeutungen zugestossen ist und zustossen wird, so ist doch soviel gewis, daß sie etwas bedeuten. -- Dein H. Vater hat[140] mir 3. Frauenzimmer genant, die nichts mehr als deine Rükkunft wünschen: denn sie sind alle 3. gesonnen, dich zu ehlichen: 1) eine gewisse Frankin in Hof 2) die Schwester der Beata (-- ihre vortref-35
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bloſſen Frachtzettel in einen Brief zu verwandeln; du haſt alſo noch nichts zu beantworten, bis ich dir wieder geſchrieben habe. Ich bin
[Spaltenumbruch]Hof den 16 Nov. 1784.5 [Spaltenumbruch]Dein Freund J. P. F. Richter
N. S. Ich habe meinen Brief nach der Regel Swifts geſchrieben: wenn man an einen Freund ſchreibet, ſo mus man ſich nie auf den Arm ſtüzen als höchſtens bis der Brief fertig iſt.
Den 18 Nov.
Ich wolte nur ienes Blat dir vol, und dieſes leer ſchikken; aber durch10 eine Saumſeligkeit, die nicht die meinige iſt, komt er[!] und der Mantel um einen Poſttag ſpäter. Unter der Zeit war ich bei deinen lieben Eltern, die ich nicht gelegner hätte beſuchen können als iezt: denn ich konte ihnen die Sorgen um dich benehmen, in die dein lezter Brief ſie geſezet hatte und welche noch überdies durch verſchiedne Fälle und15 Schläge, die ſeit einiger Zeit in deiner Kammer geſchehen, ſehr ver- mehret wurden. Möchte ich mit dieſer Geſpenſterzeitung deinem in der That ſchreklichen Unglauben einigen Abbruch thun! Denn ich bin feſt überzeugt, wenn man einmal ſo weit wäre, daß du mit inniger Über- zeugung das Daſein der Geſpenſter und Teufel annähmſt, ſo würde20 man nur noch einen Schrit zu thun haben, dich zum Glauben an die Exiſtenz Gottes zu bringen. — Bei dieſer Sache fiel mir noch die Vermuthung ein: ob nicht gewiſſe Geiſter uns auch andere Dinge als körperliches Ungemach durch Zeichen weiſſagten? Denn warum ſolten ſie nicht vielmehr eher die Unpäslichkeit der Sele anmelden, welche ſie25 ſicher noch beſſer kennen? Ich habe dieſe 2 Fragen vorausgeſchikt, weil ich in der That der Meinung bin, daß die Schläge und Fälle, die es in deinem Zimmer gethan, nicht die Krankheit deines Körpers, wol aber den ſchlechten Zuſtand deiner Sele andeuten; und ſie mögen nun be- deuten, daß ihr das kalte Fieber, oder der Beinfras oder auch der30 Unglaube an Vorbedeutungen zugeſtoſſen iſt und zuſtoſſen wird, ſo iſt doch ſoviel gewis, daß ſie etwas bedeuten. — Dein H. Vater hat[140] mir 3. Frauenzimmer genant, die nichts mehr als deine Rükkunft wünſchen: denn ſie ſind alle 3. geſonnen, dich zu ehlichen: 1) eine gewiſſe Frankin in Hof 2) die Schweſter der Beata (— ihre vortref-35
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bloſſen Frachtzettel in einen Brief zu verwandeln; du haſt alſo noch
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Hof den 16 Nov.
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Dein
Freund
J. P. F. Richter
N. S. Ich habe meinen Brief nach der Regel Swifts geſchrieben:
wenn man an einen Freund ſchreibet, ſo mus man ſich nie auf den Arm
ſtüzen als höchſtens bis der Brief fertig iſt.
Den 18 Nov.
Ich wolte nur ienes Blat dir vol, und dieſes leer ſchikken; aber durch 10
eine Saumſeligkeit, die nicht die meinige iſt, komt er[!] und der Mantel
um einen Poſttag ſpäter. Unter der Zeit war ich bei deinen lieben
Eltern, die ich nicht gelegner hätte beſuchen können als iezt: denn ich
konte ihnen die Sorgen um dich benehmen, in die dein lezter Brief ſie
geſezet hatte und welche noch überdies durch verſchiedne Fälle und 15
Schläge, die ſeit einiger Zeit in deiner Kammer geſchehen, ſehr ver-
mehret wurden. Möchte ich mit dieſer Geſpenſterzeitung deinem in der
That ſchreklichen Unglauben einigen Abbruch thun! Denn ich bin feſt
überzeugt, wenn man einmal ſo weit wäre, daß du mit inniger Über-
zeugung das Daſein der Geſpenſter und Teufel annähmſt, ſo würde 20
man nur noch einen Schrit zu thun haben, dich zum Glauben an die
Exiſtenz Gottes zu bringen. — Bei dieſer Sache fiel mir noch die
Vermuthung ein: ob nicht gewiſſe Geiſter uns auch andere Dinge als
körperliches Ungemach durch Zeichen weiſſagten? Denn warum ſolten
ſie nicht vielmehr eher die Unpäslichkeit der Sele anmelden, welche ſie 25
ſicher noch beſſer kennen? Ich habe dieſe 2 Fragen vorausgeſchikt, weil
ich in der That der Meinung bin, daß die Schläge und Fälle, die es in
deinem Zimmer gethan, nicht die Krankheit deines Körpers, wol aber
den ſchlechten Zuſtand deiner Sele andeuten; und ſie mögen nun be-
deuten, daß ihr das kalte Fieber, oder der Beinfras oder auch der 30
Unglaube an Vorbedeutungen zugeſtoſſen iſt und zuſtoſſen wird, ſo
iſt doch ſoviel gewis, daß ſie etwas bedeuten. — Dein H. Vater hat
mir 3. Frauenzimmer genant, die nichts mehr als deine Rükkunft
wünſchen: denn ſie ſind alle 3. geſonnen, dich zu ehlichen: 1) eine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/155>, abgerufen am 21.11.2024.
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