Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956."lassen Sie es geschehen, wir (beide) haben diesmal nicht mehr mit" Dem Herman sage, daß er seine Furcht, hier in Hof sein Unglük zu[158] Ich wolte nicht viel schreiben; und siehe! schon 8 Seiten hab' ich An den Keyser in Erfurt schikke mein Manuskript etwan mit; er Um dich mit dem Landeshauptman auszusöhnen, meld' ich dir, daß Die Weinertin hat an meine Mutter geschrieben: sie wird ihr30 Lebe wol mein theu[er]er Freund. Richter Und grüsse mir den lieben Herman, der nichts von sich hören lässet. Noch einmal frankir' ich meinen Brief nicht, aber warlich ich --35 „laſſen Sie es geſchehen, wir (beide) haben diesmal nicht mehr mit“ Dem Herman ſage, daß er ſeine Furcht, hier in Hof ſein Unglük zu[158] Ich wolte nicht viel ſchreiben; und ſiehe! ſchon 8 Seiten hab’ ich An den Keyſer in Erfurt ſchikke mein Manuſkript etwan mit; er Um dich mit dem Landeshauptman auszuſöhnen, meld’ ich dir, daß Die Weinertin hat an meine Mutter geſchrieben: ſie wird ihr30 Lebe wol mein theu[er]er Freund. Richter Und grüſſe mir den lieben Herman, der nichts von ſich hören läſſet. Noch einmal frankir’ ich meinen Brief nicht, aber warlich ich —35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="149"/> „laſſen Sie es geſchehen, wir <hi rendition="#g">(beide)</hi> haben diesmal nicht mehr mit“<lb/> (als nämlich 6. <hi rendition="#g">Bazen</hi>) verſezte ſie ſcherzend und lächelnd. — Feine<lb/> Lebensart und Sitten der groſſen Welt ſind unter dem hieſigen Adel<lb/> etwas ſehr gemeines, wie denn der ganze weibliche Theil auf der neu-<lb/> lichen Retoude mit halb hervorſtehenden und unbedekten Brüſten<lb n="5"/> tanzte und weder das Geſicht noch den Buſen mit einer Larve be-<lb/> läſtigte.</p><lb/> <p>Dem Herman ſage, daß er ſeine Furcht, hier in Hof ſein Unglük zu<note place="right"><ref target="1922_Bd#_158">[158]</ref></note><lb/> machen, fahren laſſe: die hieſigen Doktoren werden das Opfer des<lb/> erſten beſten ſein, der ſie übertrift. Daß freilich Doppelmaier iezt in<lb n="10"/> Rusland ſchwizt, daran iſt er ſelber ſchuld: er hatte hier die ganze<lb/> Kundſchaft von Pazienten; allein er wolte den Arzt nicht ſpielen auſſer<lb/> etwan auf dem unfigürlichen Theater in Heiners Grün mit Kindern. —</p><lb/> <p>Ich wolte nicht viel ſchreiben; und ſiehe! ſchon 8 Seiten hab’ ich<lb/> angefüllet. Ich erwarte, daß du zwar karg biſt; allein nur 4 Seiten<lb n="15"/> auf 8. Seiten antworten, das kanſt du doch thun. Fals du den fehlenden<lb/> Brief von <hi rendition="#g">Haugs</hi> Witwe nicht herausbrächteſt: ſo ſchreib’ mir es ia<lb/> gleich.</p><lb/> <p>An den <hi rendition="#g">Keyſer</hi> in Erfurt ſchikke mein Manuſkript etwan mit; er<lb/> verlegt viele ſatiriſche Schriften.<lb n="20"/> </p> <p>Um dich mit dem Landeshauptman auszuſöhnen, meld’ ich dir, daß<lb/> er viel Gutes von dir ſpricht und auf deine Bekantſchaft begierig iſt.<lb/> Wie gut iſts, daß der Vorſchlag des Momus, an der Bruſt des<lb/> Menſchen Fenſter einzuſezen, nicht durchgieng! Könten die Leute hier<lb/> durch eine <hi rendition="#g">Glasthür</hi> in deine Bruſt hineinſehen: ſie würden alle<lb n="25"/> den Kopf ſchütteln und zu einander lächelnd ſagen: „dem Menſchen<lb/> „ſein Herz iſt doch ein wenig gar zu <hi rendition="#g">gros</hi>“. Auch dürfte dir, fals du<lb/> eine hieſige Geſelſchaft mit feinen Scherzen beluſtigen wolteſt, der<lb/> Kriegsrath <hi rendition="#g">Kranz</hi> die beſten Dienſte thun. —</p><lb/> <p>Die Weinertin hat an meine Mutter geſchrieben: ſie wird ihr<lb n="30"/> bald antworten.</p><lb/> <closer> <salute>Lebe wol mein theu<metamark>[</metamark>er<metamark>]</metamark>er Freund.<lb/><hi rendition="#right">Richter</hi></salute> </closer><lb/> <postscript> <p>Und grüſſe mir den lieben Herman, der nichts von ſich hören läſſet.</p><lb/> <p>Noch einmal frankir’ ich meinen Brief nicht, aber warlich ich —<lb n="35"/> <hi rendition="#g">kan</hi> nicht anders.</p> </postscript> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [149/0173]
„laſſen Sie es geſchehen, wir (beide) haben diesmal nicht mehr mit“
(als nämlich 6. Bazen) verſezte ſie ſcherzend und lächelnd. — Feine
Lebensart und Sitten der groſſen Welt ſind unter dem hieſigen Adel
etwas ſehr gemeines, wie denn der ganze weibliche Theil auf der neu-
lichen Retoude mit halb hervorſtehenden und unbedekten Brüſten 5
tanzte und weder das Geſicht noch den Buſen mit einer Larve be-
läſtigte.
Dem Herman ſage, daß er ſeine Furcht, hier in Hof ſein Unglük zu
machen, fahren laſſe: die hieſigen Doktoren werden das Opfer des
erſten beſten ſein, der ſie übertrift. Daß freilich Doppelmaier iezt in 10
Rusland ſchwizt, daran iſt er ſelber ſchuld: er hatte hier die ganze
Kundſchaft von Pazienten; allein er wolte den Arzt nicht ſpielen auſſer
etwan auf dem unfigürlichen Theater in Heiners Grün mit Kindern. —
[158]
Ich wolte nicht viel ſchreiben; und ſiehe! ſchon 8 Seiten hab’ ich
angefüllet. Ich erwarte, daß du zwar karg biſt; allein nur 4 Seiten 15
auf 8. Seiten antworten, das kanſt du doch thun. Fals du den fehlenden
Brief von Haugs Witwe nicht herausbrächteſt: ſo ſchreib’ mir es ia
gleich.
An den Keyſer in Erfurt ſchikke mein Manuſkript etwan mit; er
verlegt viele ſatiriſche Schriften. 20
Um dich mit dem Landeshauptman auszuſöhnen, meld’ ich dir, daß
er viel Gutes von dir ſpricht und auf deine Bekantſchaft begierig iſt.
Wie gut iſts, daß der Vorſchlag des Momus, an der Bruſt des
Menſchen Fenſter einzuſezen, nicht durchgieng! Könten die Leute hier
durch eine Glasthür in deine Bruſt hineinſehen: ſie würden alle 25
den Kopf ſchütteln und zu einander lächelnd ſagen: „dem Menſchen
„ſein Herz iſt doch ein wenig gar zu gros“. Auch dürfte dir, fals du
eine hieſige Geſelſchaft mit feinen Scherzen beluſtigen wolteſt, der
Kriegsrath Kranz die beſten Dienſte thun. —
Die Weinertin hat an meine Mutter geſchrieben: ſie wird ihr 30
bald antworten.
Lebe wol mein theu[er]er Freund.
Richter
Und grüſſe mir den lieben Herman, der nichts von ſich hören läſſet.
Noch einmal frankir’ ich meinen Brief nicht, aber warlich ich — 35
kan nicht anders.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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