Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

könte und wäre nicht so frey, ich bitte Ew. Gnaden nämlich unterthänig
nur auf ein Monath um 15 fl., aber ich hoffe, daß Dieselben einer
Wittwe diese Bitte nicht abschlagen werden, die in einer so grossen
Noth ist, besonders da mein Gnadengehalt von Bayreuth immer
länger ausbleibt und ich mich darauf verlassen, ich verharre stets5

147. An Oerthel in Töpen.

Lieber Oerthel!

Bist du es aber noch? Denn du schweigest einmal wieder und über-
lässest, in deine geistigen Wollüste vertieft, deinen Körper einer zögern-10
den Trägheit: daher lässet es sich gut erklären, warum du gar nicht im
Stande bist, deine Hände so lange in Bewegung zu erhalten, daß der
1. Theil der Skizen wirklich eingepakt und mir übersendet wird. Ich
brauchte ihn so nöthig für iemand, daß ich längst meine Bitte um ihn
wiederholet hätte, wenn ich nicht einige Tage verreiset gewesen wäre.15
Ich kritisire dich, damit du mich kriti[si]rest; und ich hoffe wenigstens
ein Stük deiner Arbeiten an meinen, bald zu erblikken. -- Wie viele
Gewalt erhält von Tag zu Tag der Geiz über den "Gegenstand des
[207]schwarzen Buches"! Sonst schlos er blos seine Schäze vor denen, die
sie begehrten, ein; iezt geht er noch weiter und wil sogar den besten20
Kopf, den er hat, der aber nicht von Gold ist wie die in seinen Kästen,
für sich allein behalten und veranstaltet es daher, daß du wirklich
20 Meilen von mir entfernet wohnest. Lebe wol.

Richter

Verte subito.25

[Rückseite:]

Um den St. Moses Mendelssohn möcht' ich dich bitten,
oder um Platner, wenn er gebunden ist. Du hast doch neulich deine
2 Bücher, den Feder und Kant, bekommen? Übrigens fürcht' ich, daß
wir in den Zufal, der bisher unsere Briefe ungeöfnet an uns beide
gelangen lassen, nicht mehr so viel Vertrauen sezen dürfen. Lebe noch30
einmal wol; das erstemal meint' ich die Seele und schreib mir einen
Brief, der offenbar zu lang ist.

Fürchte nicht daß mein Bruder den Brief gelesen; er denkt, er ist
griechisch; und er ist es auch.

könte und wäre nicht ſo frey, ich bitte Ew. Gnaden nämlich unterthänig
nur auf ein Monath um 15 fl., aber ich hoffe, daß Dieſelben einer
Wittwe dieſe Bitte nicht abſchlagen werden, die in einer ſo groſſen
Noth iſt, beſonders da mein Gnadengehalt von Bayreuth immer
länger ausbleibt und ich mich darauf verlaſſen, ich verharre ſtets5

147. An Oerthel in Töpen.

Lieber Oerthel!

Biſt du es aber noch? Denn du ſchweigeſt einmal wieder und über-
läſſeſt, in deine geiſtigen Wollüſte vertieft, deinen Körper einer zögern-10
den Trägheit: daher läſſet es ſich gut erklären, warum du gar nicht im
Stande biſt, deine Hände ſo lange in Bewegung zu erhalten, daß der
1. Theil der Skizen wirklich eingepakt und mir überſendet wird. Ich
brauchte ihn ſo nöthig für iemand, daß ich längſt meine Bitte um ihn
wiederholet hätte, wenn ich nicht einige Tage verreiſet geweſen wäre.15
Ich kritiſire dich, damit du mich kriti[ſi]reſt; und ich hoffe wenigſtens
ein Stük deiner Arbeiten an meinen, bald zu erblikken. — Wie viele
Gewalt erhält von Tag zu Tag der Geiz über den „Gegenſtand des
[207]ſchwarzen Buches“! Sonſt ſchlos er blos ſeine Schäze vor denen, die
ſie begehrten, ein; iezt geht er noch weiter und wil ſogar den beſten20
Kopf, den er hat, der aber nicht von Gold iſt wie die in ſeinen Käſten,
für ſich allein behalten und veranſtaltet es daher, daß du wirklich
20 Meilen von mir entfernet wohneſt. Lebe wol.

Richter

Verte subito.25

[Rückseite:]

Um den St. Moſes Mendelsſohn möcht’ ich dich bitten,
oder um Platner, wenn er gebunden iſt. Du haſt doch neulich deine
2 Bücher, den Feder und Kant, bekommen? Übrigens fürcht’ ich, daß
wir in den Zufal, der bisher unſere Briefe ungeöfnet an uns beide
gelangen laſſen, nicht mehr ſo viel Vertrauen ſezen dürfen. Lebe noch30
einmal wol; das erſtemal meint’ ich die Seele und ſchreib mir einen
Brief, der offenbar zu lang iſt.

Fürchte nicht daß mein Bruder den Brief geleſen; er denkt, er iſt
griechiſch; und er iſt es auch.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="196"/>
könte und wäre nicht &#x017F;o frey, ich bitte Ew. Gnaden nämlich unterthänig<lb/>
nur auf ein Monath um 15 fl., aber ich hoffe, daß Die&#x017F;elben einer<lb/>
Wittwe die&#x017F;e Bitte nicht ab&#x017F;chlagen werden, die in einer &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Noth i&#x017F;t, be&#x017F;onders da mein Gnadengehalt von Bayreuth immer<lb/>
länger ausbleibt und ich mich darauf verla&#x017F;&#x017F;en, ich verharre &#x017F;tets<lb n="5"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>147. An <hi rendition="#g">Oerthel in Töpen.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">Hof den 6 Jenner <metamark>[</metamark>vielmehr Febr.<metamark>]</metamark> 86.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Lieber Oerthel!</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Bi&#x017F;t du es aber noch? Denn du &#x017F;chweige&#x017F;t einmal wieder und über-<lb/>&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, in deine gei&#x017F;tigen Wollü&#x017F;te vertieft, deinen Körper einer zögern-<lb n="10"/>
den Trägheit: daher lä&#x017F;&#x017F;et es &#x017F;ich gut erklären, warum du gar nicht im<lb/>
Stande bi&#x017F;t, deine Hände &#x017F;o lange in Bewegung zu erhalten, daß der<lb/>
1. Theil der Skizen wirklich eingepakt und mir über&#x017F;endet wird. Ich<lb/>
brauchte ihn &#x017F;o nöthig für iemand, daß ich läng&#x017F;t meine Bitte um ihn<lb/>
wiederholet hätte, wenn ich nicht einige Tage verrei&#x017F;et gewe&#x017F;en wäre.<lb n="15"/>
Ich kriti&#x017F;ire dich, damit du mich kriti<metamark>[</metamark>&#x017F;i<metamark>]</metamark>re&#x017F;t; und ich hoffe wenig&#x017F;tens<lb/>
ein Stük deiner Arbeiten an meinen, bald zu erblikken. &#x2014; Wie viele<lb/>
Gewalt erhält von Tag zu Tag der Geiz über den &#x201E;Gegen&#x017F;tand des<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_207">[207]</ref></note>&#x017F;chwarzen Buches&#x201C;! Son&#x017F;t &#x017F;chlos er blos &#x017F;eine Schäze vor denen, die<lb/>
&#x017F;ie begehrten, ein; iezt geht er noch weiter und wil &#x017F;ogar den be&#x017F;ten<lb n="20"/>
Kopf, den er hat, der aber nicht von Gold i&#x017F;t wie die in &#x017F;einen Kä&#x017F;ten,<lb/>
für &#x017F;ich allein behalten und veran&#x017F;taltet es daher, daß du wirklich<lb/>
20 Meilen von mir entfernet wohne&#x017F;t. Lebe wol.</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Verte subito.</hi> </hi> <lb n="25"/>
          </p>
          <note type="editorial"> <hi rendition="#aq"><metamark>[</metamark><hi rendition="#i">Rückseite</hi>:<metamark>]</metamark></hi> </note>
          <p>Um den St. Mo&#x017F;es Mendels&#x017F;ohn möcht&#x2019; ich dich bitten,<lb/>
oder um Platner, wenn er gebunden i&#x017F;t. Du ha&#x017F;t doch neulich deine<lb/>
2 Bücher, den Feder und Kant, bekommen? Übrigens fürcht&#x2019; ich, daß<lb/>
wir in den Zufal, der bisher un&#x017F;ere Briefe ungeöfnet an uns beide<lb/>
gelangen la&#x017F;&#x017F;en, nicht mehr &#x017F;o viel Vertrauen &#x017F;ezen dürfen. Lebe noch<lb n="30"/>
einmal wol; das er&#x017F;temal meint&#x2019; ich die Seele und &#x017F;chreib mir einen<lb/>
Brief, der offenbar zu lang i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Fürchte nicht daß mein Bruder den Brief gele&#x017F;en; er denkt, er i&#x017F;t<lb/>
griechi&#x017F;ch; und er i&#x017F;t es auch.</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0221] könte und wäre nicht ſo frey, ich bitte Ew. Gnaden nämlich unterthänig nur auf ein Monath um 15 fl., aber ich hoffe, daß Dieſelben einer Wittwe dieſe Bitte nicht abſchlagen werden, die in einer ſo groſſen Noth iſt, beſonders da mein Gnadengehalt von Bayreuth immer länger ausbleibt und ich mich darauf verlaſſen, ich verharre ſtets 5 147. An Oerthel in Töpen. Hof den 6 Jenner [vielmehr Febr.] 86. Lieber Oerthel! Biſt du es aber noch? Denn du ſchweigeſt einmal wieder und über- läſſeſt, in deine geiſtigen Wollüſte vertieft, deinen Körper einer zögern- 10 den Trägheit: daher läſſet es ſich gut erklären, warum du gar nicht im Stande biſt, deine Hände ſo lange in Bewegung zu erhalten, daß der 1. Theil der Skizen wirklich eingepakt und mir überſendet wird. Ich brauchte ihn ſo nöthig für iemand, daß ich längſt meine Bitte um ihn wiederholet hätte, wenn ich nicht einige Tage verreiſet geweſen wäre. 15 Ich kritiſire dich, damit du mich kriti[ſi]reſt; und ich hoffe wenigſtens ein Stük deiner Arbeiten an meinen, bald zu erblikken. — Wie viele Gewalt erhält von Tag zu Tag der Geiz über den „Gegenſtand des ſchwarzen Buches“! Sonſt ſchlos er blos ſeine Schäze vor denen, die ſie begehrten, ein; iezt geht er noch weiter und wil ſogar den beſten 20 Kopf, den er hat, der aber nicht von Gold iſt wie die in ſeinen Käſten, für ſich allein behalten und veranſtaltet es daher, daß du wirklich 20 Meilen von mir entfernet wohneſt. Lebe wol. [207] Richter Verte subito. 25 Um den St. Moſes Mendelsſohn möcht’ ich dich bitten, oder um Platner, wenn er gebunden iſt. Du haſt doch neulich deine 2 Bücher, den Feder und Kant, bekommen? Übrigens fürcht’ ich, daß wir in den Zufal, der bisher unſere Briefe ungeöfnet an uns beide gelangen laſſen, nicht mehr ſo viel Vertrauen ſezen dürfen. Lebe noch 30 einmal wol; das erſtemal meint’ ich die Seele und ſchreib mir einen Brief, der offenbar zu lang iſt. Fürchte nicht daß mein Bruder den Brief geleſen; er denkt, er iſt griechiſch; und er iſt es auch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/221
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/221>, abgerufen am 27.11.2024.