Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

gelegt, um Ihnen zu schreiben, und es dennoch wieder weg geschoben,
um nicht die Mühe, deren gröster Theil bei der Präparirung der Mix-
turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber[224]
ich sehe, der Verleger bewegt sich vor lauter Hemketten gar nicht...
Es herscht also iezt ein ewiger westphälischer Friede unter uns allen...5
Dieses Zeilgen gehöret nicht Ihnen, sondern dem Philosophen und
Engländer im Priesterrok; er kan mit diesen 2 Zeilen und der 3., die
einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. -- Ihnen wünscht' ich,
daß dieser Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor-
brächte als die Versicherung, daß ich etc.10

176. An Oerthel in Töpen.

Lieber Oerthel,

Du überkomst den Kant so spät, weil ich ihn selbst nicht am Dienstag
vor 8 Tagen, sondern erst am Freitag empfieng. Den Herder ver-15
sprach der Buchbinder mir auf den morgenden Donnerstag: ich fragte
aber am Dienstag (gestern) schon an und er gab mir ihn -- er sagte, es
thäte ganz und gar nichts -- brochirt mit; heute (am Mitwoche) schikt'
ich ihm ihn wieder. Du verlierst also durch meine neugierige Voreilig-
keit nichts: denn gebunden hätt' ich ihn länger behalten.20

Vor allen Dingen müssen wir aber hören, was Henke vorbringt
und ich wil es nachschreiben und du kanst es nachlesen; ich wil es aber
nicht wünschen, daß seine Feder die ganze Welt in die gröste Unordnung
versezet, so daß kein Mensch hernach mehr weis, woran er denn eigent-
lich ist. Henke macht sich nämlich nichts daraus und thut es von freien25
Stükken kund, daß es bei iedem Manne selbst stehe, was er im Ernste
zeugen wolle. Denn wenn der besagte Man z. B. einem Knaben das
complementum possibilitatis darzureichen beschlossen habe, so könne
ihm das kein Mensch verbieten: denn was brauch' er mehr als mitten
unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Testikel zu30
fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der
mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der
linke hingegen schiesset -- wiewol man etwas ähnliches auch von der
mänlichen Rippe zu behaupten sich getrauet -- die Ingredienzien her,
aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwächst,35

gelegt, um Ihnen zu ſchreiben, und es dennoch wieder weg geſchoben,
um nicht die Mühe, deren gröſter Theil bei der Präparirung der Mix-
turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber[224]
ich ſehe, der Verleger bewegt ſich vor lauter Hemketten gar nicht…
Es herſcht alſo iezt ein ewiger weſtphäliſcher Friede unter uns allen…5
Dieſes Zeilgen gehöret nicht Ihnen, ſondern dem Philoſophen und
Engländer im Prieſterrok; er kan mit dieſen 2 Zeilen und der 3., die
einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. — Ihnen wünſcht’ ich,
daß dieſer Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor-
brächte als die Verſicherung, daß ich ꝛc.10

176. An Oerthel in Töpen.

Lieber Oerthel,

Du überkomſt den Kant ſo ſpät, weil ich ihn ſelbſt nicht am Dienſtag
vor 8 Tagen, ſondern erſt am Freitag empfieng. Den Herder ver-15
ſprach der Buchbinder mir auf den morgenden Donnerſtag: ich fragte
aber am Dienſtag (geſtern) ſchon an und er gab mir ihn — er ſagte, es
thäte ganz und gar nichts — brochirt mit; heute (am Mitwoche) ſchikt’
ich ihm ihn wieder. Du verlierſt alſo durch meine neugierige Voreilig-
keit nichts: denn gebunden hätt’ ich ihn länger behalten.20

Vor allen Dingen müſſen wir aber hören, was Henke vorbringt
und ich wil es nachſchreiben und du kanſt es nachleſen; ich wil es aber
nicht wünſchen, daß ſeine Feder die ganze Welt in die gröſte Unordnung
verſezet, ſo daß kein Menſch hernach mehr weis, woran er denn eigent-
lich iſt. Henke macht ſich nämlich nichts daraus und thut es von freien25
Stükken kund, daß es bei iedem Manne ſelbſt ſtehe, was er im Ernſte
zeugen wolle. Denn wenn der beſagte Man z. B. einem Knaben das
complementum possibilitatis darzureichen beſchloſſen habe, ſo könne
ihm das kein Menſch verbieten: denn was brauch’ er mehr als mitten
unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Teſtikel zu30
fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der
mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der
linke hingegen ſchieſſet — wiewol man etwas ähnliches auch von der
mänlichen Rippe zu behaupten ſich getrauet — die Ingredienzien her,
aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwächſt,35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="213"/>
gelegt, um Ihnen zu &#x017F;chreiben, und es dennoch wieder weg ge&#x017F;choben,<lb/>
um nicht die Mühe, deren grö&#x017F;ter Theil bei der Präparirung der Mix-<lb/>
turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber<note place="right"><ref target="1922_Bd#_224">[224]</ref></note><lb/>
ich &#x017F;ehe, der Verleger bewegt &#x017F;ich vor lauter Hemketten gar nicht&#x2026;<lb/>
Es her&#x017F;cht al&#x017F;o iezt ein ewiger we&#x017F;tphäli&#x017F;cher Friede unter uns allen&#x2026;<lb n="5"/>
Die&#x017F;es Zeilgen gehöret nicht Ihnen, &#x017F;ondern dem Philo&#x017F;ophen und<lb/>
Engländer im Prie&#x017F;terrok; er kan mit die&#x017F;en 2 Zeilen und der 3., die<lb/>
einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. &#x2014; Ihnen wün&#x017F;cht&#x2019; ich,<lb/>
daß die&#x017F;er Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor-<lb/>
brächte als die Ver&#x017F;icherung, daß ich &#xA75B;c.<lb n="10"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>176. An <hi rendition="#g">Oerthel in Töpen.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, 28. Juni 1786. Mittwoch<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Lieber Oerthel,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Du überkom&#x017F;t den Kant &#x017F;o &#x017F;pät, weil ich ihn &#x017F;elb&#x017F;t nicht am Dien&#x017F;tag<lb/>
vor 8 Tagen, &#x017F;ondern er&#x017F;t am Freitag empfieng. Den Herder ver-<lb n="15"/>
&#x017F;prach der Buchbinder mir auf den morgenden Donner&#x017F;tag: ich fragte<lb/>
aber am Dien&#x017F;tag (ge&#x017F;tern) &#x017F;chon an und er gab mir ihn &#x2014; er &#x017F;agte, es<lb/>
thäte ganz und gar nichts &#x2014; brochirt mit; heute (am Mitwoche) &#x017F;chikt&#x2019;<lb/>
ich ihm ihn wieder. Du verlier&#x017F;t al&#x017F;o durch meine neugierige Voreilig-<lb/>
keit nichts: denn gebunden hätt&#x2019; ich ihn länger behalten.<lb n="20"/>
</p>
        <p>Vor allen Dingen mü&#x017F;&#x017F;en wir aber hören, was <hi rendition="#g">Henke</hi> vorbringt<lb/>
und ich wil es nach&#x017F;chreiben und du kan&#x017F;t es nachle&#x017F;en; ich wil es aber<lb/>
nicht wün&#x017F;chen, daß &#x017F;eine Feder die ganze Welt in die grö&#x017F;te Unordnung<lb/>
ver&#x017F;ezet, &#x017F;o daß kein Men&#x017F;ch hernach mehr weis, woran er denn eigent-<lb/>
lich i&#x017F;t. Henke macht &#x017F;ich nämlich nichts daraus und thut es von freien<lb n="25"/>
Stükken kund, daß es bei iedem Manne &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tehe, was er im Ern&#x017F;te<lb/>
zeugen wolle. Denn wenn der be&#x017F;agte Man z. B. einem Knaben das<lb/><hi rendition="#aq">complementum possibilitatis</hi> darzureichen be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en habe, &#x017F;o könne<lb/>
ihm das kein Men&#x017F;ch verbieten: denn was brauch&#x2019; er mehr als mitten<lb/>
unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Te&#x017F;tikel zu<lb n="30"/>
fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der<lb/>
mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der<lb/>
linke hingegen &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;et &#x2014; wiewol man etwas ähnliches auch von der<lb/>
mänlichen Rippe zu behaupten &#x017F;ich getrauet &#x2014; die Ingredienzien her,<lb/>
aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwäch&#x017F;t,<lb n="35"/><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0238] gelegt, um Ihnen zu ſchreiben, und es dennoch wieder weg geſchoben, um nicht die Mühe, deren gröſter Theil bei der Präparirung der Mix- turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber ich ſehe, der Verleger bewegt ſich vor lauter Hemketten gar nicht… Es herſcht alſo iezt ein ewiger weſtphäliſcher Friede unter uns allen… 5 Dieſes Zeilgen gehöret nicht Ihnen, ſondern dem Philoſophen und Engländer im Prieſterrok; er kan mit dieſen 2 Zeilen und der 3., die einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. — Ihnen wünſcht’ ich, daß dieſer Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor- brächte als die Verſicherung, daß ich ꝛc. 10 [224] 176. An Oerthel in Töpen. [Hof, 28. Juni 1786. Mittwoch] Lieber Oerthel, Du überkomſt den Kant ſo ſpät, weil ich ihn ſelbſt nicht am Dienſtag vor 8 Tagen, ſondern erſt am Freitag empfieng. Den Herder ver- 15 ſprach der Buchbinder mir auf den morgenden Donnerſtag: ich fragte aber am Dienſtag (geſtern) ſchon an und er gab mir ihn — er ſagte, es thäte ganz und gar nichts — brochirt mit; heute (am Mitwoche) ſchikt’ ich ihm ihn wieder. Du verlierſt alſo durch meine neugierige Voreilig- keit nichts: denn gebunden hätt’ ich ihn länger behalten. 20 Vor allen Dingen müſſen wir aber hören, was Henke vorbringt und ich wil es nachſchreiben und du kanſt es nachleſen; ich wil es aber nicht wünſchen, daß ſeine Feder die ganze Welt in die gröſte Unordnung verſezet, ſo daß kein Menſch hernach mehr weis, woran er denn eigent- lich iſt. Henke macht ſich nämlich nichts daraus und thut es von freien 25 Stükken kund, daß es bei iedem Manne ſelbſt ſtehe, was er im Ernſte zeugen wolle. Denn wenn der beſagte Man z. B. einem Knaben das complementum possibilitatis darzureichen beſchloſſen habe, ſo könne ihm das kein Menſch verbieten: denn was brauch’ er mehr als mitten unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Teſtikel zu 30 fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der linke hingegen ſchieſſet — wiewol man etwas ähnliches auch von der mänlichen Rippe zu behaupten ſich getrauet — die Ingredienzien her, aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwächſt, 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/238
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/238>, abgerufen am 23.11.2024.