Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

[225]dieses Hausmittel unsers spashaften Lebens, dieses angenehme Marg-
grafenpulver für die grösten Kinder, die es gar als ein Abführungs-
mittel betrachten. / Wider Vermuthen hat mich der Teufel mitten
unter die Metaphern geiagt.



5

Ausser den Metaphern rükten mich auch äussere Unterbrechungen
bis heute (am Freitage) von dem Saze des Henke weg, daß die Samen-
feuchtigkeit der rechten Hode einen Knaben, und die der linken ein
Mädgen gebe. Schwerlich wirst du soviele Hunde und Pferde zu sehen
bekommen als Henke zur Prüfung seiner Hypothese abwechselnd um10
ihre Hoden brachte. Das Schlimste bei der ganzen Sache ist, daß sie
deinem Glauben an den mänlichen Werth der weiblichen Seelen vielen
Schaden thut; und es kan auch wahrhaftig unmöglich anders aus-
fallen. Denn seze dich selber hin und erwäge es, ob man iezt seit der
Henkischen Entdekkung noch mit einigem Grunde auf eine Aus-15
führung der Damen aus ihrer iezigen babylonischpolitischen Gefangen-
schaft wol passen darf, der sie allein unser scheinbares Uebergewicht an
Fähigkeiten schuldzugeben haben und in der sie an ein besonderes
Avancement gar nicht denken dürfen? Aber vor dem Henke konte man
doch auf iene Ausführung noch füglich passen, stat daß wir iezt un-20
beschreiblich darauf aus sein werden, von Zeit zu Zeit soviele Knaben
in die Welt zu liefern, als wir zur Fortsezung unserer uneingeschränkten
Universalmonarchie für nöthig erachten. Wahrhaftig ich sehe sie schon
an als ob sie aus Christensklaven Negersklaven geworden wären. In
dem Kapitel von der Polygamie, in euerem Lehnrechte, im algemeinen25
Staatsrecht und in den Kameralwissenschaften wird -- der Henke hat
euch dies alles eingebrokt -- alles darunter und drüber gehen; der
König in Preussen wird vor seinem Ende noch von den stehenden
Truppen und auch von den Provinzen stat der Spazenköpfe und Zins-
und Deputatthiere im Ernste Knaben haben wollen und die Erzeugung30
der Mädgen nur für den Dispensazionsfal aufheben; die Sache wird
zusehends schlimmer; die Theologen mengen sich darein, hinter denen
in einer geringen Entfernung die Mädgenschulmeister ziehen, die ganz
[226]zu verhungern drohen; an die Frauenklöster und -sättel wil ich dich
gar nicht erinnern; kurz die ganze Welt hört gar ihr eigen Wort nicht35
mehr, so gehts zu.

[225]dieſes Hausmittel unſers ſpashaften Lebens, dieſes angenehme Marg-
grafenpulver für die gröſten Kinder, die es gar als ein Abführungs-
mittel betrachten. / Wider Vermuthen hat mich der Teufel mitten
unter die Metaphern geiagt.



5

Auſſer den Metaphern rükten mich auch äuſſere Unterbrechungen
bis heute (am Freitage) von dem Saze des Henke weg, daß die Samen-
feuchtigkeit der rechten Hode einen Knaben, und die der linken ein
Mädgen gebe. Schwerlich wirſt du ſoviele Hunde und Pferde zu ſehen
bekommen als Henke zur Prüfung ſeiner Hypotheſe abwechſelnd um10
ihre Hoden brachte. Das Schlimſte bei der ganzen Sache iſt, daß ſie
deinem Glauben an den mänlichen Werth der weiblichen Seelen vielen
Schaden thut; und es kan auch wahrhaftig unmöglich anders aus-
fallen. Denn ſeze dich ſelber hin und erwäge es, ob man iezt ſeit der
Henkiſchen Entdekkung noch mit einigem Grunde auf eine Aus-15
führung der Damen aus ihrer iezigen babyloniſchpolitiſchen Gefangen-
ſchaft wol paſſen darf, der ſie allein unſer ſcheinbares Uebergewicht an
Fähigkeiten ſchuldzugeben haben und in der ſie an ein beſonderes
Avancement gar nicht denken dürfen? Aber vor dem Henke konte man
doch auf iene Ausführung noch füglich paſſen, ſtat daß wir iezt un-20
beſchreiblich darauf aus ſein werden, von Zeit zu Zeit ſoviele Knaben
in die Welt zu liefern, als wir zur Fortſezung unſerer uneingeſchränkten
Univerſalmonarchie für nöthig erachten. Wahrhaftig ich ſehe ſie ſchon
an als ob ſie aus Chriſtenſklaven Negerſklaven geworden wären. In
dem Kapitel von der Polygamie, in euerem Lehnrechte, im algemeinen25
Staatsrecht und in den Kameralwiſſenſchaften wird — der Henke hat
euch dies alles eingebrokt — alles darunter und drüber gehen; der
König in Preuſſen wird vor ſeinem Ende noch von den ſtehenden
Truppen und auch von den Provinzen ſtat der Spazenköpfe und Zins-
und Deputatthiere im Ernſte Knaben haben wollen und die Erzeugung30
der Mädgen nur für den Diſpenſazionsfal aufheben; die Sache wird
zuſehends ſchlimmer; die Theologen mengen ſich darein, hinter denen
in einer geringen Entfernung die Mädgenſchulmeiſter ziehen, die ganz
[226]zu verhungern drohen; an die Frauenklöſter und -ſättel wil ich dich
gar nicht erinnern; kurz die ganze Welt hört gar ihr eigen Wort nicht35
mehr, ſo gehts zu.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0239" n="214"/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_225">[225]</ref></note>die&#x017F;es Hausmittel un&#x017F;ers &#x017F;pashaften Lebens, die&#x017F;es angenehme Marg-<lb/>
grafenpulver für die grö&#x017F;ten Kinder, die es gar als ein Abführungs-<lb/>
mittel betrachten. / Wider Vermuthen hat mich der Teufel mitten<lb/>
unter die Metaphern geiagt.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div>
          <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>30. Juni<metamark>]</metamark></hi> </dateline>
          <lb n="5"/>
          <p>Au&#x017F;&#x017F;er den Metaphern rükten mich auch äu&#x017F;&#x017F;ere Unterbrechungen<lb/>
bis heute (am Freitage) von dem Saze des Henke weg, daß die Samen-<lb/>
feuchtigkeit der rechten Hode einen Knaben, und die der linken ein<lb/>
Mädgen gebe. Schwerlich wir&#x017F;t du &#x017F;oviele Hunde und Pferde zu &#x017F;ehen<lb/>
bekommen als Henke zur Prüfung &#x017F;einer Hypothe&#x017F;e abwech&#x017F;elnd um<lb n="10"/>
ihre Hoden brachte. Das Schlim&#x017F;te bei der ganzen Sache i&#x017F;t, daß &#x017F;ie<lb/>
deinem Glauben an den mänlichen Werth der weiblichen Seelen vielen<lb/>
Schaden thut; und es kan auch wahrhaftig unmöglich anders aus-<lb/>
fallen. Denn &#x017F;eze dich &#x017F;elber hin und erwäge es, ob man iezt &#x017F;eit der<lb/>
Henki&#x017F;chen Entdekkung noch mit einigem Grunde auf eine Aus-<lb n="15"/>
führung der Damen aus ihrer iezigen babyloni&#x017F;chpoliti&#x017F;chen Gefangen-<lb/>
&#x017F;chaft wol pa&#x017F;&#x017F;en darf, der &#x017F;ie allein un&#x017F;er &#x017F;cheinbares Uebergewicht an<lb/>
Fähigkeiten &#x017F;chuldzugeben haben und in der &#x017F;ie an ein be&#x017F;onderes<lb/>
Avancement gar nicht denken dürfen? Aber vor dem Henke konte man<lb/>
doch auf iene Ausführung noch füglich pa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;tat daß wir iezt un-<lb n="20"/>
be&#x017F;chreiblich darauf aus &#x017F;ein werden, von Zeit zu Zeit &#x017F;oviele Knaben<lb/>
in die Welt zu liefern, als wir zur Fort&#x017F;ezung un&#x017F;erer uneinge&#x017F;chränkten<lb/>
Univer&#x017F;almonarchie für nöthig erachten. Wahrhaftig ich &#x017F;ehe &#x017F;ie &#x017F;chon<lb/>
an als ob &#x017F;ie aus Chri&#x017F;ten&#x017F;klaven Neger&#x017F;klaven geworden wären. In<lb/>
dem Kapitel von der Polygamie, in euerem Lehnrechte, im algemeinen<lb n="25"/>
Staatsrecht und in den Kameralwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften wird &#x2014; der Henke hat<lb/>
euch dies alles eingebrokt &#x2014; alles darunter und drüber gehen; der<lb/>
König in Preu&#x017F;&#x017F;en wird vor &#x017F;einem Ende noch von den &#x017F;tehenden<lb/>
Truppen und auch von den Provinzen &#x017F;tat der Spazenköpfe und Zins-<lb/>
und Deputatthiere im Ern&#x017F;te Knaben haben wollen und die Erzeugung<lb n="30"/>
der Mädgen nur für den Di&#x017F;pen&#x017F;azionsfal aufheben; die Sache wird<lb/>
zu&#x017F;ehends &#x017F;chlimmer; die Theologen mengen &#x017F;ich darein, hinter denen<lb/>
in einer geringen Entfernung die Mädgen&#x017F;chulmei&#x017F;ter ziehen, die ganz<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_226">[226]</ref></note>zu verhungern drohen; an die Frauenklö&#x017F;ter und -&#x017F;ättel wil ich dich<lb/>
gar nicht erinnern; kurz die ganze Welt hört gar ihr eigen Wort nicht<lb n="35"/>
mehr, &#x017F;o gehts zu.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0239] dieſes Hausmittel unſers ſpashaften Lebens, dieſes angenehme Marg- grafenpulver für die gröſten Kinder, die es gar als ein Abführungs- mittel betrachten. / Wider Vermuthen hat mich der Teufel mitten unter die Metaphern geiagt. [225] [30. Juni] 5 Auſſer den Metaphern rükten mich auch äuſſere Unterbrechungen bis heute (am Freitage) von dem Saze des Henke weg, daß die Samen- feuchtigkeit der rechten Hode einen Knaben, und die der linken ein Mädgen gebe. Schwerlich wirſt du ſoviele Hunde und Pferde zu ſehen bekommen als Henke zur Prüfung ſeiner Hypotheſe abwechſelnd um 10 ihre Hoden brachte. Das Schlimſte bei der ganzen Sache iſt, daß ſie deinem Glauben an den mänlichen Werth der weiblichen Seelen vielen Schaden thut; und es kan auch wahrhaftig unmöglich anders aus- fallen. Denn ſeze dich ſelber hin und erwäge es, ob man iezt ſeit der Henkiſchen Entdekkung noch mit einigem Grunde auf eine Aus- 15 führung der Damen aus ihrer iezigen babyloniſchpolitiſchen Gefangen- ſchaft wol paſſen darf, der ſie allein unſer ſcheinbares Uebergewicht an Fähigkeiten ſchuldzugeben haben und in der ſie an ein beſonderes Avancement gar nicht denken dürfen? Aber vor dem Henke konte man doch auf iene Ausführung noch füglich paſſen, ſtat daß wir iezt un- 20 beſchreiblich darauf aus ſein werden, von Zeit zu Zeit ſoviele Knaben in die Welt zu liefern, als wir zur Fortſezung unſerer uneingeſchränkten Univerſalmonarchie für nöthig erachten. Wahrhaftig ich ſehe ſie ſchon an als ob ſie aus Chriſtenſklaven Negerſklaven geworden wären. In dem Kapitel von der Polygamie, in euerem Lehnrechte, im algemeinen 25 Staatsrecht und in den Kameralwiſſenſchaften wird — der Henke hat euch dies alles eingebrokt — alles darunter und drüber gehen; der König in Preuſſen wird vor ſeinem Ende noch von den ſtehenden Truppen und auch von den Provinzen ſtat der Spazenköpfe und Zins- und Deputatthiere im Ernſte Knaben haben wollen und die Erzeugung 30 der Mädgen nur für den Diſpenſazionsfal aufheben; die Sache wird zuſehends ſchlimmer; die Theologen mengen ſich darein, hinter denen in einer geringen Entfernung die Mädgenſchulmeiſter ziehen, die ganz zu verhungern drohen; an die Frauenklöſter und -ſättel wil ich dich gar nicht erinnern; kurz die ganze Welt hört gar ihr eigen Wort nicht 35 mehr, ſo gehts zu. [226]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/239
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/239>, abgerufen am 23.11.2024.