Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

Töpen selbst hatte blos der Teufel sein schriftstellerisches Spiel -- und[277]
sein ökonomisches auch. Heut am 14. Junius ist aber der Tag, wo es
mit der Dedikazion wahrer Ernst werden sol. Denn es ist schon alles
dazu da -- H. Neitsch hat schon die 2 rothen Blätter eingeheftet und
dabei (ich mus mich darüber wundern) gar nicht daran gedacht, daß5
auf rothem Papier sonst die wichtigsten kaiserlichen Diplome und
im heurigen Junius die wichtigsten Dedikazionen niedergeschrieben
werden und daß gleichwol diese Anspielung nicht des Papiers wegen,
sondern das Papier der Anspielung wegen da stehe -- es ist mehr da,
es sind schon die 38 schlecht gedrukte Bögen zur Unterlage des viertels10
rothen da -- ich selber size schon da und habe Kaffee getrunken und kan
stündlich anfangen -- und thats fast schon. Wie kursorisch ist des
Menschen Freude! Wenn ich noch 3 Seitenlang werde herumdedizirt
haben: so wird die meinige vorüber und nichts mehr da sein als die
ungedrukte Zueignungsschrift! --15

Eine ausserhöfische Person bestelte sich vor vielen Jahren (mit
völligem Beifal ihres Mannes) ihre Kadaver-Klause oder ihren
Mumienkasten und ihre Leichenpredigt voraus, wiewol die Klausnerin
oder der lebendige Kubikinhalt des Sarges noch herumschreitet und
mit keinen andern Geistern Umgang hat als mit abgezognen und20
am Ende mit ihrer Grösse in nichts hineinpassen wird als in die
Leichenpredigt. Närrischerweise lies ich mir auch eine vorausmachen;
es weis es aber niemand als der hiesige ** Prediger und bei meinem
Leichenbegängnis werden Sie sie hören und iezt in dieser Dedikazion
lesen. Denn das homiletische Sparwerk dazu nagelte ich selbst zu-25
sammen. Der Pfarrer mus erstlich im Exordio anmerken und auch
erhärten, daß es 2 Sortiments von Menschen giebt, lebende und
todte -- dadurch bahnt er sich spielend und fast ohne Nachdenken die
2 Übergänge zu mir und zur Proposizion. Das Hauptthema handelt
vernünftig die algemeine Pflicht des Christen durch, Dedikazionen zu30
machen. Die 2 Redetheile haben eine solche Amts-, Waffen- und
Zwillingsbrüderschaft mit einander getrunken und lieben dermassen
einander, daß ieder nichts singen und sagen wil als was der andere
singt und sagt. Beide Theile definiren einen Dedikator gut genug und
nach dem Baron Wolf -- sie sagens dem ganzen Leichenbegängnis[278]35
deutlich, ein passabler und heuriger Dedikator ist und bleibt ein
Wesen, von dem man vor und nach dem Tode Realdefinizionen

Töpen ſelbſt hatte blos der Teufel ſein ſchriftſtelleriſches Spiel — und[277]
ſein ökonomiſches auch. Heut am 14. Junius iſt aber der Tag, wo es
mit der Dedikazion wahrer Ernſt werden ſol. Denn es iſt ſchon alles
dazu da — H. Neitſch hat ſchon die 2 rothen Blätter eingeheftet und
dabei (ich mus mich darüber wundern) gar nicht daran gedacht, daß5
auf rothem Papier ſonſt die wichtigſten kaiſerlichen Diplome und
im heurigen Junius die wichtigſten Dedikazionen niedergeſchrieben
werden und daß gleichwol dieſe Anſpielung nicht des Papiers wegen,
ſondern das Papier der Anſpielung wegen da ſtehe — es iſt mehr da,
es ſind ſchon die 38 ſchlecht gedrukte Bögen zur Unterlage des viertels10
rothen da — ich ſelber ſize ſchon da und habe Kaffee getrunken und kan
ſtündlich anfangen — und thats faſt ſchon. Wie kurſoriſch iſt des
Menſchen Freude! Wenn ich noch 3 Seitenlang werde herumdedizirt
haben: ſo wird die meinige vorüber und nichts mehr da ſein als die
ungedrukte Zueignungsſchrift! —15

Eine auſſerhöfiſche Perſon beſtelte ſich vor vielen Jahren (mit
völligem Beifal ihres Mannes) ihre Kadaver-Klauſe oder ihren
Mumienkaſten und ihre Leichenpredigt voraus, wiewol die Klausnerin
oder der lebendige Kubikinhalt des Sarges noch herumſchreitet und
mit keinen andern Geiſtern Umgang hat als mit abgezognen und20
am Ende mit ihrer Gröſſe in nichts hineinpaſſen wird als in die
Leichenpredigt. Närriſcherweiſe lies ich mir auch eine vorausmachen;
es weis es aber niemand als der hieſige ** Prediger und bei meinem
Leichenbegängnis werden Sie ſie hören und iezt in dieſer Dedikazion
leſen. Denn das homiletiſche Sparwerk dazu nagelte ich ſelbſt zu-25
ſammen. Der Pfarrer mus erſtlich im Exordio anmerken und auch
erhärten, daß es 2 Sortiments von Menſchen giebt, lebende und
todte — dadurch bahnt er ſich ſpielend und faſt ohne Nachdenken die
2 Übergänge zu mir und zur Propoſizion. Das Hauptthema handelt
vernünftig die algemeine Pflicht des Chriſten durch, Dedikazionen zu30
machen. Die 2 Redetheile haben eine ſolche Amts-, Waffen- und
Zwillingsbrüderſchaft mit einander getrunken und lieben dermaſſen
einander, daß ieder nichts ſingen und ſagen wil als was der andere
ſingt und ſagt. Beide Theile definiren einen Dedikator gut genug und
nach dem Baron Wolf — ſie ſagens dem ganzen Leichenbegängnis[278]35
deutlich, ein paſſabler und heuriger Dedikator iſt und bleibt ein
Weſen, von dem man vor und nach dem Tode Realdefinizionen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="263"/>
Töpen &#x017F;elb&#x017F;t hatte blos der Teufel &#x017F;ein &#x017F;chrift&#x017F;telleri&#x017F;ches Spiel &#x2014; und<note place="right"><ref target="1922_Bd#_277">[277]</ref></note><lb/>
&#x017F;ein ökonomi&#x017F;ches auch. Heut am 14. Junius i&#x017F;t aber der Tag, wo es<lb/>
mit der Dedikazion wahrer Ern&#x017F;t werden &#x017F;ol. Denn es i&#x017F;t &#x017F;chon alles<lb/>
dazu da &#x2014; H. Neit&#x017F;ch hat &#x017F;chon die 2 rothen Blätter eingeheftet und<lb/>
dabei (ich mus mich darüber wundern) gar nicht daran gedacht, daß<lb n="5"/>
auf rothem Papier &#x017F;on&#x017F;t die wichtig&#x017F;ten kai&#x017F;erlichen Diplome und<lb/>
im heurigen Junius die wichtig&#x017F;ten Dedikazionen niederge&#x017F;chrieben<lb/>
werden und daß gleichwol die&#x017F;e An&#x017F;pielung nicht des Papiers wegen,<lb/>
&#x017F;ondern das Papier der An&#x017F;pielung wegen da &#x017F;tehe &#x2014; es i&#x017F;t mehr da,<lb/>
es &#x017F;ind &#x017F;chon die 38 &#x017F;chlecht gedrukte Bögen zur Unterlage des viertels<lb n="10"/>
rothen da &#x2014; ich &#x017F;elber &#x017F;ize &#x017F;chon da und habe Kaffee getrunken und kan<lb/>
&#x017F;tündlich anfangen &#x2014; und thats fa&#x017F;t &#x017F;chon. Wie kur&#x017F;ori&#x017F;ch i&#x017F;t des<lb/>
Men&#x017F;chen Freude! Wenn ich noch 3 Seitenlang werde herumdedizirt<lb/>
haben: &#x017F;o wird die meinige vorüber und nichts mehr da &#x017F;ein als die<lb/>
ungedrukte Zueignungs&#x017F;chrift! &#x2014;<lb n="15"/>
</p>
        <p>Eine au&#x017F;&#x017F;erhöfi&#x017F;che Per&#x017F;on be&#x017F;telte &#x017F;ich vor vielen Jahren (mit<lb/>
völligem Beifal ihres Mannes) ihre Kadaver-Klau&#x017F;e oder ihren<lb/>
Mumienka&#x017F;ten und ihre Leichenpredigt voraus, wiewol die Klausnerin<lb/>
oder der lebendige Kubikinhalt des Sarges noch herum&#x017F;chreitet und<lb/>
mit keinen andern Gei&#x017F;tern Umgang hat als mit <hi rendition="#g">abgezognen</hi> und<lb n="20"/>
am Ende mit ihrer Grö&#x017F;&#x017F;e in nichts hineinpa&#x017F;&#x017F;en wird als in die<lb/>
Leichenpredigt. Närri&#x017F;cherwei&#x017F;e lies ich mir auch eine vorausmachen;<lb/>
es weis es aber niemand als der hie&#x017F;ige ** Prediger und bei meinem<lb/>
Leichenbegängnis werden Sie &#x017F;ie hören und iezt in die&#x017F;er Dedikazion<lb/>
le&#x017F;en. Denn das homileti&#x017F;che <hi rendition="#g">Sparwerk</hi> dazu nagelte ich &#x017F;elb&#x017F;t zu-<lb n="25"/>
&#x017F;ammen. Der Pfarrer mus er&#x017F;tlich im Exordio anmerken und auch<lb/>
erhärten, daß es 2 Sortiments von Men&#x017F;chen giebt, lebende und<lb/>
todte &#x2014; dadurch bahnt er &#x017F;ich &#x017F;pielend und fa&#x017F;t ohne Nachdenken die<lb/>
2 Übergänge zu mir und zur Propo&#x017F;izion. Das Hauptthema handelt<lb/>
vernünftig die algemeine Pflicht des Chri&#x017F;ten durch, Dedikazionen zu<lb n="30"/>
machen. Die 2 Redetheile haben eine &#x017F;olche Amts-, Waffen- und<lb/>
Zwillingsbrüder&#x017F;chaft mit einander getrunken und lieben derma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
einander, daß ieder nichts &#x017F;ingen und &#x017F;agen wil als was der andere<lb/>
&#x017F;ingt und &#x017F;agt. Beide Theile definiren einen Dedikator gut genug und<lb/>
nach dem Baron Wolf &#x2014; &#x017F;ie &#x017F;agens dem ganzen Leichenbegängnis<note place="right"><ref target="1922_Bd#_278">[278]</ref></note><lb n="35"/>
deutlich, ein pa&#x017F;&#x017F;abler und heuriger Dedikator i&#x017F;t und bleibt ein<lb/>
We&#x017F;en, von dem man vor und nach dem Tode Realdefinizionen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0288] Töpen ſelbſt hatte blos der Teufel ſein ſchriftſtelleriſches Spiel — und ſein ökonomiſches auch. Heut am 14. Junius iſt aber der Tag, wo es mit der Dedikazion wahrer Ernſt werden ſol. Denn es iſt ſchon alles dazu da — H. Neitſch hat ſchon die 2 rothen Blätter eingeheftet und dabei (ich mus mich darüber wundern) gar nicht daran gedacht, daß 5 auf rothem Papier ſonſt die wichtigſten kaiſerlichen Diplome und im heurigen Junius die wichtigſten Dedikazionen niedergeſchrieben werden und daß gleichwol dieſe Anſpielung nicht des Papiers wegen, ſondern das Papier der Anſpielung wegen da ſtehe — es iſt mehr da, es ſind ſchon die 38 ſchlecht gedrukte Bögen zur Unterlage des viertels 10 rothen da — ich ſelber ſize ſchon da und habe Kaffee getrunken und kan ſtündlich anfangen — und thats faſt ſchon. Wie kurſoriſch iſt des Menſchen Freude! Wenn ich noch 3 Seitenlang werde herumdedizirt haben: ſo wird die meinige vorüber und nichts mehr da ſein als die ungedrukte Zueignungsſchrift! — 15 [277]Eine auſſerhöfiſche Perſon beſtelte ſich vor vielen Jahren (mit völligem Beifal ihres Mannes) ihre Kadaver-Klauſe oder ihren Mumienkaſten und ihre Leichenpredigt voraus, wiewol die Klausnerin oder der lebendige Kubikinhalt des Sarges noch herumſchreitet und mit keinen andern Geiſtern Umgang hat als mit abgezognen und 20 am Ende mit ihrer Gröſſe in nichts hineinpaſſen wird als in die Leichenpredigt. Närriſcherweiſe lies ich mir auch eine vorausmachen; es weis es aber niemand als der hieſige ** Prediger und bei meinem Leichenbegängnis werden Sie ſie hören und iezt in dieſer Dedikazion leſen. Denn das homiletiſche Sparwerk dazu nagelte ich ſelbſt zu- 25 ſammen. Der Pfarrer mus erſtlich im Exordio anmerken und auch erhärten, daß es 2 Sortiments von Menſchen giebt, lebende und todte — dadurch bahnt er ſich ſpielend und faſt ohne Nachdenken die 2 Übergänge zu mir und zur Propoſizion. Das Hauptthema handelt vernünftig die algemeine Pflicht des Chriſten durch, Dedikazionen zu 30 machen. Die 2 Redetheile haben eine ſolche Amts-, Waffen- und Zwillingsbrüderſchaft mit einander getrunken und lieben dermaſſen einander, daß ieder nichts ſingen und ſagen wil als was der andere ſingt und ſagt. Beide Theile definiren einen Dedikator gut genug und nach dem Baron Wolf — ſie ſagens dem ganzen Leichenbegängnis 35 deutlich, ein paſſabler und heuriger Dedikator iſt und bleibt ein Weſen, von dem man vor und nach dem Tode Realdefinizionen [278]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/288
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/288>, abgerufen am 21.11.2024.