Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.351. An Christian Otto. [Schwarzenbach, 24. Dez. 1790]Meine Herren! 5Wenn ich uns beide so nennen kan. Es ist mir und dir, oder Ihnen [332]Ich tadle seinen eignen Tadel. Wozu so eine närrische Bescheiden- Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden sein, Sonst ist nichts. Des historischen Aufsazes Einleitung von 3 Seiten Die Rede genierte mich. Am meisten nüzt und gefält mir dein *) Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, besteht iezt aus
2 Man (oder Mängen), dir und mir -- ich halte die Rede und über dich wird sie35 gehalten und an uns beide. 351. An Chriſtian Otto. [Schwarzenbach, 24. Dez. 1790]Meine Herren! 5Wenn ich uns beide ſo nennen kan. Es iſt mir und dir, oder Ihnen [332]Ich tadle ſeinen eignen Tadel. Wozu ſo eine närriſche Beſcheiden- Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden ſein, Sonſt iſt nichts. Des hiſtoriſchen Aufſazes Einleitung von 3 Seiten Die Rede genierte mich. Am meiſten nüzt und gefält mir dein *) Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, beſteht iezt aus
2 Man (oder Mängen), dir und mir — ich halte die Rede und über dich wird ſie35 gehalten und an uns beide. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0340" n="314"/> <div type="letter" n="1"> <head>351. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 24. Dez. 1790<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/> <byline> <hi rendition="#c">Meine akademiſche Rede bei der Aufnahme eines neuen Mitgliedes<lb/> in die Akademie der Antiſaturnopolitaner.<note place="foot" n="*)">Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, beſteht iezt aus<lb/> 2 Man (oder Mängen), dir und mir — ich halte die Rede und über dich wird ſie<lb n="35"/> gehalten und an uns beide.</note></hi> </byline><lb/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Meine Herren!</hi> </salute> </opener> <lb n="5"/> <p>Wenn ich uns beide ſo nennen kan. Es iſt mir und dir, oder Ihnen<lb/> recht wol bekant was ich wil und was ich neuerlich geleſen, zwei<lb/> antiſaturnopolitaniſche Aufſäze nämlich. Da es meine Rede-Pflicht<lb/> iſt, unſer neues Mitglied zu loben: ſo wil ichs zwar thun ſo gut wie<lb/> ein anderer; aber ich wil vorher nur mit 2, 3 maligem Eintunken<lb n="10"/> bezeichnen, wo es bei ihm hapert.</p><lb/> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd#_332">[332]</ref></note>Ich tadle ſeinen eignen Tadel. Wozu ſo eine närriſche Beſcheiden-<lb/> heit, die ſchlim wäre, ſie möchte aufrichtig oder nur höflich ſein?<lb/> Wozu die Benennung „elende Schulprogramme“ ꝛc., wenn ſie auch<lb/> zum Theil humoriſtiſch iſt? — Der Verfaſſer gegenwärtiger Rede iſt<lb n="15"/> zwar auch beſcheiden und ſehr; aber er weis ſich auch wieder zu loben,<lb/> wo mans erwartet.</p><lb/> <p>Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden ſein,<lb/> aus dem ſo etwas ſchlechtes und leſerliches kömt als die — Dinte<lb/> des ſeinigen iſt. Denn es ſol ſympathetiſche ſein; ſie iſt aber ſo elend<lb n="20"/> ausgefallen, daß ich verſchiedne Worte, ohne vorhergehende Mani-<lb/> pulazion, habe leſen können.</p><lb/> <p>Sonſt iſt nichts. Des hiſtoriſchen Aufſazes Einleitung von 3 Seiten<lb/> iſt mit ſoviel Geſchmak, Humor und Leichtigkeit geſchrieben, daß Sie,<lb/> meine 2 Herren, wünſchen werden, er gäbe ganzen Abhandlungen<lb n="25"/> dieſe Melodie. Da es einen ausgeſchriebnen Styl wie eine aus-<lb/> geſchriebne Hand giebt: ſo hat der immerwährende Sekretair im<lb/> Namen der ganzen Akademie wol einiges Recht, die Aufſäze, deren<lb/> Geburt iener Styl vorausſezt, haben zu wollen. Was noch nicht<lb/> geboren iſt, mus der H. Verfaſſer nach den Geſezen unſrer Akademie zu<lb n="30"/> zeugen eilen; er mus aber nicht paſſen bis die Akademie tod iſt. Amen!</p><lb/> <p>Die Rede genierte mich. Am meiſten nüzt und gefält mir dein<lb/> Diſtinguieren, das der Geſchichte ſo nöthig und ungewöhnlich iſt als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [314/0340]
351. An Chriſtian Otto.
[Schwarzenbach, 24. Dez. 1790]
Meine akademiſche Rede bei der Aufnahme eines neuen Mitgliedes
in die Akademie der Antiſaturnopolitaner. *)
Meine Herren! 5
Wenn ich uns beide ſo nennen kan. Es iſt mir und dir, oder Ihnen
recht wol bekant was ich wil und was ich neuerlich geleſen, zwei
antiſaturnopolitaniſche Aufſäze nämlich. Da es meine Rede-Pflicht
iſt, unſer neues Mitglied zu loben: ſo wil ichs zwar thun ſo gut wie
ein anderer; aber ich wil vorher nur mit 2, 3 maligem Eintunken 10
bezeichnen, wo es bei ihm hapert.
Ich tadle ſeinen eignen Tadel. Wozu ſo eine närriſche Beſcheiden-
heit, die ſchlim wäre, ſie möchte aufrichtig oder nur höflich ſein?
Wozu die Benennung „elende Schulprogramme“ ꝛc., wenn ſie auch
zum Theil humoriſtiſch iſt? — Der Verfaſſer gegenwärtiger Rede iſt 15
zwar auch beſcheiden und ſehr; aber er weis ſich auch wieder zu loben,
wo mans erwartet.
[332]
Zweitens kan man mit einem Dintenfas niemals zufrieden ſein,
aus dem ſo etwas ſchlechtes und leſerliches kömt als die — Dinte
des ſeinigen iſt. Denn es ſol ſympathetiſche ſein; ſie iſt aber ſo elend 20
ausgefallen, daß ich verſchiedne Worte, ohne vorhergehende Mani-
pulazion, habe leſen können.
Sonſt iſt nichts. Des hiſtoriſchen Aufſazes Einleitung von 3 Seiten
iſt mit ſoviel Geſchmak, Humor und Leichtigkeit geſchrieben, daß Sie,
meine 2 Herren, wünſchen werden, er gäbe ganzen Abhandlungen 25
dieſe Melodie. Da es einen ausgeſchriebnen Styl wie eine aus-
geſchriebne Hand giebt: ſo hat der immerwährende Sekretair im
Namen der ganzen Akademie wol einiges Recht, die Aufſäze, deren
Geburt iener Styl vorausſezt, haben zu wollen. Was noch nicht
geboren iſt, mus der H. Verfaſſer nach den Geſezen unſrer Akademie zu 30
zeugen eilen; er mus aber nicht paſſen bis die Akademie tod iſt. Amen!
Die Rede genierte mich. Am meiſten nüzt und gefält mir dein
Diſtinguieren, das der Geſchichte ſo nöthig und ungewöhnlich iſt als
*) Die Akademie, zu deren Mitglied man dich aufgenommen, beſteht iezt aus
2 Man (oder Mängen), dir und mir — ich halte die Rede und über dich wird ſie 35
gehalten und an uns beide.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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