Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.Sache, nicht an den Autor, den handhabst du nur wie Werkzeug, wie Ich habe dirs also schon gesagt, wie sehr es mir gefället, daß du in Mach deine Vierteljährige Arbeit ia nicht anders; es stärkt eine Möser und Voltaire verstecken allemal den Kern in die polierte Gegen deine Vereinigung beider Meinungen ist wol nichts zu sagen. Sache, nicht an den Autor, den handhabſt du nur wie Werkzeug, wie Ich habe dirs alſo ſchon geſagt, wie ſehr es mir gefället, daß du in Mach deine Vierteljährige Arbeit ia nicht anders; es ſtärkt eine Möſer und Voltaire verſtecken allemal den Kern in die polierte Gegen deine Vereinigung beider Meinungen iſt wol nichts zu ſagen. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0352" n="326"/> Sache, nicht an den Autor, den handhabſt du nur wie Werkzeug, wie<lb/> die Gräfin an dem Muſikmeiſter nur von ſeinen Fingern Notiz nimt;<lb/> der ganze unmuſikaliſche Rumpf geht ſie gar nichts an. Nichts iſt ver-<lb/> ächtl<metamark>[</metamark>icher<metamark>]</metamark>, als wenn ein Menſch in der Hand eines Menſch<metamark>[</metamark>en<metamark>]</metamark> ein<lb/> bloſſes Werkzeug iſt. Ein Autor iſts aber nicht, ſobald er zu machen weis,<lb n="5"/> daß wir die Wiſſenſchaft mehr ſeinetwegen als ihn der Wiſſenſchaft<lb/> wegen anhören und tragen — und dies weis er zu machen, ſobald er<lb/> nicht mit iſolierten Seelenkräften — gewiſſe Menſchen vermögen wenn<lb/> ſie in einer Wiſſenſchaft ackern, ſich nicht auf das zu beſinnen was ſie<lb/> aus einer anderen wiſſen — ſondern mit einem volſtimmigen Konzert<lb n="10"/> aller Kräfte zu uns redet und ſobald er nicht blos den Kopf vorſtekt<lb/> ſondern auch das Herz. Aus dem Muſikmeiſter wird der Freund, deſſen<lb/> Perſonalien uns dan intereſſieren. Von Voltaire, Kardan, Herder ꝛc.<lb/> ꝛc. ꝛc. möcht’ ich ſogar die Hoſen, das Schlafzimmer und das Kinds<lb/> Schreibbuch ſehen; aber vom ſonſt vortreflichen Pütter, Erneſti,<lb n="15"/> Baumgarten, Rennebaum keinen Fezen — was geht mich ihr Haus-<lb/> halten an?</p><lb/> <p>Ich habe dirs alſo ſchon geſagt, wie ſehr es mir gefället, daß du in<lb/> deiner Abhandlung (ein anders mal übertitle ſie) leibſt und lebſt und daß<lb/> du deinen Abgus in keinen ſpröden, brüchigen, ſandigen Thon ſondern<lb n="20"/> in aufgreiffendes Wachs zu drücken gewuſt. Ganz ſo hab ichs haben<lb/> wollen und ſo windet ſich eine ſonſt ſo trokne Materie um einen mit<lb/> Epheuſchlingen herum. Am liebſten wars mir, daß du mich mit nach<lb/> Mariakulm genommen (du wurdeſt von einem ganz anderen mit-<lb/> genommen) und mich als Zizerone unter den Antiken der Natur herum-<lb n="25"/> geführet und daß du das Abendroth der Seele, nämlich SeelenRuhe,<lb/> in deinen Landſchaftshimmel hineingemalt.</p><lb/> <p>Mach deine Vierteljährige Arbeit ia nicht anders; es ſtärkt eine<lb/> ſolche Einkleidung und eine ſolche Einwebung fremder Materie den<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_345">[345]</ref></note>Verfaſſer ſelbſt unter der einförmigen Anſtrengung und es iſt, als<lb n="30"/> machſt du das Fenſter des Schreibtiſches dem Dufte der Bäume<lb/> drauſſen auf.</p><lb/> <p>Möſer und Voltaire verſtecken allemal den Kern in die polierte<lb/> Schale ſo, daß ſie alzeit am Ende der Abhandlung noch einen Blik<lb/> auf die Einkleidung werfen als wäre dieſe der Zwek und nicht das<lb n="35"/> Mittel geweſen.</p><lb/> <p>Gegen deine Vereinigung beider Meinungen iſt wol nichts zu ſagen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [326/0352]
Sache, nicht an den Autor, den handhabſt du nur wie Werkzeug, wie
die Gräfin an dem Muſikmeiſter nur von ſeinen Fingern Notiz nimt;
der ganze unmuſikaliſche Rumpf geht ſie gar nichts an. Nichts iſt ver-
ächtl[icher], als wenn ein Menſch in der Hand eines Menſch[en] ein
bloſſes Werkzeug iſt. Ein Autor iſts aber nicht, ſobald er zu machen weis, 5
daß wir die Wiſſenſchaft mehr ſeinetwegen als ihn der Wiſſenſchaft
wegen anhören und tragen — und dies weis er zu machen, ſobald er
nicht mit iſolierten Seelenkräften — gewiſſe Menſchen vermögen wenn
ſie in einer Wiſſenſchaft ackern, ſich nicht auf das zu beſinnen was ſie
aus einer anderen wiſſen — ſondern mit einem volſtimmigen Konzert 10
aller Kräfte zu uns redet und ſobald er nicht blos den Kopf vorſtekt
ſondern auch das Herz. Aus dem Muſikmeiſter wird der Freund, deſſen
Perſonalien uns dan intereſſieren. Von Voltaire, Kardan, Herder ꝛc.
ꝛc. ꝛc. möcht’ ich ſogar die Hoſen, das Schlafzimmer und das Kinds
Schreibbuch ſehen; aber vom ſonſt vortreflichen Pütter, Erneſti, 15
Baumgarten, Rennebaum keinen Fezen — was geht mich ihr Haus-
halten an?
Ich habe dirs alſo ſchon geſagt, wie ſehr es mir gefället, daß du in
deiner Abhandlung (ein anders mal übertitle ſie) leibſt und lebſt und daß
du deinen Abgus in keinen ſpröden, brüchigen, ſandigen Thon ſondern 20
in aufgreiffendes Wachs zu drücken gewuſt. Ganz ſo hab ichs haben
wollen und ſo windet ſich eine ſonſt ſo trokne Materie um einen mit
Epheuſchlingen herum. Am liebſten wars mir, daß du mich mit nach
Mariakulm genommen (du wurdeſt von einem ganz anderen mit-
genommen) und mich als Zizerone unter den Antiken der Natur herum- 25
geführet und daß du das Abendroth der Seele, nämlich SeelenRuhe,
in deinen Landſchaftshimmel hineingemalt.
Mach deine Vierteljährige Arbeit ia nicht anders; es ſtärkt eine
ſolche Einkleidung und eine ſolche Einwebung fremder Materie den
Verfaſſer ſelbſt unter der einförmigen Anſtrengung und es iſt, als 30
machſt du das Fenſter des Schreibtiſches dem Dufte der Bäume
drauſſen auf.
[345]
Möſer und Voltaire verſtecken allemal den Kern in die polierte
Schale ſo, daß ſie alzeit am Ende der Abhandlung noch einen Blik
auf die Einkleidung werfen als wäre dieſe der Zwek und nicht das 35
Mittel geweſen.
Gegen deine Vereinigung beider Meinungen iſt wol nichts zu ſagen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |