Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.Daher ist dieses Papier unbeschnitten: denn die Männer lassen Wie bekant brach' ich am Johannistag 1780 zu Nachts um 12 Uhr Sonne. Denn ich dachte, da man alle schönen Schönen mit ihr vergleicht:[360] Die Sache ist so: nicht der Himmel, sondern die, 30 Meilen hohe Sie können also denken, wie ich erschrak. -- Da es nicht weiter zur Ich war halb des Todes vor Verwunderung, da ich endlich in den30 Daher iſt dieſes Papier unbeſchnitten: denn die Männer laſſen Wie bekant brach’ ich am Johannistag 1780 zu Nachts um 12 Uhr Sonne. Denn ich dachte, da man alle ſchönen Schönen mit ihr vergleicht:[360] Die Sache iſt ſo: nicht der Himmel, ſondern die, 30 Meilen hohe Sie können alſo denken, wie ich erſchrak. — Da es nicht weiter zur Ich war halb des Todes vor Verwunderung, da ich endlich in den30 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0367" n="341"/> <p>Daher iſt dieſes Papier unbeſchnitten: denn die Männer laſſen<lb/> allemal von ihren Frauen ihre Briefe rändern und ich hab weder<lb/> Scheere noch Frau.</p><lb/> <p>Wie bekant brach’ ich am Johannistag 1780 zu Nachts um 12 Uhr<lb/> auf, lies meinen unverheiratheten Körper im Bette liegen und flog<lb n="5"/> aus der ſchlafenden Erde weg. Mein erſter Flug war nach dem gröſten<lb/> Stern, nach der</p><lb/> <div> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Sonne.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Denn ich dachte, da man alle ſchönen Schönen mit ihr vergleicht:<note place="right"><ref target="1922_Bd#_360">[360]</ref></note><lb/> ſo wird droben ſchon was hübſches ſein. Ich mochte kaum 30 Meilen<lb n="10"/> von dem Erdklümpgen wegſein, als der blaue Himmel immer ſchwärzer<lb/> wurde: endlich ſchos noch dazu die fliegende Erde unter meinen Füſſen<lb/> weg und lies mich die Sonne ſehen, die zu Nachts auf die amerikaniſchen<lb/> Köpfe ſtralte. Der Himmel ſah aus wie ein ſchwarz ausgeſchlagenes<lb/> Trauerzimmer mit einem flammenden Kronenleuchter in der<lb n="15"/> Mitte.</p><lb/> <p>Die Sache iſt ſo: nicht der Himmel, ſondern die, 30 Meilen hohe<lb/> Luft, in der wir waten, iſt blau. Wenn Sie ſich fragen, warum aber die<lb/> Stube nicht blau iſt, die mit Luft volgeſchlichtet iſt: ſo werden Sie ſich<lb/> antworten, daß 1 Tropfen Burgunder nicht roth ausſieht, ſondern erſt<lb n="20"/> eine Bouteille Burgunder. Über unſrer Luft drauſſen ſteht das ſchwarze<lb/> Himmelsgewölbe vor uns, in dem wie in ſchwarzer Einfaſſung die<lb/> Feuerkugel funkelt.</p><lb/> <p>Sie können alſo denken, wie ich erſchrak. — Da es nicht weiter zur<lb/> Sonne war als 21 Millionen Meilen — wär’ ich im Winter gereiſet,<lb n="25"/> ſo hätt’ ich ½ Million Umweg erſpart, weil da die Erde ihr näher<lb/> ſizt —: ſo war ich in einer halben Viertelſtunde droben; und in einer<lb/> halben Viertelſtunde iſt allemal ein Sonnenſtral herunter: ſo geſchwind<lb/> fahren Seelen und Stralen.</p><lb/> <p>Ich war halb des Todes vor Verwunderung, da ich endlich in den<lb n="30"/> Feuer-See hineinfiel — nicht über den Feuer-See ſondern über den<lb/> Ameishaufen Frauenzimmerſeelen, die da plätſcherten. Alle Frauen-<lb/> zimmer ſind nämlich eh ſie geboren werden, da oben und Sie kommen<lb/> auch aus der Sonne. Daher kömts, daß die Augen von mancher ſo<lb/> brennen wie die Sonne — oder daß die Zunge ſo ſchwärzet wie dieſe —<lb n="35"/> oder daß ihre Nähe ſo warm macht wie dieſe. Da ich der erſte <hi rendition="#aq">Chapeau</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [341/0367]
Daher iſt dieſes Papier unbeſchnitten: denn die Männer laſſen
allemal von ihren Frauen ihre Briefe rändern und ich hab weder
Scheere noch Frau.
Wie bekant brach’ ich am Johannistag 1780 zu Nachts um 12 Uhr
auf, lies meinen unverheiratheten Körper im Bette liegen und flog 5
aus der ſchlafenden Erde weg. Mein erſter Flug war nach dem gröſten
Stern, nach der
Sonne.
Denn ich dachte, da man alle ſchönen Schönen mit ihr vergleicht:
ſo wird droben ſchon was hübſches ſein. Ich mochte kaum 30 Meilen 10
von dem Erdklümpgen wegſein, als der blaue Himmel immer ſchwärzer
wurde: endlich ſchos noch dazu die fliegende Erde unter meinen Füſſen
weg und lies mich die Sonne ſehen, die zu Nachts auf die amerikaniſchen
Köpfe ſtralte. Der Himmel ſah aus wie ein ſchwarz ausgeſchlagenes
Trauerzimmer mit einem flammenden Kronenleuchter in der 15
Mitte.
[360]
Die Sache iſt ſo: nicht der Himmel, ſondern die, 30 Meilen hohe
Luft, in der wir waten, iſt blau. Wenn Sie ſich fragen, warum aber die
Stube nicht blau iſt, die mit Luft volgeſchlichtet iſt: ſo werden Sie ſich
antworten, daß 1 Tropfen Burgunder nicht roth ausſieht, ſondern erſt 20
eine Bouteille Burgunder. Über unſrer Luft drauſſen ſteht das ſchwarze
Himmelsgewölbe vor uns, in dem wie in ſchwarzer Einfaſſung die
Feuerkugel funkelt.
Sie können alſo denken, wie ich erſchrak. — Da es nicht weiter zur
Sonne war als 21 Millionen Meilen — wär’ ich im Winter gereiſet, 25
ſo hätt’ ich ½ Million Umweg erſpart, weil da die Erde ihr näher
ſizt —: ſo war ich in einer halben Viertelſtunde droben; und in einer
halben Viertelſtunde iſt allemal ein Sonnenſtral herunter: ſo geſchwind
fahren Seelen und Stralen.
Ich war halb des Todes vor Verwunderung, da ich endlich in den 30
Feuer-See hineinfiel — nicht über den Feuer-See ſondern über den
Ameishaufen Frauenzimmerſeelen, die da plätſcherten. Alle Frauen-
zimmer ſind nämlich eh ſie geboren werden, da oben und Sie kommen
auch aus der Sonne. Daher kömts, daß die Augen von mancher ſo
brennen wie die Sonne — oder daß die Zunge ſo ſchwärzet wie dieſe — 35
oder daß ihre Nähe ſo warm macht wie dieſe. Da ich der erſte Chapeau
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |