lange nicht geschrieben hatten; nur Ihr Brief selbst sagte mir, daß die Entfernung des Orts mir noch nicht ganz Ihre Liebe, Ihr Andenken entrissen habe. Sie werden's wenig[stens] sonst empfunden haben, wenn Sie's gleich iezt nicht mer fülten, wie angenem iede Nachricht, iede Zeile, von denen ist, die man in seinem Vater[lande] zurük-5 gelassen hat, wie [man] iede auch unbedeutende Sache [?] von ihnen mit warmem Herzen aufnimt, und wie die kleinste Gewonheit [?] uns mit süssem Vergnügen erfült, da sie an die grossen Freuden wieder erinnert. Sie werden mir es also vergeben, wenn ich [mit] Ungedult auf Ihren Brief hofte; Sie werden mir aber glauben, wenn ich sage, daß10 ich ihn mit grossem Vergnügen empfangen habe. Erst Ihre Erlaubnis must' ich haben, um anstat den Titel, den Ihnen meine Ererbietung schuldig ist, den zu sezzen, welchen mir mein Herz sagt. Auf der ersten Seite waren Sie so gut, Sachen zu schreiben, die mich schmeichelten, wenn ich -- eitel wäre. [Nie] werd' ich Höhen zu ersteigen suchen, die15 für mich zu steil sind, und die vielleicht mir wenig helfen würden, wenn ich sie würde erstiegen haben. Wissen Sie nicht, daß auf hohen Bergen die Luft zu dün ist, als daß ein gewönliches Erdengeschöpf da atmen könte? -- Sie verstehen mich. Doch ich kenn' Ihr Herz und Ihren Ver- stand zu gut, als daß ich diese .... für etwas anders als liebreiche An-20 spornung zum Fleis, und klug gewältes Gegenmittel gegen die Träg-[16] heit ansehen solte.
Ich möchte Ihnen so viel schreiben, als ich iezt im Kopf habe; aber das hätte für viele Bögen nicht Raum genug. Ich wil also kurz sein. Auch noch iezt ist meine Vermutung wegen des exspectari noch nicht25 widerlegt; sie ist bestärkt worden. Ich habe hier noch keine Informazion, keinen Tisch, keine Bekantschaft mit Studenten, noch gar nichts. Es ist eben nicht ganz leicht, Zutrit bei den Professoren zu erhalten. Die- ienigen, die eigentlich berümt sind, und deren Liebe mir nötig genug wäre, sind von einem Haufen Geschäfte umringt, von einer Menge30 von andern vornemen [?] Personen ..., von einem Schwarm niederer Schmeichler umlagert, daß ieder den nicht sein Kleid und sein Stand empfielt, nur erst mit Mühe ihr Bekanter wird. Und geradezu [?] mit einem Professor sprechen wollen, der kein Stipendium, oder Tisch etc. zu vergeben hat, hiesse wol sich dem Verdacht der Eitelkeit aussezzen.35 Bedenk' ich noch die Menge von armen Studenten, die sich [durch den] Hunger auf ihrem Gesicht so leicht [?] verraten, die Menge von
lange nicht geſchrieben hatten; nur Ihr Brief ſelbſt ſagte mir, daß die Entfernung des Orts mir noch nicht ganz Ihre Liebe, Ihr Andenken entriſſen habe. Sie werden’s wenig[ſtens] ſonſt empfunden haben, wenn Sie’s gleich iezt nicht mer fülten, wie angenem iede Nachricht, iede Zeile, von denen iſt, die man in ſeinem Vater[lande] zurük-5 gelaſſen hat, wie [man] iede auch unbedeutende Sache [?] von ihnen mit warmem Herzen aufnimt, und wie die kleinſte Gewonheit [?] uns mit ſüſſem Vergnügen erfült, da ſie an die groſſen Freuden wieder erinnert. Sie werden mir es alſo vergeben, wenn ich [mit] Ungedult auf Ihren Brief hofte; Sie werden mir aber glauben, wenn ich ſage, daß10 ich ihn mit groſſem Vergnügen empfangen habe. Erſt Ihre Erlaubnis muſt’ ich haben, um anſtat den Titel, den Ihnen meine Ererbietung ſchuldig iſt, den zu ſezzen, welchen mir mein Herz ſagt. Auf der erſten Seite waren Sie ſo gut, Sachen zu ſchreiben, die mich ſchmeichelten, wenn ich — eitel wäre. [Nie] werd’ ich Höhen zu erſteigen ſuchen, die15 für mich zu ſteil ſind, und die vielleicht mir wenig helfen würden, wenn ich ſie würde erſtiegen haben. Wiſſen Sie nicht, daß auf hohen Bergen die Luft zu dün iſt, als daß ein gewönliches Erdengeſchöpf da atmen könte? — Sie verſtehen mich. Doch ich kenn’ Ihr Herz und Ihren Ver- ſtand zu gut, als daß ich dieſe .... für etwas anders als liebreiche An-20 ſpornung zum Fleis, und klug gewältes Gegenmittel gegen die Träg-[16] heit anſehen ſolte.
Ich möchte Ihnen ſo viel ſchreiben, als ich iezt im Kopf habe; aber das hätte für viele Bögen nicht Raum genug. Ich wil alſo kurz ſein. Auch noch iezt iſt meine Vermutung wegen des exspectari noch nicht25 widerlegt; ſie iſt beſtärkt worden. Ich habe hier noch keine Informazion, keinen Tiſch, keine Bekantſchaft mit Studenten, noch gar nichts. Es iſt eben nicht ganz leicht, Zutrit bei den Profeſſoren zu erhalten. Die- ienigen, die eigentlich berümt ſind, und deren Liebe mir nötig genug wäre, ſind von einem Haufen Geſchäfte umringt, von einer Menge30 von andern vornemen [?] Perſonen …, von einem Schwarm niederer Schmeichler umlagert, daß ieder den nicht ſein Kleid und ſein Stand empfielt, nur erſt mit Mühe ihr Bekanter wird. Und geradezu [?] mit einem Profeſſor ſprechen wollen, der kein Stipendium, oder Tiſch ꝛc. zu vergeben hat, hieſſe wol ſich dem Verdacht der Eitelkeit ausſezzen.35 Bedenk’ ich noch die Menge von armen Studenten, die ſich [durch den] Hunger auf ihrem Geſicht ſo leicht [?] verraten, die Menge von
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gelaſſen hat, wie [man] iede auch unbedeutende Sache [?] von ihnen
mit warmem Herzen aufnimt, und wie die kleinſte Gewonheit [?] uns
mit ſüſſem Vergnügen erfült, da ſie an die groſſen Freuden wieder
erinnert. Sie werden mir es alſo vergeben, wenn ich [mit] Ungedult auf
Ihren Brief hofte; Sie werden mir aber glauben, wenn ich ſage, daß 10
ich ihn mit groſſem Vergnügen empfangen habe. Erſt Ihre Erlaubnis
muſt’ ich haben, um anſtat den Titel, den Ihnen meine Ererbietung
ſchuldig iſt, den zu ſezzen, welchen mir mein Herz ſagt. Auf der erſten
Seite waren Sie ſo gut, Sachen zu ſchreiben, die mich ſchmeichelten,
wenn ich — eitel wäre. [Nie] werd’ ich Höhen zu erſteigen ſuchen, die 15
für mich zu ſteil ſind, und die vielleicht mir wenig helfen würden, wenn
ich ſie würde erſtiegen haben. Wiſſen Sie nicht, daß auf hohen Bergen
die Luft zu dün iſt, als daß ein gewönliches Erdengeſchöpf da atmen
könte? — Sie verſtehen mich. Doch ich kenn’ Ihr Herz und Ihren Ver-
ſtand zu gut, als daß ich dieſe .... für etwas anders als liebreiche An- 20
ſpornung zum Fleis, und klug gewältes Gegenmittel gegen die Träg-
heit anſehen ſolte.
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Ich möchte Ihnen ſo viel ſchreiben, als ich iezt im Kopf habe; aber
das hätte für viele Bögen nicht Raum genug. Ich wil alſo kurz ſein.
Auch noch iezt iſt meine Vermutung wegen des exspectari noch nicht 25
widerlegt; ſie iſt beſtärkt worden. Ich habe hier noch keine Informazion,
keinen Tiſch, keine Bekantſchaft mit Studenten, noch gar nichts. Es iſt
eben nicht ganz leicht, Zutrit bei den Profeſſoren zu erhalten. Die-
ienigen, die eigentlich berümt ſind, und deren Liebe mir nötig genug
wäre, ſind von einem Haufen Geſchäfte umringt, von einer Menge 30
von andern vornemen [?] Perſonen …, von einem Schwarm niederer
Schmeichler umlagert, daß ieder den nicht ſein Kleid und ſein Stand
empfielt, nur erſt mit Mühe ihr Bekanter wird. Und geradezu [?] mit
einem Profeſſor ſprechen wollen, der kein Stipendium, oder Tiſch ꝛc. zu
vergeben hat, hieſſe wol ſich dem Verdacht der Eitelkeit ausſezzen. 35
Bedenk’ ich noch die Menge von armen Studenten, die ſich [durch den]
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/37>, abgerufen am 03.12.2024.
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