hört ihn nicht mer. Warlich Pope hat Recht, den Rum ein ein- gebildetes Leben in dem Odem des andern zu nennen. -- Der D. Barthd [!] in Halle läst sich's gut sein. Jezt hat er gerade soviel Pension und so wenig Titel, als er braucht, um mit den Studenten in die Wirtshäuser zu gehen und Brandewein zu trinken. Man hat ihm,5 glaub' ich, eine grosse Gefälligkeit getan, ihn von einem Teil seiner Erentitel zu entledigen; denn nun hat er gerade so wenig Ere, als nötig ist, um sie one Schande mannigmal verlieren zu können. Der D. Semler möchte gern seine Toleranz gegen ihn an den Tag legen; allein er kan ihm nicht beikommen. -- Zur Messe kommen verschiedne[20]10 wichtige Bücher heraus: Kant's Kritik der Vernunft; wizzig, frei und tiefgedacht! Garve's Übersezzung der Bücher Zizero's von den Pflichten, mit philosophischen Anmerkungen -- Mendelsson giebt etwas über den Karakter Lessing's heraus, und Platner neubearbeitet seine Aphorismen. Da ist ware Philosophie, die so selten ist, weil man15 soviel von ihr spricht. Platner ist unstreitig einer der besten Philosophen Deutschlands. Welch Glük für mich! sein Zuhörer sein. --
Neulich las ich in einem Buche die Inschrift auf Neuton's Monu- ment; sie ist zu schön, als daß ich sie nicht hersezzen solte:
Hic iacet Isaacus Neuton,20 Si nescis hunc, abito.
Diese Universität hat eben nicht viel grosse Männer: wenn man den Platner, Morus, Klodius und Dathe ausnimt; so findet man überal nur mittelmässige Leute. Dathe liest nicht gut, und hat noch dazu einen schlechten Vortrag; er weis auf dem Kateder nicht halb das Gute zu25 sagen, was er in seinen Büchern sagt. Man hat mer Nuzzen, wenn man ihn liest, als hört. Burscher -- das ist nun ein drollichter Man! Er hält sich beinahe mit für den grösten Geist auf Gotteserdboden, und hat den grösten Stolz, lächerlich sein zu können. Nämlich, wenn er die Reformazionsgeschichte liest, so erzält [er] gerade wie der gemeine30 Man erzält; dieselben Figuren, platten Ausdrükke und sogar dieselben Stellungen des Körpers! Die derben Satyren des D. Luther's besizt er alle im Original; diese liest er vor und sezt noch eine Dosis von eignem Wiz dazu. Alles läuft zu ihm; er hält sich das für die gröste Ere, und sieht nicht ein, daß man sich auf Unkosten seines Verstandes35 lustig macht, und daß, wer nicht in die Komödie gehen wil, sein Kollegium besucht und einen -- Harlekin auf dem Kateder belacht. --
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hört ihn nicht mer. Warlich Pope hat Recht, den Rum ein ein- gebildetes Leben in dem Odem des andern zu nennen. — Der D. Barthd [!] in Halle läſt ſich’s gut ſein. Jezt hat er gerade ſoviel Penſion und ſo wenig Titel, als er braucht, um mit den Studenten in die Wirtshäuſer zu gehen und Brandewein zu trinken. Man hat ihm,5 glaub’ ich, eine groſſe Gefälligkeit getan, ihn von einem Teil ſeiner Erentitel zu entledigen; denn nun hat er gerade ſo wenig Ere, als nötig iſt, um ſie one Schande mannigmal verlieren zu können. Der D. Semler möchte gern ſeine Toleranz gegen ihn an den Tag legen; allein er kan ihm nicht beikommen. — Zur Meſſe kommen verſchiedne[20]10 wichtige Bücher heraus: Kant’s Kritik der Vernunft; wizzig, frei und tiefgedacht! Garve’s Überſezzung der Bücher Zizero’s von den Pflichten, mit philoſophiſchen Anmerkungen — Mendelsſon giebt etwas über den Karakter Leſſing’s heraus, und Platner neubearbeitet ſeine Aphorismen. Da iſt ware Philoſophie, die ſo ſelten iſt, weil man15 ſoviel von ihr ſpricht. Platner iſt unſtreitig einer der beſten Philoſophen Deutſchlands. Welch Glük für mich! ſein Zuhörer ſein. —
Neulich las ich in einem Buche die Inſchrift auf Neuton’s Monu- ment; ſie iſt zu ſchön, als daß ich ſie nicht herſezzen ſolte:
Hic iacet Isaacus Neuton,20 Si nescis hunc, abito.
Dieſe Univerſität hat eben nicht viel groſſe Männer: wenn man den Platner, Morus, Klodius und Dathe ausnimt; ſo findet man überal nur mittelmäſſige Leute. Dathe lieſt nicht gut, und hat noch dazu einen ſchlechten Vortrag; er weis auf dem Kateder nicht halb das Gute zu25 ſagen, was er in ſeinen Büchern ſagt. Man hat mer Nuzzen, wenn man ihn lieſt, als hört. Burſcher — das iſt nun ein drollichter Man! Er hält ſich beinahe mit für den gröſten Geiſt auf Gotteserdboden, und hat den gröſten Stolz, lächerlich ſein zu können. Nämlich, wenn er die Reformazionsgeſchichte lieſt, ſo erzält [er] gerade wie der gemeine30 Man erzält; dieſelben Figuren, platten Ausdrükke und ſogar dieſelben Stellungen des Körpers! Die derben Satyren des D. Luther’s beſizt er alle im Original; dieſe lieſt er vor und ſezt noch eine Doſis von eignem Wiz dazu. Alles läuft zu ihm; er hält ſich das für die gröſte Ere, und ſieht nicht ein, daß man ſich auf Unkoſten ſeines Verſtandes35 luſtig macht, und daß, wer nicht in die Komödie gehen wil, ſein Kollegium beſucht und einen — Harlekin auf dem Kateder belacht. —
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Barthd [!] in Halle läſt ſich’s gut ſein. Jezt hat er gerade ſoviel
Penſion und ſo wenig Titel, als er braucht, um mit den Studenten in
die Wirtshäuſer zu gehen und Brandewein zu trinken. Man hat ihm, 5
glaub’ ich, eine groſſe Gefälligkeit getan, ihn von einem Teil ſeiner
Erentitel zu entledigen; denn nun hat er gerade ſo wenig Ere, als
nötig iſt, um ſie one Schande mannigmal verlieren zu können. Der
D. Semler möchte gern ſeine Toleranz gegen ihn an den Tag legen;
allein er kan ihm nicht beikommen. — Zur Meſſe kommen verſchiedne 10
wichtige Bücher heraus: Kant’s Kritik der Vernunft; wizzig, frei und
tiefgedacht! Garve’s Überſezzung der Bücher Zizero’s von den
Pflichten, mit philoſophiſchen Anmerkungen — Mendelsſon giebt
etwas über den Karakter Leſſing’s heraus, und Platner neubearbeitet
ſeine Aphorismen. Da iſt ware Philoſophie, die ſo ſelten iſt, weil man 15
ſoviel von ihr ſpricht. Platner iſt unſtreitig einer der beſten Philoſophen
Deutſchlands. Welch Glük für mich! ſein Zuhörer ſein. —
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Neulich las ich in einem Buche die Inſchrift auf Neuton’s Monu-
ment; ſie iſt zu ſchön, als daß ich ſie nicht herſezzen ſolte:
Hic iacet Isaacus Neuton, 20
Si nescis hunc, abito.
Dieſe Univerſität hat eben nicht viel groſſe Männer: wenn man den
Platner, Morus, Klodius und Dathe ausnimt; ſo findet man überal
nur mittelmäſſige Leute. Dathe lieſt nicht gut, und hat noch dazu einen
ſchlechten Vortrag; er weis auf dem Kateder nicht halb das Gute zu 25
ſagen, was er in ſeinen Büchern ſagt. Man hat mer Nuzzen, wenn
man ihn lieſt, als hört. Burſcher — das iſt nun ein drollichter Man!
Er hält ſich beinahe mit für den gröſten Geiſt auf Gotteserdboden,
und hat den gröſten Stolz, lächerlich ſein zu können. Nämlich, wenn er
die Reformazionsgeſchichte lieſt, ſo erzält [er] gerade wie der gemeine 30
Man erzält; dieſelben Figuren, platten Ausdrükke und ſogar dieſelben
Stellungen des Körpers! Die derben Satyren des D. Luther’s beſizt
er alle im Original; dieſe lieſt er vor und ſezt noch eine Doſis von
eignem Wiz dazu. Alles läuft zu ihm; er hält ſich das für die gröſte
Ere, und ſieht nicht ein, daß man ſich auf Unkoſten ſeines Verſtandes 35
luſtig macht, und daß, wer nicht in die Komödie gehen wil, ſein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/42>, abgerufen am 03.12.2024.
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