Man hat ihn mit soviel Titel belegt, daß er Mühe hat zu wissen, was er ist; ihm soviel Ämter gegeben, daß er die Macht hat, keines recht zu verwalten, und soviel Verdienste in Gestalt des Sterns etc. von aussen an- gehangen, daß er inwendig keine zu haben braucht. Eine ware Schöp- fung aus -- Nichts! Ortodox? das versteht sich von selbst, daß er's ist:5 man hätt' ihn nicht so belont, wenn er grössern Verstand hätte. -- Das Professorenvolk ist überhaupt das burleskeste Volk: sie haben [21]Originaltorheiten, und man hat Unrecht getan, immer den Land- geistlichen in ieder Satyre zu züchtigen. Einen Professor nach dem Leben zu malen! -- gewis das wäre der zweite Don Quichot, und sein10 Famulus sein Sancho Pansa. --
Die Mode ist hier der Tyran, unter dem sich alles beugt; ob er wol niemals sich selbst gleich ist. Die Stuzzer bedekken die Strasse, bei schönen Tagen flattern sie herum wie die Schmetterlinge. Einer gleicht dem andern; sie sind wie Puppen im Marionettenspiele, und keiner hat15 das Herz, Er selbst zu sein. Das Hergen gaukelt hier von Toilette zu Toilette, von Assemblee zu Assemblee, stielt überal ein par Torheiten mit weg, lacht und weint, wie's dem andern beliebt, närt die Ge- selschaft von den Unverdaulichkeiten, die er in einer andern ein- gesamlet hat, und beschäftigt seinen Körper mit Essen und seine Sele20 mit Nichtstun, bis er ermüdet einschläft. Wen nicht seine Armut zwingt, klug zu sein, der wird in Leipzig der Nar, den ich iezt ge- schildert habe. Die meisten reichen Studenten sind dieses. --
Rousseau hat ser viel Schriften noch hinterlassen; in Manheim drukt man seine sämtl. Werke auf Pränumerazion mit den schönen25 lateinischen Lettern, mit welchen die alten Autoren gedrukt wurden. Ein herlicher Man! Im Original liest sich sein Emil noch einmal so schön; und seine Heloise, die ist zu gut, um nur gelobt zu werden. -- Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen noch keinen Aukzionskatalog geschikt habe; es waren erst zwei Aukzionen und in denselben meistens un-30 wichtige Bücher; nach der Messe werd' ich Ihnen den neusten schikken.
In diesem Jar ist ein Buch herausgekommen, betitelt: Charla- tanterien [!], gegen welches der Kezzeralmanach noch eine Kon- kordienformel ist. Recht wizzig ist es; es spast mit dem ganzen A. T. Es ist schon 3 mal aufgelegt. Wenn ich's zu kaufen bekommen kan, werd'35 ich Ihnen es schikken. Das ist sein Motto auf dem Titel: Wer Oren hat zu hören, der höre, Apokal. Wer eine Nase zu riechen, der rieche.
Man hat ihn mit ſoviel Titel belegt, daß er Mühe hat zu wiſſen, was er iſt; ihm ſoviel Ämter gegeben, daß er die Macht hat, keines recht zu verwalten, und ſoviel Verdienſte in Geſtalt des Sterns ꝛc. von auſſen an- gehangen, daß er inwendig keine zu haben braucht. Eine ware Schöp- fung aus — Nichts! Ortodox? das verſteht ſich von ſelbſt, daß er’s iſt:5 man hätt’ ihn nicht ſo belont, wenn er gröſſern Verſtand hätte. — Das Profeſſorenvolk iſt überhaupt das burleſkeſte Volk: ſie haben [21]Originaltorheiten, und man hat Unrecht getan, immer den Land- geiſtlichen in ieder Satyre zu züchtigen. Einen Profeſſor nach dem Leben zu malen! — gewis das wäre der zweite Don Quichot, und ſein10 Famulus ſein Sancho Panſa. —
Die Mode iſt hier der Tyran, unter dem ſich alles beugt; ob er wol niemals ſich ſelbſt gleich iſt. Die Stuzzer bedekken die Straſſe, bei ſchönen Tagen flattern ſie herum wie die Schmetterlinge. Einer gleicht dem andern; ſie ſind wie Puppen im Marionettenſpiele, und keiner hat15 das Herz, Er ſelbſt zu ſein. Das Hergen gaukelt hier von Toilette zu Toilette, von Aſſemblee zu Aſſemblee, ſtielt überal ein par Torheiten mit weg, lacht und weint, wie’s dem andern beliebt, närt die Ge- ſelſchaft von den Unverdaulichkeiten, die er in einer andern ein- geſamlet hat, und beſchäftigt ſeinen Körper mit Eſſen und ſeine Sele20 mit Nichtstun, bis er ermüdet einſchläft. Wen nicht ſeine Armut zwingt, klug zu ſein, der wird in Leipzig der Nar, den ich iezt ge- ſchildert habe. Die meiſten reichen Studenten ſind dieſes. —
Rouſſeau hat ſer viel Schriften noch hinterlaſſen; in Manheim drukt man ſeine ſämtl. Werke auf Pränumerazion mit den ſchönen25 lateiniſchen Lettern, mit welchen die alten Autoren gedrukt wurden. Ein herlicher Man! Im Original lieſt ſich ſein Emil noch einmal ſo ſchön; und ſeine Heloiſe, die iſt zu gut, um nur gelobt zu werden. — Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen noch keinen Aukzionskatalog geſchikt habe; es waren erſt zwei Aukzionen und in denſelben meiſtens un-30 wichtige Bücher; nach der Meſſe werd’ ich Ihnen den neuſten ſchikken.
In dieſem Jar iſt ein Buch herausgekommen, betitelt: Charla- tanterien [!], gegen welches der Kezzeralmanach noch eine Kon- kordienformel iſt. Recht wizzig iſt es; es ſpaſt mit dem ganzen A. T. Es iſt ſchon 3 mal aufgelegt. Wenn ich’s zu kaufen bekommen kan, werd’35 ich Ihnen es ſchikken. Das iſt ſein Motto auf dem Titel: Wer Oren hat zu hören, der höre, Apokal. Wer eine Naſe zu riechen, der rieche.
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man hätt’ ihn nicht ſo belont, wenn er gröſſern Verſtand hätte. —
Das Profeſſorenvolk iſt überhaupt das burleſkeſte Volk: ſie haben
Originaltorheiten, und man hat Unrecht getan, immer den Land-
geiſtlichen in ieder Satyre zu züchtigen. Einen Profeſſor nach dem
Leben zu malen! — gewis das wäre der zweite Don Quichot, und ſein 10
Famulus ſein Sancho Panſa. —
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Die Mode iſt hier der Tyran, unter dem ſich alles beugt; ob er wol
niemals ſich ſelbſt gleich iſt. Die Stuzzer bedekken die Straſſe, bei
ſchönen Tagen flattern ſie herum wie die Schmetterlinge. Einer gleicht
dem andern; ſie ſind wie Puppen im Marionettenſpiele, und keiner hat 15
das Herz, Er ſelbſt zu ſein. Das Hergen gaukelt hier von Toilette zu
Toilette, von Aſſemblee zu Aſſemblee, ſtielt überal ein par Torheiten
mit weg, lacht und weint, wie’s dem andern beliebt, närt die Ge-
ſelſchaft von den Unverdaulichkeiten, die er in einer andern ein-
geſamlet hat, und beſchäftigt ſeinen Körper mit Eſſen und ſeine Sele 20
mit Nichtstun, bis er ermüdet einſchläft. Wen nicht ſeine Armut
zwingt, klug zu ſein, der wird in Leipzig der Nar, den ich iezt ge-
ſchildert habe. Die meiſten reichen Studenten ſind dieſes. —
Rouſſeau hat ſer viel Schriften noch hinterlaſſen; in Manheim
drukt man ſeine ſämtl. Werke auf Pränumerazion mit den ſchönen 25
lateiniſchen Lettern, mit welchen die alten Autoren gedrukt wurden.
Ein herlicher Man! Im Original lieſt ſich ſein Emil noch einmal ſo
ſchön; und ſeine Heloiſe, die iſt zu gut, um nur gelobt zu werden. —
Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen noch keinen Aukzionskatalog geſchikt
habe; es waren erſt zwei Aukzionen und in denſelben meiſtens un- 30
wichtige Bücher; nach der Meſſe werd’ ich Ihnen den neuſten ſchikken.
In dieſem Jar iſt ein Buch herausgekommen, betitelt: Charla-
tanterien [!], gegen welches der Kezzeralmanach noch eine Kon-
kordienformel iſt. Recht wizzig iſt es; es ſpaſt mit dem ganzen A. T. Es
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ich Ihnen es ſchikken. Das iſt ſein Motto auf dem Titel: Wer Oren
hat zu hören, der höre, Apokal. Wer eine Naſe zu riechen, der rieche.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/43>, abgerufen am 21.11.2024.
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