deutschen Bücher. Die nach[geamten?] Satiren eines Popes reissen mich hin; ich fand [sie] im Orig[inal], im Horaz noch schöner; seine Kritik der Vernunft ist ein Meister[werk]; Horaz de arte poetica eben so. Jezt lieb' ich die lateinischen Autoren; ich habe das dumme Vor- urteil faren gelassen, von welchem ich durch eine ser schlechte Inf[or-5 mazion] von meinem lateinischen Lermeister bin angestekt worden. Lassen Sie mich hier eine kleine Ausschweifung über das Lesen der alten Autoren in den Schulen machen. Was ich sage, kan falsch sein; allein bei mir war es war. Um einen alten Autor nachzuamen, um ihn schön zu finden, um ihn zu lieben und sich mit ihm zu beschäftigen,10 mus man Geschmak haben.
18. An Frau Richter in Hof.
Geliebte Mama!
Ich erwarte täglich Briefe von Ihnen; ich hoffe immer, um von Ihnen Nachricht von dem zu empfangen, was zeither vorgegangen15 ist, und das Geld zu erhalten, um das ich Sie gebeten habe. Allein[35] ich erfare, ich sehe nichts von Ihnen -- Sie lassen mich zwischen Furcht und Hofnung. Ich hab' Ihnen schon neulich um Geld geschrieben; und da hab' ich schon viel geborgt gehabt; iezt hab' ich noch keines, ich borg' also immer fort. Aber auf was sol ich denn endlich warten? Sein20 Sie so gütig und verschaffen Sie mir Rat. Ich mus doch essen, und kan nicht unaufhörlich beim Trakteur borgen -- Ich mus einheizen; wo sol ich aber Holz bekommen, ohne Geld? Ich kan ia nicht erfrieren. Für meine Gesundheit kan ich überhaupt nicht sorgen; ich habe weder Morgends noch Abends etwas Warmes. Ich habe Sie um 20 rtl.25 sächs. gebeten, iezt ist schon lange; wenn ich's bekommen werde, so werde ich kaum das bezalen können, was ich schon schuldig bin. Glauben Sie nicht, daß ich Sie unnötiger Weise um Geld bitten werde, um verschwendrisch leben zu können -- Ich weis wie nötig Sie es iezt brauchen. Allein helfen Sie mir nur iezt; ich denke, Sie30 sollen mir nachher mit Gottes Hülfe, lange nicht helfen dürfen. Es mus gehen; vielleicht hilft mir das Mittel, das ich im Kopfe habe, zu Gelde. Allein iezt mus ich Geld haben; ich wüste warlich nicht, was ich anfangen solte, wenn Sie mir entweder keines schikten, oder mich doch lange warten liessen. -- Nun was machen Sie denn iezt? Sind35
3 Jean Paul Briefe. I.
deutſchen Bücher. Die nach[geamten?] Satiren eines Popes reiſſen mich hin; ich fand [ſie] im Orig[inal], im Horaz noch ſchöner; ſeine Kritik der Vernunft iſt ein Meiſter[werk]; Horaz de arte poetica eben ſo. Jezt lieb’ ich die lateiniſchen Autoren; ich habe das dumme Vor- urteil faren gelaſſen, von welchem ich durch eine ſer ſchlechte Inf[or-5 mazion] von meinem lateiniſchen Lermeiſter bin angeſtekt worden. Laſſen Sie mich hier eine kleine Ausſchweifung über das Leſen der alten Autoren in den Schulen machen. Was ich ſage, kan falſch ſein; allein bei mir war es war. Um einen alten Autor nachzuamen, um ihn ſchön zu finden, um ihn zu lieben und ſich mit ihm zu beſchäftigen,10 mus man Geſchmak haben.
18. An Frau Richter in Hof.
Geliebte Mama!
Ich erwarte täglich Briefe von Ihnen; ich hoffe immer, um von Ihnen Nachricht von dem zu empfangen, was zeither vorgegangen15 iſt, und das Geld zu erhalten, um das ich Sie gebeten habe. Allein[35] ich erfare, ich ſehe nichts von Ihnen — Sie laſſen mich zwiſchen Furcht und Hofnung. Ich hab’ Ihnen ſchon neulich um Geld geſchrieben; und da hab’ ich ſchon viel geborgt gehabt; iezt hab’ ich noch keines, ich borg’ alſo immer fort. Aber auf was ſol ich denn endlich warten? Sein20 Sie ſo gütig und verſchaffen Sie mir Rat. Ich mus doch eſſen, und kan nicht unaufhörlich beim Trakteur borgen — Ich mus einheizen; wo ſol ich aber Holz bekommen, ohne Geld? Ich kan ia nicht erfrieren. Für meine Geſundheit kan ich überhaupt nicht ſorgen; ich habe weder Morgends noch Abends etwas Warmes. Ich habe Sie um 20 rtl.25 ſächſ. gebeten, iezt iſt ſchon lange; wenn ich’s bekommen werde, ſo werde ich kaum das bezalen können, was ich ſchon ſchuldig bin. Glauben Sie nicht, daß ich Sie unnötiger Weiſe um Geld bitten werde, um verſchwendriſch leben zu können — Ich weis wie nötig Sie es iezt brauchen. Allein helfen Sie mir nur iezt; ich denke, Sie30 ſollen mir nachher mit Gottes Hülfe, lange nicht helfen dürfen. Es mus gehen; vielleicht hilft mir das Mittel, das ich im Kopfe habe, zu Gelde. Allein iezt mus ich Geld haben; ich wüſte warlich nicht, was ich anfangen ſolte, wenn Sie mir entweder keines ſchikten, oder mich doch lange warten lieſſen. — Nun was machen Sie denn iezt? Sind35
3 Jean Paul Briefe. I.
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ſo. Jezt lieb’ ich die lateiniſchen Autoren; ich habe das dumme Vor-
urteil faren gelaſſen, von welchem ich durch eine ſer ſchlechte Inf[or- 5
mazion] von meinem lateiniſchen Lermeiſter bin angeſtekt worden.
Laſſen Sie mich hier eine kleine Ausſchweifung über das Leſen der
alten Autoren in den Schulen machen. Was ich ſage, kan falſch ſein;
allein bei mir war es war. Um einen alten Autor nachzuamen, um
ihn ſchön zu finden, um ihn zu lieben und ſich mit ihm zu beſchäftigen, 10
mus man Geſchmak haben.
18. An Frau Richter in Hof.
Geliebte Mama!
Ich erwarte täglich Briefe von Ihnen; ich hoffe immer, um von
Ihnen Nachricht von dem zu empfangen, was zeither vorgegangen 15
iſt, und das Geld zu erhalten, um das ich Sie gebeten habe. Allein
ich erfare, ich ſehe nichts von Ihnen — Sie laſſen mich zwiſchen Furcht
und Hofnung. Ich hab’ Ihnen ſchon neulich um Geld geſchrieben;
und da hab’ ich ſchon viel geborgt gehabt; iezt hab’ ich noch keines, ich
borg’ alſo immer fort. Aber auf was ſol ich denn endlich warten? Sein 20
Sie ſo gütig und verſchaffen Sie mir Rat. Ich mus doch eſſen, und kan
nicht unaufhörlich beim Trakteur borgen — Ich mus einheizen; wo ſol
ich aber Holz bekommen, ohne Geld? Ich kan ia nicht erfrieren. Für
meine Geſundheit kan ich überhaupt nicht ſorgen; ich habe weder
Morgends noch Abends etwas Warmes. Ich habe Sie um 20 rtl. 25
ſächſ. gebeten, iezt iſt ſchon lange; wenn ich’s bekommen werde, ſo
werde ich kaum das bezalen können, was ich ſchon ſchuldig bin.
Glauben Sie nicht, daß ich Sie unnötiger Weiſe um Geld bitten
werde, um verſchwendriſch leben zu können — Ich weis wie nötig
Sie es iezt brauchen. Allein helfen Sie mir nur iezt; ich denke, Sie 30
ſollen mir nachher mit Gottes Hülfe, lange nicht helfen dürfen. Es mus
gehen; vielleicht hilft mir das Mittel, das ich im Kopfe habe, zu
Gelde. Allein iezt mus ich Geld haben; ich wüſte warlich nicht, was ich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/56>, abgerufen am 27.11.2024.
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