Reize beizulegen, die nicht die seinigen sind, und die selten, oft blos durch das Ungefär, an ihm wirklich werden. -- Sie verlieren Ihre Freiheit, die Sie noch nicht schäzzen können, weil Sie sie noch nicht vermist haben und deren Vortref[lichkeit] Sie erst ihr Verlust leren wird. Die Freiheit ist überhaupt, wie vieles andre, ein Gut, dessen5 Dasein weniger Vergnügen bringt als seine Abwesenheit Schmerzen. -- Ich weis nicht, ob Sie an Handarbeit gewönt sind; aber das weis [ich], daß sie Ihnen beschwerlich sein wird, sobald Sie sie aus Zwang tun müssen und sobald sie durch die öftere Wiederholung Ekkel, Ein- förmigkeit und Ermüdung verursacht. -- Haben Sie bedacht, was Sie10 waren, und was Sie werden wolten? Ein Sprung von einem Studen- ten zum -- herab? Würd' ich Sie nicht beleidigen, wenn ich auch nur den Namen dieser Sache hersezte? Ich mache mich soviel als möglich vom Einflusse der Urteile andrer unabhängig; allein so viel könt' ich nicht ertragen, was Sie ertragen wollen, und was Sie, wenn Sie15 studirten, bei der unvolk[ommensten] Veränderung Ihres Glüks nie[37] zu ertragen würden nötig haben. Ihre Freunde können sich die Behand- lung, die Sie iezt von andern erwarten müssen, one Widerwillen [?] kaum denken; und Sie, Sie wollen sie leiden? -- Sie müsten mer oder weniger Herman sein, um sie one -- Reue und Widerwillen [?] zu20 leiden. -- Daß Ihre iezzige Lebensart für die Gesundheit gar nicht vorteilhaft ist, daß das immerwärende Einziehen schärf[ster] und schädlicher Dünste und der Reiz feiner und schärf[ster] Pulverteilgen, der Lunge nicht zuträglich sein kan, und daß die Zubereitung der Gifte oft eben so schädlich ist als ihr Gebrauch -- dies mag ich kaum er-25 wänen. Aber daß Sie zuviele Jare haben, um lange Zeit blos die Arbeiten zu tun, die blos für ein geringes Alter gehören -- daß Sie auch als Geselle noch tausend Beschwerlichkeiten ausgesezt sind, und daß Sie es immer bleiben, bis Sie eine Apoteke bekommen, die so selten als teuer ist; daß die chemischen Versuche des H. Fischer, die Sie30 so unwiderstehlich hinreissen, nicht unausgesezt fortdauern werden, und daß dies Studium selbst mit der Zeit von Ihnen mit mer An- strengung [?], Volkommenheit [?] etc. würde können getrieben werden, wenn Sie Medizin studirten -- dies bedenken Sie; vielleicht finden [Sie mer], als ich Ihnen sagen kan, um Ihren Entschlus wankend zu35 machen; vielleicht sehen Sie die schlechte Seite Ihres angefangenen Lebens in demselben Lichte wie vorhin ihre gute; und vielleicht lernen
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Reize beizulegen, die nicht die ſeinigen ſind, und die ſelten, oft blos durch das Ungefär, an ihm wirklich werden. — Sie verlieren Ihre Freiheit, die Sie noch nicht ſchäzzen können, weil Sie ſie noch nicht vermiſt haben und deren Vortref[lichkeit] Sie erſt ihr Verluſt leren wird. Die Freiheit iſt überhaupt, wie vieles andre, ein Gut, deſſen5 Daſein weniger Vergnügen bringt als ſeine Abweſenheit Schmerzen. — Ich weis nicht, ob Sie an Handarbeit gewönt ſind; aber das weis [ich], daß ſie Ihnen beſchwerlich ſein wird, ſobald Sie ſie aus Zwang tun müſſen und ſobald ſie durch die öftere Wiederholung Ekkel, Ein- förmigkeit und Ermüdung verurſacht. — Haben Sie bedacht, was Sie10 waren, und was Sie werden wolten? Ein Sprung von einem Studen- ten zum — herab? Würd’ ich Sie nicht beleidigen, wenn ich auch nur den Namen dieſer Sache herſezte? Ich mache mich ſoviel als möglich vom Einfluſſe der Urteile andrer unabhängig; allein ſo viel könt’ ich nicht ertragen, was Sie ertragen wollen, und was Sie, wenn Sie15 ſtudirten, bei der unvolk[ommenſten] Veränderung Ihres Glüks nie[37] zu ertragen würden nötig haben. Ihre Freunde können ſich die Behand- lung, die Sie iezt von andern erwarten müſſen, one Widerwillen [?] kaum denken; und Sie, Sie wollen ſie leiden? — Sie müſten mer oder weniger Herman ſein, um ſie one — Reue und Widerwillen [?] zu20 leiden. — Daß Ihre iezzige Lebensart für die Geſundheit gar nicht vorteilhaft iſt, daß das immerwärende Einziehen ſchärf[ſter] und ſchädlicher Dünſte und der Reiz feiner und ſchärf[ſter] Pulverteilgen, der Lunge nicht zuträglich ſein kan, und daß die Zubereitung der Gifte oft eben ſo ſchädlich iſt als ihr Gebrauch — dies mag ich kaum er-25 wänen. Aber daß Sie zuviele Jare haben, um lange Zeit blos die Arbeiten zu tun, die blos für ein geringes Alter gehören — daß Sie auch als Geſelle noch tauſend Beſchwerlichkeiten ausgeſezt ſind, und daß Sie es immer bleiben, bis Sie eine Apoteke bekommen, die ſo ſelten als teuer iſt; daß die chemiſchen Verſuche des H. Fiſcher, die Sie30 ſo unwiderſtehlich hinreiſſen, nicht unausgeſezt fortdauern werden, und daß dies Studium ſelbſt mit der Zeit von Ihnen mit mer An- ſtrengung [?], Volkommenheit [?] ꝛc. würde können getrieben werden, wenn Sie Medizin ſtudirten — dies bedenken Sie; vielleicht finden [Sie mer], als ich Ihnen ſagen kan, um Ihren Entſchlus wankend zu35 machen; vielleicht ſehen Sie die ſchlechte Seite Ihres angefangenen Lebens in demſelben Lichte wie vorhin ihre gute; und vielleicht lernen
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[35/0058]
Reize beizulegen, die nicht die ſeinigen ſind, und die ſelten, oft blos
durch das Ungefär, an ihm wirklich werden. — Sie verlieren Ihre
Freiheit, die Sie noch nicht ſchäzzen können, weil Sie ſie noch nicht
vermiſt haben und deren Vortref[lichkeit] Sie erſt ihr Verluſt leren
wird. Die Freiheit iſt überhaupt, wie vieles andre, ein Gut, deſſen 5
Daſein weniger Vergnügen bringt als ſeine Abweſenheit Schmerzen. —
Ich weis nicht, ob Sie an Handarbeit gewönt ſind; aber das weis
[ich], daß ſie Ihnen beſchwerlich ſein wird, ſobald Sie ſie aus Zwang
tun müſſen und ſobald ſie durch die öftere Wiederholung Ekkel, Ein-
förmigkeit und Ermüdung verurſacht. — Haben Sie bedacht, was Sie 10
waren, und was Sie werden wolten? Ein Sprung von einem Studen-
ten zum — herab? Würd’ ich Sie nicht beleidigen, wenn ich auch nur
den Namen dieſer Sache herſezte? Ich mache mich ſoviel als möglich
vom Einfluſſe der Urteile andrer unabhängig; allein ſo viel könt’ ich
nicht ertragen, was Sie ertragen wollen, und was Sie, wenn Sie 15
ſtudirten, bei der unvolk[ommenſten] Veränderung Ihres Glüks nie
zu ertragen würden nötig haben. Ihre Freunde können ſich die Behand-
lung, die Sie iezt von andern erwarten müſſen, one Widerwillen [?]
kaum denken; und Sie, Sie wollen ſie leiden? — Sie müſten mer oder
weniger Herman ſein, um ſie one — Reue und Widerwillen [?] zu 20
leiden. — Daß Ihre iezzige Lebensart für die Geſundheit gar nicht
vorteilhaft iſt, daß das immerwärende Einziehen ſchärf[ſter] und
ſchädlicher Dünſte und der Reiz feiner und ſchärf[ſter] Pulverteilgen,
der Lunge nicht zuträglich ſein kan, und daß die Zubereitung der Gifte
oft eben ſo ſchädlich iſt als ihr Gebrauch — dies mag ich kaum er- 25
wänen. Aber daß Sie zuviele Jare haben, um lange Zeit blos die
Arbeiten zu tun, die blos für ein geringes Alter gehören — daß Sie
auch als Geſelle noch tauſend Beſchwerlichkeiten ausgeſezt ſind, und
daß Sie es immer bleiben, bis Sie eine Apoteke bekommen, die ſo
ſelten als teuer iſt; daß die chemiſchen Verſuche des H. Fiſcher, die Sie 30
ſo unwiderſtehlich hinreiſſen, nicht unausgeſezt fortdauern werden,
und daß dies Studium ſelbſt mit der Zeit von Ihnen mit mer An-
ſtrengung [?], Volkommenheit [?] ꝛc. würde können getrieben werden,
wenn Sie Medizin ſtudirten — dies bedenken Sie; vielleicht finden
[Sie mer], als ich Ihnen ſagen kan, um Ihren Entſchlus wankend zu 35
machen; vielleicht ſehen Sie die ſchlechte Seite Ihres angefangenen
Lebens in demſelben Lichte wie vorhin ihre gute; und vielleicht lernen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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