N. S. Mein Logis ist in dem Gasthofe zu den 3. Rosen, in der Petersstrasse.
34. An Buchhändler Voß in Berlin.
[Kopie][Leipzig, 3. März 1783]
Ich weis nicht, ob mein leztes Schreiben, vom 2ten Febr. datirt,5 Ihnen zu Händen gekommen ist. Beinahe läst mich Ihr Stilschweigen an seinem Empfange zweifeln. Verzeihen Sie daher den Anschein einer Zu- dringlichkeit in der Bitte, mich über den Empfang und noch mer über die Wirkung meines Briefes durch eine baldige Antwort zu beleren. etc.
[66]35. An Frau Richter in Hof.10
Liebe Mama!
Verzeihen Sie, daß ich so lange nicht geschrieben und daß ich iezt so kurz schreibe. Ich habe soviel zu tun, daß ich mich kaum rüren kan und wenn ich nicht alle Kräfte anstrenge, so werde ich bis zu Pfingsten gar nicht fertig. -- Sie wollen wissen was ich für Bücher schreibe?15 Es sind weder teologische noch iuristische; und wenn ich Ihnen auch den Namen herseze, so ists Ihnen damit doch nicht deutlich: Satiren oder spashafte Bücher sind es. -- Fast muste ich lachen, da Sie mir den erbaulichen Antrag thun, mich in Hof in der Spitalkirche z. B. vor alten Weibern und armen Schülern mit einer erbaulichen Predigt20 hören zu lassen. Denken Sie denn, es ist soviel Ehre, zu predigen? Diese Ehre kan ieder miserable Student erhalten, und eine Predigt kan einer im Traume machen. Ein Buch zu machen ist doch wol zehnmal schwerer. Übrigens wil ich Ihnen nur berichten, daß ieder Student wie ich in Hof gar nicht predigen darf, one vorher für 16 fl. in Bayreut die25 Erlaubnis dazu gekauft zu haben. -- Hier ist ein Zettelgen für den Gotlieb, den Sie doch nunmehr einmal anzubringen suchen solten, wär' es auch nur bei dem Aktuarius in Schwarzenbach. Aber zu einem Schreiber taugt er noch nicht einmal; denn er schreibt eine schlechte Hand. -- Hier ist auch mein Buch für den Doppelmaier in Schwarzen-30 bach, welches Sie nur durch den Leistschneider dahinzuschikken brauchen. Aber so bald als möglich. -- Leben Sie recht wol und schreiben Sie bald. Ich bin
[Spaltenumbruch]Leipzig den 3. April. 1783.[Spaltenumbruch]Ihr gehors. Son J. P. F. Richter35
N. S. Was macht der liebe Samuel? Ich freue mich recht auf ihn.
N. S. Mein Logis iſt in dem Gaſthofe zu den 3. Roſen, in der Petersſtraſſe.
34. An Buchhändler Voß in Berlin.
[Kopie][Leipzig, 3. März 1783]
Ich weis nicht, ob mein leztes Schreiben, vom 2ten Febr. datirt,5 Ihnen zu Händen gekommen iſt. Beinahe läſt mich Ihr Stilſchweigen an ſeinem Empfange zweifeln. Verzeihen Sie daher den Anſchein einer Zu- dringlichkeit in der Bitte, mich über den Empfang und noch mer über die Wirkung meines Briefes durch eine baldige Antwort zu beleren. ꝛc.
[66]35. An Frau Richter in Hof.10
Liebe Mama!
Verzeihen Sie, daß ich ſo lange nicht geſchrieben und daß ich iezt ſo kurz ſchreibe. Ich habe ſoviel zu tun, daß ich mich kaum rüren kan und wenn ich nicht alle Kräfte anſtrenge, ſo werde ich bis zu Pfingſten gar nicht fertig. — Sie wollen wiſſen was ich für Bücher ſchreibe?15 Es ſind weder teologiſche noch iuriſtiſche; und wenn ich Ihnen auch den Namen herſeze, ſo iſts Ihnen damit doch nicht deutlich: Satiren oder ſpashafte Bücher ſind es. — Faſt muſte ich lachen, da Sie mir den erbaulichen Antrag thun, mich in Hof in der Spitalkirche z. B. vor alten Weibern und armen Schülern mit einer erbaulichen Predigt20 hören zu laſſen. Denken Sie denn, es iſt ſoviel Ehre, zu predigen? Dieſe Ehre kan ieder miſerable Student erhalten, und eine Predigt kan einer im Traume machen. Ein Buch zu machen iſt doch wol zehnmal ſchwerer. Übrigens wil ich Ihnen nur berichten, daß ieder Student wie ich in Hof gar nicht predigen darf, one vorher für 16 fl. in Bayreut die25 Erlaubnis dazu gekauft zu haben. — Hier iſt ein Zettelgen für den Gotlieb, den Sie doch nunmehr einmal anzubringen ſuchen ſolten, wär’ es auch nur bei dem Aktuarius in Schwarzenbach. Aber zu einem Schreiber taugt er noch nicht einmal; denn er ſchreibt eine ſchlechte Hand. — Hier iſt auch mein Buch für den Doppelmaier in Schwarzen-30 bach, welches Sie nur durch den Leiſtſchneider dahinzuſchikken brauchen. Aber ſo bald als möglich. — Leben Sie recht wol und ſchreiben Sie bald. Ich bin
[Spaltenumbruch]Leipzig den 3. April. 1783.[Spaltenumbruch]Ihr gehorſ. Son J. P. F. Richter35
N. S. Was macht der liebe Samuel? Ich freue mich recht auf ihn.
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[60/0083]
N. S. Mein Logis iſt in dem Gaſthofe zu den 3. Roſen, in der
Petersſtraſſe.
34. An Buchhändler Voß in Berlin.
[Leipzig, 3. März 1783]
Ich weis nicht, ob mein leztes Schreiben, vom 2ten Febr. datirt, 5
Ihnen zu Händen gekommen iſt. Beinahe läſt mich Ihr Stilſchweigen an
ſeinem Empfange zweifeln. Verzeihen Sie daher den Anſchein einer Zu-
dringlichkeit in der Bitte, mich über den Empfang und noch mer über die
Wirkung meines Briefes durch eine baldige Antwort zu beleren. ꝛc.
35. An Frau Richter in Hof. 10
Liebe Mama!
Verzeihen Sie, daß ich ſo lange nicht geſchrieben und daß ich iezt
ſo kurz ſchreibe. Ich habe ſoviel zu tun, daß ich mich kaum rüren kan
und wenn ich nicht alle Kräfte anſtrenge, ſo werde ich bis zu Pfingſten
gar nicht fertig. — Sie wollen wiſſen was ich für Bücher ſchreibe? 15
Es ſind weder teologiſche noch iuriſtiſche; und wenn ich Ihnen auch
den Namen herſeze, ſo iſts Ihnen damit doch nicht deutlich: Satiren
oder ſpashafte Bücher ſind es. — Faſt muſte ich lachen, da Sie mir
den erbaulichen Antrag thun, mich in Hof in der Spitalkirche z. B.
vor alten Weibern und armen Schülern mit einer erbaulichen Predigt 20
hören zu laſſen. Denken Sie denn, es iſt ſoviel Ehre, zu predigen?
Dieſe Ehre kan ieder miſerable Student erhalten, und eine Predigt kan
einer im Traume machen. Ein Buch zu machen iſt doch wol zehnmal
ſchwerer. Übrigens wil ich Ihnen nur berichten, daß ieder Student wie
ich in Hof gar nicht predigen darf, one vorher für 16 fl. in Bayreut die 25
Erlaubnis dazu gekauft zu haben. — Hier iſt ein Zettelgen für den
Gotlieb, den Sie doch nunmehr einmal anzubringen ſuchen ſolten,
wär’ es auch nur bei dem Aktuarius in Schwarzenbach. Aber zu einem
Schreiber taugt er noch nicht einmal; denn er ſchreibt eine ſchlechte
Hand. — Hier iſt auch mein Buch für den Doppelmaier in Schwarzen- 30
bach, welches Sie nur durch den Leiſtſchneider dahinzuſchikken brauchen.
Aber ſo bald als möglich. — Leben Sie recht wol und ſchreiben Sie
bald. Ich bin
Leipzig den 3. April.
1783.
Ihr gehorſ. Son
J. P. F. Richter 35
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/83>, abgerufen am 17.02.2025.
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