des schlechten durch den Anlauf der Leute immer gestört zu werden, und auf einem einzigen Gange so oft umkeren zu müssen, so klein, daß es nicht des geringsten Zanks mer wert ist. Was sol ich Sie durch fernere Gründe ermüden; und nicht gerade heraussagen, daß ich der Drohung ungeachtet künftighin alle Teile des Gartens nuzen werde? H. Körner ist5 mir nicht fürchterlich; wenigstens nur mit seinem unmässigen Zorn, aber nicht mit seinem Rechte. Dieses leztere kent er so gut, daß er von mir neulich nicht die Einschränkung meiner Spaziergänge, sondern nur die Abänderung meiner Kleidung verlangte. Ihren Unwillen, der weniger auf mich als auf den mir gedrohten Richter gehen solte, hoff'10 ich durch folgenden Vorschlag hinwegzunemen: Ich wil freiwillig den Garten verlassen, wo immer das Vergnügen des einen das Mis- vergnügen des andern zeugt; allein da dieses nur unter der Bedingung geschehen kan, für eine auf ein Halbiar gemietete Stube nur das benüzte Vierteliar bezalen zu dürfen, so komt es nun auf Sie an, ob15 Sie den H. Körner zur Anname dieser Bedingung zwingen wollen?
44. An Oerthel in Leipzig.
Lieber Örthel,
Ungeachtet ich krum und lam nicht durch die Räder sondern den Wagen gerädert angekommen bin, und noch nas von der Ölung der20 lezten Poststazion, so sez' ich mich doch eilig her, um dir ein Ding zu schreiben, was du für keinen Brief, sondern für ein Stük Papier halten kanst, auf dem adio, segno, u. s. w. steht. Schon fang' ich an, dich mit geschriebnen Bitten zu verfolgen und dich in der Ferne noch mer als in der Nähe zu plagen. Ich habe nämlich meinen Haupt-25 forceps zu meiner Bücherschreiberei vergessen: "Geschichte. Dritter Band. 1783." Dieses Schreibbuch liegt auf meinem Arbeitstische. Du hast den Schlüssel zu meiner Stube. Meine Bitte kanst du erraten. Schreib aber auf dem Umschlag, in welchem du mir dieses nötige Buch schikst, die geldersparende Lüge "gedrukte Sachen"; welches iedoch im30 Grunde nur mit einer Lüge auf die Warheit pränumeriren heist: denn ein Teil seines Inhalts wird onehin gedrukt. -- Dieser Brief ist ab-[78] scheulich, und aus seiner Kalligraphie im doppelten Sin[n]e (das heist ich schreibe iezt eine schlechte Hand und einen schlechten Styl(Griffel) --) kanst du auf den Zustand schliessen, den die obern Glieder mit den35 untern teilen. Meine Bitte ist so schlecht, weil sie so nötig ist; denn
des ſchlechten durch den Anlauf der Leute immer geſtört zu werden, und auf einem einzigen Gange ſo oft umkeren zu müſſen, ſo klein, daß es nicht des geringſten Zanks mer wert iſt. Was ſol ich Sie durch fernere Gründe ermüden; und nicht gerade herausſagen, daß ich der Drohung ungeachtet künftighin alle Teile des Gartens nuzen werde? H. Körner iſt5 mir nicht fürchterlich; wenigſtens nur mit ſeinem unmäſſigen Zorn, aber nicht mit ſeinem Rechte. Dieſes leztere kent er ſo gut, daß er von mir neulich nicht die Einſchränkung meiner Spaziergänge, ſondern nur die Abänderung meiner Kleidung verlangte. Ihren Unwillen, der weniger auf mich als auf den mir gedrohten Richter gehen ſolte, hoff’10 ich durch folgenden Vorſchlag hinwegzunemen: Ich wil freiwillig den Garten verlaſſen, wo immer das Vergnügen des einen das Mis- vergnügen des andern zeugt; allein da dieſes nur unter der Bedingung geſchehen kan, für eine auf ein Halbiar gemietete Stube nur das benüzte Vierteliar bezalen zu dürfen, ſo komt es nun auf Sie an, ob15 Sie den H. Körner zur Anname dieſer Bedingung zwingen wollen?
44. An Oerthel in Leipzig.
Lieber Örthel,
Ungeachtet ich krum und lam nicht durch die Räder ſondern den Wagen gerädert angekommen bin, und noch nas von der Ölung der20 lezten Poſtſtazion, ſo ſez’ ich mich doch eilig her, um dir ein Ding zu ſchreiben, was du für keinen Brief, ſondern für ein Stük Papier halten kanſt, auf dem adio, ſegno, u. ſ. w. ſteht. Schon fang’ ich an, dich mit geſchriebnen Bitten zu verfolgen und dich in der Ferne noch mer als in der Nähe zu plagen. Ich habe nämlich meinen Haupt-25 forceps zu meiner Bücherſchreiberei vergeſſen: „Geſchichte. Dritter Band. 1783.“ Dieſes Schreibbuch liegt auf meinem Arbeitstiſche. Du haſt den Schlüſſel zu meiner Stube. Meine Bitte kanſt du erraten. Schreib aber auf dem Umſchlag, in welchem du mir dieſes nötige Buch ſchikſt, die gelderſparende Lüge „gedrukte Sachen“; welches iedoch im30 Grunde nur mit einer Lüge auf die Warheit pränumeriren heiſt: denn ein Teil ſeines Inhalts wird onehin gedrukt. — Dieſer Brief iſt ab-[78] ſcheulich, und aus ſeiner Kalligraphie im doppelten Sin[n]e (das heiſt ich ſchreibe iezt eine ſchlechte Hand und einen ſchlechten Styl(Griffel) —) kanſt du auf den Zuſtand ſchlieſſen, den die obern Glieder mit den35 untern teilen. Meine Bitte iſt ſo ſchlecht, weil ſie ſo nötig iſt; denn
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Gründe ermüden; und nicht gerade herausſagen, daß ich der Drohung
ungeachtet künftighin alle Teile des Gartens nuzen werde? H. Körner iſt 5
mir nicht fürchterlich; wenigſtens nur mit ſeinem unmäſſigen Zorn,
aber nicht mit ſeinem Rechte. Dieſes leztere kent er ſo gut, daß er von
mir neulich nicht die Einſchränkung meiner Spaziergänge, ſondern nur
die Abänderung meiner Kleidung verlangte. Ihren Unwillen, der
weniger auf mich als auf den mir gedrohten Richter gehen ſolte, hoff’ 10
ich durch folgenden Vorſchlag hinwegzunemen: Ich wil freiwillig den
Garten verlaſſen, wo immer das Vergnügen des einen das Mis-
vergnügen des andern zeugt; allein da dieſes nur unter der Bedingung
geſchehen kan, für eine auf ein Halbiar gemietete Stube nur das
benüzte Vierteliar bezalen zu dürfen, ſo komt es nun auf Sie an, ob 15
Sie den H. Körner zur Anname dieſer Bedingung zwingen wollen?
44. An Oerthel in Leipzig.
Lieber Örthel,
Ungeachtet ich krum und lam nicht durch die Räder ſondern den
Wagen gerädert angekommen bin, und noch nas von der Ölung der 20
lezten Poſtſtazion, ſo ſez’ ich mich doch eilig her, um dir ein Ding zu
ſchreiben, was du für keinen Brief, ſondern für ein Stük Papier
halten kanſt, auf dem adio, ſegno, u. ſ. w. ſteht. Schon fang’ ich an,
dich mit geſchriebnen Bitten zu verfolgen und dich in der Ferne noch
mer als in der Nähe zu plagen. Ich habe nämlich meinen Haupt- 25
forceps zu meiner Bücherſchreiberei vergeſſen: „Geſchichte. Dritter
Band. 1783.“ Dieſes Schreibbuch liegt auf meinem Arbeitstiſche. Du
haſt den Schlüſſel zu meiner Stube. Meine Bitte kanſt du erraten.
Schreib aber auf dem Umſchlag, in welchem du mir dieſes nötige Buch
ſchikſt, die gelderſparende Lüge „gedrukte Sachen“; welches iedoch im 30
Grunde nur mit einer Lüge auf die Warheit pränumeriren heiſt: denn
ein Teil ſeines Inhalts wird onehin gedrukt. — Dieſer Brief iſt ab-
ſcheulich, und aus ſeiner Kalligraphie im doppelten Sin[n]e (das heiſt
ich ſchreibe iezt eine ſchlechte Hand und einen ſchlechten Styl(Griffel) —)
kanſt du auf den Zuſtand ſchlieſſen, den die obern Glieder mit den 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/94>, abgerufen am 23.11.2024.
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