Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.ich habe sie aufgesezt, eh' noch die Meinigen über mein Har sich ganz [Spaltenumbruch]
Hof, den Tag meiner Ankunft [7. Juni] 1783.[Spaltenumbruch] Dein warmer Freund J. P. F. Richter30 [79]Anbei folgt ein Vorschmak vom neusten Produkte des H. Kirsch, [Adr.] Herrn Herrn Örthel, Beflissenen der Rechtsgelehrsamkeit, in Leipzig. Abzugeben in der Petersstrasse im Gasthofe zu den 3. Rosen.35 Franco. ich habe ſie aufgeſezt, eh’ noch die Meinigen über mein Har ſich ganz [Spaltenumbruch]
Hof, den Tag meiner Ankunft [7. Juni] 1783.[Spaltenumbruch] Dein warmer Freund J. P. F. Richter30 [79]Anbei folgt ein Vorſchmak vom neuſten Produkte des H. Kirſch, [Adr.] Herrn Herrn Örthel, Befliſſenen der Rechtsgelehrſamkeit, in Leipzig. Abzugeben in der Petersſtraſſe im Gaſthofe zu den 3. Roſen.35 Franco. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="72"/> ich habe ſie aufgeſezt, eh’ noch die Meinigen über mein Har ſich ganz<lb/> ausgewundert hatten. — Übrigens iſt die höfiſche Luft kalt, das höfiſche<lb/> Getraide klein, und die höfiſche Dinte ſer bleich, wie du ſelbſt ſehen wirſt.<lb/> Dein Hutfutteral hat von der Reiſe weniger gelitten als ich und mein<lb/> ſchöner Hut. Spielt der Hempel, der den Pedanten ſo gut ſpielt, auch<lb n="5"/> noch den — — — — aber der Hempel iſt ia nicht mer in Leipzig. Frag<lb/> deinen Doktor doch von meinetwegen, wie ich die Hypochondrie, fals ich<lb/> ſie mir einmal <hi rendition="#g">erlachte,</hi> aus den Gedärmen, an die das ſatiriſ<metamark>[</metamark>ir<metamark>]</metamark>ende<lb/> Zwergfel ſo angränzt, exorziſiren könte. Ernſtlich: ich weis gewis, du<lb/> würdeſt dieſe Bitte in ihrem wörtlichen Sinne eher erfüllen, als du es in<lb n="10"/> ihrem unwörtlichen iezt tun wirſt. Leb recht wol, guter Örthel, und<lb/> ſchreib bald und viel. Dieſes Aviſo ſieht ſo abſcheulich aus, daß du mir<lb/> vergeben wirſt, den Schweinskopf d. h. den beſchmierten Bogen nur<lb/> halb aufgetragen zu haben; aber meine künftigen Kalbsköpfe erhälſt<lb/> du ganz, ſo wie es auch die <hi rendition="#g">Hausmutter</hi> ieder Hausmutter anrät,<lb n="15"/> iedoch von den Faſanen merkt ſie an, daß man den Rumpf ſo gut wie<lb/> den Kopf auftragen müſſe und giebt dir dadurch in einem elenden<lb/> Gleichniſſe zu verſtehen, daß du mir mer als einen Bogen ſchreiben<lb/> ſolſt ..... „Muſt du denn gleich ſchreiben? hör doch auf!“ dies ſagt meine<lb/> Mama eben iezt zu mir; aber du wirſt es doch nicht nachſagen. Noch-<lb n="20"/> mals lebe wol; mein erſtes <hi rendition="#aq">cura ut valeas</hi> galt deinem Körper, wozu<lb/> ich dir die Leſung des vierten 〈neuſten〉 Stüks des göttingiſchen Maga-<lb/> zins und der Porträts anrate; und das zweite deiner Sele, wozu ich dir<lb/> die Jurisprudenz anrate. Lieber Örthel, du nimſt doch meinen Spas nicht<lb/> übel? oder wilſt du den Zuſtand der Quelle aus dem Geſchmak beur-<lb n="25"/> teilen, den ihr erſt ein entferntes Ufer mitgeteilt? Das Herz wird immer<lb/> auf dem Durchgange durch den Kopf mit den Merkmalen des ſchlechten<lb/> Wegs beflekt; aber was ich dir auch ſcheine, ſo bin ich doch immer</p><lb/> <closer> <salute> <cb/> <date> <hi rendition="#left">Hof, den Tag meiner Ankunft<lb/><metamark>[</metamark>7. Juni<metamark>]</metamark> 1783.</hi> </date> <cb/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Dein</hi> warmer Freund<lb/> J. P. F. Richter</hi> <lb n="30"/> </salute> </closer> <postscript> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd#_79">[79]</ref></note>Anbei folgt ein Vorſchmak vom neuſten Produkte des H. Kirſch,<lb/> das ich zum Umſchlag brauchen wolte, das aber zum Unglük flieſſender<lb/> war als das Deutſch des beſagten Kirſch.</p> </postscript><lb/> <trailer> <address> <addrLine><metamark>[</metamark>Adr.<metamark>]</metamark> Herrn Herrn Örthel, Befliſſenen der Rechtsgelehrſamkeit,<lb/> in Leipzig. Abzugeben in der Petersſtraſſe im Gaſthofe zu den 3. Roſen.<lb n="35"/> <hi rendition="#aq">Franco.</hi></addrLine> </address> </trailer> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [72/0095]
ich habe ſie aufgeſezt, eh’ noch die Meinigen über mein Har ſich ganz
ausgewundert hatten. — Übrigens iſt die höfiſche Luft kalt, das höfiſche
Getraide klein, und die höfiſche Dinte ſer bleich, wie du ſelbſt ſehen wirſt.
Dein Hutfutteral hat von der Reiſe weniger gelitten als ich und mein
ſchöner Hut. Spielt der Hempel, der den Pedanten ſo gut ſpielt, auch 5
noch den — — — — aber der Hempel iſt ia nicht mer in Leipzig. Frag
deinen Doktor doch von meinetwegen, wie ich die Hypochondrie, fals ich
ſie mir einmal erlachte, aus den Gedärmen, an die das ſatiriſ[ir]ende
Zwergfel ſo angränzt, exorziſiren könte. Ernſtlich: ich weis gewis, du
würdeſt dieſe Bitte in ihrem wörtlichen Sinne eher erfüllen, als du es in 10
ihrem unwörtlichen iezt tun wirſt. Leb recht wol, guter Örthel, und
ſchreib bald und viel. Dieſes Aviſo ſieht ſo abſcheulich aus, daß du mir
vergeben wirſt, den Schweinskopf d. h. den beſchmierten Bogen nur
halb aufgetragen zu haben; aber meine künftigen Kalbsköpfe erhälſt
du ganz, ſo wie es auch die Hausmutter ieder Hausmutter anrät, 15
iedoch von den Faſanen merkt ſie an, daß man den Rumpf ſo gut wie
den Kopf auftragen müſſe und giebt dir dadurch in einem elenden
Gleichniſſe zu verſtehen, daß du mir mer als einen Bogen ſchreiben
ſolſt ..... „Muſt du denn gleich ſchreiben? hör doch auf!“ dies ſagt meine
Mama eben iezt zu mir; aber du wirſt es doch nicht nachſagen. Noch- 20
mals lebe wol; mein erſtes cura ut valeas galt deinem Körper, wozu
ich dir die Leſung des vierten 〈neuſten〉 Stüks des göttingiſchen Maga-
zins und der Porträts anrate; und das zweite deiner Sele, wozu ich dir
die Jurisprudenz anrate. Lieber Örthel, du nimſt doch meinen Spas nicht
übel? oder wilſt du den Zuſtand der Quelle aus dem Geſchmak beur- 25
teilen, den ihr erſt ein entferntes Ufer mitgeteilt? Das Herz wird immer
auf dem Durchgange durch den Kopf mit den Merkmalen des ſchlechten
Wegs beflekt; aber was ich dir auch ſcheine, ſo bin ich doch immer
Hof, den Tag meiner Ankunft
[7. Juni] 1783.
Dein warmer Freund
J. P. F. Richter 30
Anbei folgt ein Vorſchmak vom neuſten Produkte des H. Kirſch,
das ich zum Umſchlag brauchen wolte, das aber zum Unglük flieſſender
war als das Deutſch des beſagten Kirſch.
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[Adr.] Herrn Herrn Örthel, Befliſſenen der Rechtsgelehrſamkeit,
in Leipzig. Abzugeben in der Petersſtraſſe im Gaſthofe zu den 3. Roſen. 35
Franco.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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