Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.der Anblik, wenn wir jede Wunde durch das Glas der Freundschaft ver- [101]Aber Ihr Advokate hätte gegen Erlang *), wo die Universität Ungerechtigkeiten der Menschen rizen tausendmal tiefer in die Brust Ich hoffe -- was Sie aber vor Hof verschweigen sollen -- bald einen Tausend Grüsse von mir -- von Otto -- an Sie -- an Schäfer. -- Richter35 *) Eben überlas ich Ihren Brief wieder, wo Jena steht: anderswo hört' ich
"Erlang" -- welches ist wahr? der Anblik, wenn wir jede Wunde durch das Glas der Freundſchaft ver- [101]Aber Ihr Advokate hätte gegen Erlang *), wo die Univerſität Ungerechtigkeiten der Menſchen rizen tauſendmal tiefer in die Bruſt Ich hoffe — was Sie aber vor Hof verſchweigen ſollen — bald einen Tauſend Grüſſe von mir — von Otto — an Sie — an Schäfer. — Richter35 *) Eben überlas ich Ihren Brief wieder, wo Jena ſteht: anderswo hört’ ich
„Erlang“ — welches iſt wahr? <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="106"/> der Anblik, wenn wir jede Wunde durch das Glas der Freundſchaft ver-<lb/> gröſſert ſehen müſſen. Wenn man die Seele das ganze Jahr vom Haſſe<lb/> rein gehalten: ſo mus er ſie erfüllen gegen den Uebelthäter, der an un-<lb/> ſerer Bruſt unſern Freund durchſtöſt. Laſſen Sie mich nichts ſagen, Un-<lb/> ſchuldiger und Gekränkter, was alle Ihre Freunde hier bei dieſer Zu-<lb n="5"/> ſammenſtellung fühlen müſſen.</p><lb/> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd2_101">[101]</ref></note>Aber Ihr Advokate hätte gegen Erlang <note place="foot" n="*)">Eben überlas ich Ihren Brief wieder, wo Jena ſteht: anderswo hört’ ich<lb/> „Erlang“ — welches iſt wahr?</note>, wo die Univerſität<lb/> immer einen Sukzeſſionskrieg und eine <hi rendition="#aq">partie à la guerre</hi> gegen<lb/> Judenſchaft fortſezt, exzipieren ſollen. — Und Sie appellieren, wenn<lb/> Sie es nicht gethan haben. Beim Himmel! wie wollen Sie einer<lb n="10"/> kothigen Seele, die ihre Minen im Koth anlegte, um Sie in die<lb/> Höhe zu ſprengen, die mit fremder Ehre und mit eigner ein <hi rendition="#g">leid-<lb/> liches</hi> Ende des Prozeſſes erkaufen wolte, wie wollen Sie dieſer<lb/> nicht zutrauen, daß ſie ein <hi rendition="#g">gutes</hi> recht gern mit dem Himmel be-<lb/> zahlen werde? Manche Edelleute brechen lieber einen Schwur als ihr<lb n="15"/> Wort. Kurz ein Kind des Teufels iſt auch ein Enkel der Grosmutter<lb/> des Teufels.</p><lb/> <p>Ungerechtigkeiten der Menſchen rizen tauſendmal tiefer in die Bruſt<lb/> als die des Schikſals. Sie wurden in eine ſtoiſche Fechtſchule der<lb/> Geduld-Toleranz geſchikt, in der noch wenige Schüler ſizen. Das erſte<lb n="20"/> bei der Politur des Diamanten iſt, ihm ſeine Hülle zu nehmen: das<lb/> Schikſal bröckelt ſchon lange an Ihrer körperlichen Hülle, aber es<lb/> nimt Klauen dazu, ſtat Hände.</p><lb/> <p>Ich hoffe — was Sie aber vor Hof verſchweigen ſollen — bald einen<lb/> Monat in Bayreuth zu verthun. Die frohen Wirbel der Freundſchaft<lb n="25"/> und der Natur alda ziehen mich in immer engere Kreiſe und endlich gar<lb/> in den Mittelpunkt hinein nach Bayreuth.</p><lb/> <p>Tauſend Grüſſe von mir — von Otto — an Sie — an Schäfer. —<lb/> Ich habe nicht vergeſſen, wie hoch bei den beiden leztern die Brief-<lb/> Schuldenpoſt, die ſie zu fodern haben, noch ſtehe. Aber ich rage kaum<lb n="30"/> mit der Naſe aus dem Schwalle der Papiere und Arbeiten heraus. —<lb/> Du liebe Vorſehung, die du die Schlange an das Herz meines Freundes<lb/> ſchieſſen lieſſeſt, du wirſt ſie wieder abnehmen und den Gift ausziehen<lb/> und die Wunde zudecken!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> <lb n="35"/> </salute> </closer> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [106/0117]
der Anblik, wenn wir jede Wunde durch das Glas der Freundſchaft ver-
gröſſert ſehen müſſen. Wenn man die Seele das ganze Jahr vom Haſſe
rein gehalten: ſo mus er ſie erfüllen gegen den Uebelthäter, der an un-
ſerer Bruſt unſern Freund durchſtöſt. Laſſen Sie mich nichts ſagen, Un-
ſchuldiger und Gekränkter, was alle Ihre Freunde hier bei dieſer Zu- 5
ſammenſtellung fühlen müſſen.
Aber Ihr Advokate hätte gegen Erlang *), wo die Univerſität
immer einen Sukzeſſionskrieg und eine partie à la guerre gegen
Judenſchaft fortſezt, exzipieren ſollen. — Und Sie appellieren, wenn
Sie es nicht gethan haben. Beim Himmel! wie wollen Sie einer 10
kothigen Seele, die ihre Minen im Koth anlegte, um Sie in die
Höhe zu ſprengen, die mit fremder Ehre und mit eigner ein leid-
liches Ende des Prozeſſes erkaufen wolte, wie wollen Sie dieſer
nicht zutrauen, daß ſie ein gutes recht gern mit dem Himmel be-
zahlen werde? Manche Edelleute brechen lieber einen Schwur als ihr 15
Wort. Kurz ein Kind des Teufels iſt auch ein Enkel der Grosmutter
des Teufels.
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Ungerechtigkeiten der Menſchen rizen tauſendmal tiefer in die Bruſt
als die des Schikſals. Sie wurden in eine ſtoiſche Fechtſchule der
Geduld-Toleranz geſchikt, in der noch wenige Schüler ſizen. Das erſte 20
bei der Politur des Diamanten iſt, ihm ſeine Hülle zu nehmen: das
Schikſal bröckelt ſchon lange an Ihrer körperlichen Hülle, aber es
nimt Klauen dazu, ſtat Hände.
Ich hoffe — was Sie aber vor Hof verſchweigen ſollen — bald einen
Monat in Bayreuth zu verthun. Die frohen Wirbel der Freundſchaft 25
und der Natur alda ziehen mich in immer engere Kreiſe und endlich gar
in den Mittelpunkt hinein nach Bayreuth.
Tauſend Grüſſe von mir — von Otto — an Sie — an Schäfer. —
Ich habe nicht vergeſſen, wie hoch bei den beiden leztern die Brief-
Schuldenpoſt, die ſie zu fodern haben, noch ſtehe. Aber ich rage kaum 30
mit der Naſe aus dem Schwalle der Papiere und Arbeiten heraus. —
Du liebe Vorſehung, die du die Schlange an das Herz meines Freundes
ſchieſſen lieſſeſt, du wirſt ſie wieder abnehmen und den Gift ausziehen
und die Wunde zudecken!
Richter 35
*) Eben überlas ich Ihren Brief wieder, wo Jena ſteht: anderswo hört’ ich
„Erlang“ — welches iſt wahr?
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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