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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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155. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Kopie]

1. Wil mir der Kinderton nicht recht aus der Stimrize -- ein
ästhetischer Tenorist kan nicht sogleich ein historischer Diskantist
werden -- 2) werf' ich armer Maulwurf einen ganzen Hügel von[102]5
Arbeit auf und ich habe kaum Zeit zu niesen, noch weniger so viel
historische Quellen mehr als einmal zu durchwaten -- Alle meine Aeste
wachsen gegen das Fenster meines Treibhauses zu und wollen durch-
brechen und sich im Wehen Ihres Edens baden. -- Vielleicht wirft
mir eine freigebige Minute einen Aufsaz. Jeden Abend wehe die Ruhe10
die friedliche Dreieinigkeit in der untern Stube an wie mich neulich, da
die Dämmerung darin -- der gewöhnliche Bestandtheil unsrer Freude
-- so gros war als mein Genus.

156. An Christian Otto.
15

Ich schicke dir von meinem neuen Buche die 2 ersten Kapitel, die sich
den Mitwoch auf die Post sezen. Lies also mit Extrapost. Obgleich
die Geschichte nicht zertrent gelesen werden mus: so thuts doch bei
diesen 2 Kapiteln nichts, weil sie in ihnen noch nicht angeht. -- Nach
der Analogie von Spießens Münz- und Rösels Insekten-Belustigungen20
nenn ich das Werk: J. P. biographische Belustigungen unter der
Gehirnschaale einer Riesin (variat: die er im Kopfe eines Kolosses
schrieb). Eine Geistergeschichte. Am Titel, der sich im ersten Kapitel
rechtfertigt, wähl' ich noch. Ziehe nicht blos ästhetische sondern auch
Unwissenheits Sünden vor dein Stadtvogteiamt.25

157. An Christian Otto.

Da jezt jeder Maulwurfshaufen ein Berg Thabor ist, wo man gen
Himmel fahren kan: so bin ich nicht länger zu halten und stelle mich
auch auf einen -- auf den Venzka[ischen]. Ein schöner gradus ad30
Parnassum
dazu wäre der Weg nach Zedwiz, wenn du (oder ihr)
heute Nachmittags dahin gienget und drunten nicht viel später auf-
brächet als ich, obwol nach entgegengesezter Richtung.

Ich danke dir für dein launiges Urthel, von dem ich mit meinen
Exekuzionstruppen so viel volstrecket habe als an 1. Morgen möglich35

155. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Kopie]

1. Wil mir der Kinderton nicht recht aus der Stimrize — ein
äſthetiſcher Tenoriſt kan nicht ſogleich ein hiſtoriſcher Diſkantiſt
werden — 2) werf’ ich armer Maulwurf einen ganzen Hügel von[102]5
Arbeit auf und ich habe kaum Zeit zu nieſen, noch weniger ſo viel
hiſtoriſche Quellen mehr als einmal zu durchwaten — Alle meine Aeſte
wachſen gegen das Fenſter meines Treibhauſes zu und wollen durch-
brechen und ſich im Wehen Ihres Edens baden. — Vielleicht wirft
mir eine freigebige Minute einen Aufſaz. Jeden Abend wehe die Ruhe10
die friedliche Dreieinigkeit in der untern Stube an wie mich neulich, da
die Dämmerung darin — der gewöhnliche Beſtandtheil unſrer Freude
— ſo gros war als mein Genus.

156. An Chriſtian Otto.
15

Ich ſchicke dir von meinem neuen Buche die 2 erſten Kapitel, die ſich
den Mitwoch auf die Poſt ſezen. Lies alſo mit Extrapoſt. Obgleich
die Geſchichte nicht zertrent geleſen werden mus: ſo thuts doch bei
dieſen 2 Kapiteln nichts, weil ſie in ihnen noch nicht angeht. — Nach
der Analogie von Spießens Münz- und Röſels Inſekten-Beluſtigungen20
nenn ich das Werk: J. P. biographiſche Beluſtigungen unter der
Gehirnſchaale einer Rieſin (variat: die er im Kopfe eines Koloſſes
ſchrieb). Eine Geiſtergeſchichte. Am Titel, der ſich im erſten Kapitel
rechtfertigt, wähl’ ich noch. Ziehe nicht blos äſthetiſche ſondern auch
Unwiſſenheits Sünden vor dein Stadtvogteiamt.25

157. An Chriſtian Otto.

Da jezt jeder Maulwurfshaufen ein Berg Thabor iſt, wo man gen
Himmel fahren kan: ſo bin ich nicht länger zu halten und ſtelle mich
auch auf einen — auf den Venzka[iſchen]. Ein ſchöner gradus ad30
Parnassum
dazu wäre der Weg nach Zedwiz, wenn du (oder ihr)
heute Nachmittags dahin gienget und drunten nicht viel ſpäter auf-
brächet als ich, obwol nach entgegengeſezter Richtung.

Ich danke dir für dein launiges Urthel, von dem ich mit meinen
Exekuzionstruppen ſo viel volſtrecket habe als an 1. Morgen möglich35

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[107/0118] 155. An Dr. Ellrodt in Bayreuth. [Hof, 20. Aug. 1795] 1. Wil mir der Kinderton nicht recht aus der Stimrize — ein äſthetiſcher Tenoriſt kan nicht ſogleich ein hiſtoriſcher Diſkantiſt werden — 2) werf’ ich armer Maulwurf einen ganzen Hügel von 5 Arbeit auf und ich habe kaum Zeit zu nieſen, noch weniger ſo viel hiſtoriſche Quellen mehr als einmal zu durchwaten — Alle meine Aeſte wachſen gegen das Fenſter meines Treibhauſes zu und wollen durch- brechen und ſich im Wehen Ihres Edens baden. — Vielleicht wirft mir eine freigebige Minute einen Aufſaz. Jeden Abend wehe die Ruhe 10 die friedliche Dreieinigkeit in der untern Stube an wie mich neulich, da die Dämmerung darin — der gewöhnliche Beſtandtheil unſrer Freude — ſo gros war als mein Genus. [102] 156. An Chriſtian Otto. [Hof, 22. Aug. 1795. Sonnabend] 15 Ich ſchicke dir von meinem neuen Buche die 2 erſten Kapitel, die ſich den Mitwoch auf die Poſt ſezen. Lies alſo mit Extrapoſt. Obgleich die Geſchichte nicht zertrent geleſen werden mus: ſo thuts doch bei dieſen 2 Kapiteln nichts, weil ſie in ihnen noch nicht angeht. — Nach der Analogie von Spießens Münz- und Röſels Inſekten-Beluſtigungen 20 nenn ich das Werk: J. P. biographiſche Beluſtigungen unter der Gehirnſchaale einer Rieſin (variat: die er im Kopfe eines Koloſſes ſchrieb). Eine Geiſtergeſchichte. Am Titel, der ſich im erſten Kapitel rechtfertigt, wähl’ ich noch. Ziehe nicht blos äſthetiſche ſondern auch Unwiſſenheits Sünden vor dein Stadtvogteiamt. 25 157. An Chriſtian Otto. [Hof, 26. Aug. 1795. Mittwoch] Da jezt jeder Maulwurfshaufen ein Berg Thabor iſt, wo man gen Himmel fahren kan: ſo bin ich nicht länger zu halten und ſtelle mich auch auf einen — auf den Venzka[iſchen]. Ein ſchöner gradus ad 30 Parnassum dazu wäre der Weg nach Zedwiz, wenn du (oder ihr) heute Nachmittags dahin gienget und drunten nicht viel ſpäter auf- brächet als ich, obwol nach entgegengeſezter Richtung. Ich danke dir für dein launiges Urthel, von dem ich mit meinen Exekuzionstruppen ſo viel volſtrecket habe als an 1. Morgen möglich 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/118>, abgerufen am 21.11.2024.