Belustigungen nicht recht belustigen, weil ich nicht in die Manier des Hesperus und Fixlein hineinkan -- weil ich alles plat, ohne Humor, der hier alles versalzte, berichten mus -- und weil ich noch um den Anfang der Geschichte, den andere in die Mitte zurük krümmen wie einen Kapaunenkopf unter den Flügel, tanzen mus. Ich werde doch einmal5 das Jahr erleben wo ich die olympischen Wetspiele meiner Kräfte in mir ausschreiben kan, damit jener grosse Kardinal- und Kapitalroman zusammengeknetet werde, von dem ich im Voraus nicht genug reden kan, wie auch von dem kleinen Werklein, wozu mir Klopstok und seine Meta jeden Abend und auf langen Reisen Feuer einblasen. -- Blos das10 VI Kapitel hier söhnet mich zum Theil mit meinem Unvermögen wieder aus, das für das des Publikums recht passet. Möge dein Urtheil über die V Kapitel mir die Pille des meinigen versilbern. Freilich kömt das Beste noch. Das Schlimste ist, daß ich das bemalte Glas meines Guk- kasten dir allemal nur ruk- und Bogenweise vorschieben kan. "Genug,15 genug, genug" singt die Renate im bekanten Liedgen. Lebe recht wol.
Richter
[Rückseite:]Lies erst das andere Blat.
166. An Christian Otto.
[Hof, 16. Sept. 1795. Mittwoch]20
Wir gehen also abends hinab: ich komme nach. Ich habe jezt kaum Zeit, zu niesen: so sezt mir der Berliner zu. Denn die Dornenstücke -- eine närrische Biographie in meiner Manier -- müssen fertig ge- färbt werden. -- Warlich ich erschrak, als ich bei der Zurükkehr vom Spaziergang, den mir immer ein Unheil versalzt, das Paquet erblikte;25 und als ich zuerst nach deinen Lebenslinien sah, nahm der Schrecken zu. -- Dein Urtheil ist mir deswegen lieb, weil ich jezt mit mehr Muth ans [106]Übrige gehe. Mein Mistrauen kömt, ausser noch von der Unähnlich- keit des Buchs mit Hesperus und Fixlein, auch vom Kapitalroman her, dessen Szenen und Karaktere -- wenigstens 10 ganz neue K. sind30 darin -- ich immer mit den jezigen vergleiche. Ich habe überhaupt um mich her, kein Urtheil, das ich meinem entgegensezen kan, als deines, da die andern H. Leser und Dlles Leserinnen samt und sonders zum Er- barmen loben und tadeln. Wornach ich und du am wenigsten fragen, das loben sie; und umgekehrt. -- Ich danke dir für deine neue und35 prompte Mühe.
Beluſtigungen nicht recht beluſtigen, weil ich nicht in die Manier des Heſperus und Fixlein hineinkan — weil ich alles plat, ohne Humor, der hier alles verſalzte, berichten mus — und weil ich noch um den Anfang der Geſchichte, den andere in die Mitte zurük krümmen wie einen Kapaunenkopf unter den Flügel, tanzen mus. Ich werde doch einmal5 das Jahr erleben wo ich die olympiſchen Wetſpiele meiner Kräfte in mir ausſchreiben kan, damit jener groſſe Kardinal- und Kapitalroman zuſammengeknetet werde, von dem ich im Voraus nicht genug reden kan, wie auch von dem kleinen Werklein, wozu mir Klopſtok und ſeine Meta jeden Abend und auf langen Reiſen Feuer einblaſen. — Blos das10 VI Kapitel hier ſöhnet mich zum Theil mit meinem Unvermögen wieder aus, das für das des Publikums recht paſſet. Möge dein Urtheil über die V Kapitel mir die Pille des meinigen verſilbern. Freilich kömt das Beſte noch. Das Schlimſte iſt, daß ich das bemalte Glas meines Guk- kaſten dir allemal nur ruk- und Bogenweiſe vorſchieben kan. „Genug,15 genug, genug“ ſingt die Renate im bekanten Liedgen. Lebe recht wol.
Richter
[Rückseite:]Lies erſt das andere Blat.
166. An Chriſtian Otto.
[Hof, 16. Sept. 1795. Mittwoch]20
Wir gehen alſo abends hinab: ich komme nach. Ich habe jezt kaum Zeit, zu nieſen: ſo ſezt mir der Berliner zu. Denn die Dornenſtücke — eine närriſche Biographie in meiner Manier — müſſen fertig ge- färbt werden. — Warlich ich erſchrak, als ich bei der Zurükkehr vom Spaziergang, den mir immer ein Unheil verſalzt, das Paquet erblikte;25 und als ich zuerſt nach deinen Lebenslinien ſah, nahm der Schrecken zu. — Dein Urtheil iſt mir deswegen lieb, weil ich jezt mit mehr Muth ans [106]Übrige gehe. Mein Mistrauen kömt, auſſer noch von der Unähnlich- keit des Buchs mit Hesperus und Fixlein, auch vom Kapitalroman her, deſſen Szenen und Karaktere — wenigſtens 10 ganz neue K. ſind30 darin — ich immer mit den jezigen vergleiche. Ich habe überhaupt um mich her, kein Urtheil, das ich meinem entgegenſezen kan, als deines, da die andern H. Leſer und Dlles Leſerinnen ſamt und ſonders zum Er- barmen loben und tadeln. Wornach ich und du am wenigſten fragen, das loben ſie; und umgekehrt. — Ich danke dir für deine neue und35 prompte Mühe.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0121"n="110"/>
Beluſtigungen nicht recht beluſtigen, weil ich nicht in die Manier des<lb/>
Heſperus und Fixlein hineinkan — weil ich alles plat, ohne Humor, der<lb/>
hier alles verſalzte, berichten mus — und weil ich noch um den Anfang<lb/>
der Geſchichte, den andere in die Mitte zurük krümmen wie einen<lb/>
Kapaunenkopf unter den Flügel, tanzen mus. Ich werde doch einmal<lbn="5"/>
das Jahr erleben wo ich die olympiſchen Wetſpiele meiner Kräfte in<lb/>
mir ausſchreiben kan, damit jener groſſe Kardinal- und Kapitalroman<lb/>
zuſammengeknetet werde, von dem ich im Voraus nicht genug reden kan,<lb/>
wie auch von dem kleinen Werklein, wozu mir Klopſtok und ſeine Meta<lb/>
jeden Abend und auf langen Reiſen Feuer einblaſen. — Blos das<lbn="10"/><hirendition="#aq">VI</hi> Kapitel hier ſöhnet mich zum Theil mit meinem Unvermögen wieder<lb/>
aus, das für das des Publikums recht paſſet. Möge dein Urtheil über<lb/>
die <hirendition="#aq">V</hi> Kapitel mir die Pille des meinigen verſilbern. Freilich kömt das<lb/>
Beſte noch. Das Schlimſte iſt, daß ich das bemalte Glas meines Guk-<lb/>
kaſten dir allemal nur ruk- und Bogenweiſe vorſchieben kan. „Genug,<lbn="15"/>
genug, genug“ſingt die Renate im bekanten Liedgen. Lebe recht wol.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Richter</hi></salute></closer><lb/><postscriptn="2"><p><notetype="editorial">[<hirendition="#aq"><hirendition="#i">Rückseite:</hi></hi>]</note>Lies erſt das andere Blat.</p></postscript></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>166. An <hirendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right">[Hof, 16. Sept. 1795. Mittwoch]</hi></dateline><lbn="20"/><p>Wir gehen alſo abends hinab: ich komme nach. Ich habe jezt kaum<lb/>
Zeit, zu nieſen: ſo ſezt mir der Berliner zu. Denn die Dornenſtücke<lb/>— eine närriſche Biographie in meiner Manier — müſſen fertig ge-<lb/>
färbt werden. — Warlich ich erſchrak, als ich bei der Zurükkehr vom<lb/>
Spaziergang, den mir immer ein Unheil verſalzt, das Paquet erblikte;<lbn="25"/>
und als ich zuerſt nach deinen Lebenslinien ſah, nahm der Schrecken zu. —<lb/>
Dein Urtheil iſt mir deswegen lieb, weil ich jezt mit mehr Muth ans<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_106">[106]</ref></note>Übrige gehe. Mein Mistrauen kömt, auſſer noch von der Unähnlich-<lb/>
keit des Buchs mit <hirendition="#aq">Hesperus</hi> und <hirendition="#aq">Fixlein,</hi> auch vom Kapitalroman<lb/>
her, deſſen Szenen und Karaktere — wenigſtens 10 ganz neue K. ſind<lbn="30"/>
darin — ich immer mit den jezigen vergleiche. Ich habe überhaupt um<lb/>
mich her, kein Urtheil, das ich meinem entgegenſezen kan, als deines,<lb/>
da die andern H. Leſer und <hirendition="#aq">Dlles</hi> Leſerinnen ſamt und ſonders zum Er-<lb/>
barmen loben und tadeln. Wornach ich und du am wenigſten fragen,<lb/>
das loben ſie; und umgekehrt. — Ich danke dir für deine neue und<lbn="35"/>
prompte Mühe.</p></div><lb/></body></text></TEI>
[110/0121]
Beluſtigungen nicht recht beluſtigen, weil ich nicht in die Manier des
Heſperus und Fixlein hineinkan — weil ich alles plat, ohne Humor, der
hier alles verſalzte, berichten mus — und weil ich noch um den Anfang
der Geſchichte, den andere in die Mitte zurük krümmen wie einen
Kapaunenkopf unter den Flügel, tanzen mus. Ich werde doch einmal 5
das Jahr erleben wo ich die olympiſchen Wetſpiele meiner Kräfte in
mir ausſchreiben kan, damit jener groſſe Kardinal- und Kapitalroman
zuſammengeknetet werde, von dem ich im Voraus nicht genug reden kan,
wie auch von dem kleinen Werklein, wozu mir Klopſtok und ſeine Meta
jeden Abend und auf langen Reiſen Feuer einblaſen. — Blos das 10
VI Kapitel hier ſöhnet mich zum Theil mit meinem Unvermögen wieder
aus, das für das des Publikums recht paſſet. Möge dein Urtheil über
die V Kapitel mir die Pille des meinigen verſilbern. Freilich kömt das
Beſte noch. Das Schlimſte iſt, daß ich das bemalte Glas meines Guk-
kaſten dir allemal nur ruk- und Bogenweiſe vorſchieben kan. „Genug, 15
genug, genug“ ſingt die Renate im bekanten Liedgen. Lebe recht wol.
Richter
Lies erſt das andere Blat.
166. An Chriſtian Otto.
[Hof, 16. Sept. 1795. Mittwoch] 20
Wir gehen alſo abends hinab: ich komme nach. Ich habe jezt kaum
Zeit, zu nieſen: ſo ſezt mir der Berliner zu. Denn die Dornenſtücke
— eine närriſche Biographie in meiner Manier — müſſen fertig ge-
färbt werden. — Warlich ich erſchrak, als ich bei der Zurükkehr vom
Spaziergang, den mir immer ein Unheil verſalzt, das Paquet erblikte; 25
und als ich zuerſt nach deinen Lebenslinien ſah, nahm der Schrecken zu. —
Dein Urtheil iſt mir deswegen lieb, weil ich jezt mit mehr Muth ans
Übrige gehe. Mein Mistrauen kömt, auſſer noch von der Unähnlich-
keit des Buchs mit Hesperus und Fixlein, auch vom Kapitalroman
her, deſſen Szenen und Karaktere — wenigſtens 10 ganz neue K. ſind 30
darin — ich immer mit den jezigen vergleiche. Ich habe überhaupt um
mich her, kein Urtheil, das ich meinem entgegenſezen kan, als deines,
da die andern H. Leſer und Dlles Leſerinnen ſamt und ſonders zum Er-
barmen loben und tadeln. Wornach ich und du am wenigſten fragen,
das loben ſie; und umgekehrt. — Ich danke dir für deine neue und 35
prompte Mühe.
[106]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/121>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.