marterten Menschheit vormalte. Dan schlos ich Frieden mit allen Menschen und mit mir und hasse nun keinen mehr, (die schnellen Minuten der Schwäche ausgenommen). Möge mein Aufsaz stat der Rauchwolke dienen! -- Wenn der Punkt der "Metempsychose" darin nicht die Stimmung nachlässet, die nie aufhört: so hab ich nichts von5 [118]allem ausgedrükt, was ich wolte. Mögest auch du alles, mein lieber Theuerer, mit dieser kleinen Untersuchung ausheilen wie ich, was dich an deiner oft verlezten Seele schmerzt!
Richter
Morgen schick ich dir den Rest; aber du thust mir den Gefallen, alles10 bis auf den Sonabend -- weil es da zu Emanuel sol -- durchzulesen und zurükzugeben. Die andere Woche begleitet es die Berlin[er] Briefe.
Jezt früh.
Ich wolt es gestern vergeblich volenden. Lies, eh das Andre kömt, nur bis zum Einbug.15
181. An Emanuel.
Hof d. 23 Okt. 95 [Freitag].
Geliebter Rechtschaffener,
Möge der Tag Ihrer hiesigen flatternden Erscheinung, dieser ab- gekürzte Nachsommer, der meteorologisch aussen und psychologisch20 innen vor uns einen blauen Himmel aufthat, noch mit einem so schönen und langen Abendrothe in Ihrer Seele stehen wie in unsern allen! -- Möge mein Emanuel noch glüklicher sein als der, der es hier wünscht! -- Denn für mich Unersätlichen giebt es seit meinem Blicke in die hiesige Vergänglichkeit und Einschränkung aller höhern Freuden25 wenig mehr als Seufzer im Glük und Hofnungen des Jenseits. --
Dem Aufsaze hab ich ausser der Bitte, daß Sie mir ihn auf den Dienstag(exclus.) wieder schicken, nichts mitzugeben als den Wunsch, daß er die Stunde, in der ich mit allen Wesen dieser Erde und mit mir selber Frieden schlos, weiter gebe. Troz der leichten spielenden Ein-30 kleidung sind alle Säze darin des strengsten Beweises fähig: ich sage alles frivol was ich ernsthaft meine: leider ist gerade die Neigung, über alles zu scherzen, nach nichts zu fragen, und Reichthum und Armuth, Freude und Schmerz für grösser[e] Nachbarn und für kleinere Dinge
marterten Menſchheit vormalte. Dan ſchlos ich Frieden mit allen Menſchen und mit mir und haſſe nun keinen mehr, (die ſchnellen Minuten der Schwäche ausgenommen). Möge mein Aufſaz ſtat der Rauchwolke dienen! — Wenn der Punkt der „Metempſychoſe“ darin nicht die Stimmung nachläſſet, die nie aufhört: ſo hab ich nichts von5 [118]allem ausgedrükt, was ich wolte. Mögeſt auch du alles, mein lieber Theuerer, mit dieſer kleinen Unterſuchung ausheilen wie ich, was dich an deiner oft verlezten Seele ſchmerzt!
Richter
Morgen ſchick ich dir den Reſt; aber du thuſt mir den Gefallen, alles10 bis auf den Sonabend — weil es da zu Emanuel ſol — durchzuleſen und zurükzugeben. Die andere Woche begleitet es die Berlin[er] Briefe.
Jezt früh.
Ich wolt es geſtern vergeblich volenden. Lies, eh das Andre kömt, nur bis zum Einbug.15
181. An Emanuel.
Hof d. 23 Okt. 95 [Freitag].
Geliebter Rechtſchaffener,
Möge der Tag Ihrer hieſigen flatternden Erſcheinung, dieſer ab- gekürzte Nachſommer, der meteorologiſch auſſen und pſychologiſch20 innen vor uns einen blauen Himmel aufthat, noch mit einem ſo ſchönen und langen Abendrothe in Ihrer Seele ſtehen wie in unſern allen! — Möge mein Emanuel noch glüklicher ſein als der, der es hier wünſcht! — Denn für mich Unerſätlichen giebt es ſeit meinem Blicke in die hieſige Vergänglichkeit und Einſchränkung aller höhern Freuden25 wenig mehr als Seufzer im Glük und Hofnungen des Jenſeits. —
Dem Aufſaze hab ich auſſer der Bitte, daß Sie mir ihn auf den Dienſtag(exclus.) wieder ſchicken, nichts mitzugeben als den Wunſch, daß er die Stunde, in der ich mit allen Weſen dieſer Erde und mit mir ſelber Frieden ſchlos, weiter gebe. Troz der leichten ſpielenden Ein-30 kleidung ſind alle Säze darin des ſtrengſten Beweiſes fähig: ich ſage alles frivol was ich ernſthaft meine: leider iſt gerade die Neigung, über alles zu ſcherzen, nach nichts zu fragen, und Reichthum und Armuth, Freude und Schmerz für gröſſer[e] Nachbarn und für kleinere Dinge
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marterten Menſchheit vormalte. Dan ſchlos ich Frieden mit allen
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Rauchwolke dienen! — Wenn der Punkt der „Metempſychoſe“ darin
nicht die Stimmung nachläſſet, die nie aufhört: ſo hab ich nichts von 5
allem ausgedrükt, was ich wolte. Mögeſt auch du alles, mein lieber
Theuerer, mit dieſer kleinen Unterſuchung ausheilen wie ich, was dich
an deiner oft verlezten Seele ſchmerzt!
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Richter
Morgen ſchick ich dir den Reſt; aber du thuſt mir den Gefallen, alles 10
bis auf den Sonabend — weil es da zu Emanuel ſol — durchzuleſen
und zurükzugeben. Die andere Woche begleitet es die Berlin[er] Briefe.
Jezt früh.
Ich wolt es geſtern vergeblich volenden. Lies, eh das Andre kömt,
nur bis zum Einbug. 15
181. An Emanuel.
Hof d. 23 Okt. 95 [Freitag].
Geliebter Rechtſchaffener,
Möge der Tag Ihrer hieſigen flatternden Erſcheinung, dieſer ab-
gekürzte Nachſommer, der meteorologiſch auſſen und pſychologiſch 20
innen vor uns einen blauen Himmel aufthat, noch mit einem ſo
ſchönen und langen Abendrothe in Ihrer Seele ſtehen wie in unſern
allen! — Möge mein Emanuel noch glüklicher ſein als der, der es hier
wünſcht! — Denn für mich Unerſätlichen giebt es ſeit meinem Blicke
in die hieſige Vergänglichkeit und Einſchränkung aller höhern Freuden 25
wenig mehr als Seufzer im Glük und Hofnungen des Jenſeits. —
Dem Aufſaze hab ich auſſer der Bitte, daß Sie mir ihn auf den
Dienſtag (exclus.) wieder ſchicken, nichts mitzugeben als den Wunſch,
daß er die Stunde, in der ich mit allen Weſen dieſer Erde und mit mir
ſelber Frieden ſchlos, weiter gebe. Troz der leichten ſpielenden Ein- 30
kleidung ſind alle Säze darin des ſtrengſten Beweiſes fähig: ich ſage
alles frivol was ich ernſthaft meine: leider iſt gerade die Neigung, über
alles zu ſcherzen, nach nichts zu fragen, und Reichthum und Armuth,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/133>, abgerufen am 16.02.2025.
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