[124]Ich habe in diesem Geschäftsbrief nichts als Geschäfte -- nicht zu machen sondern aufzutragen, Ihnen, Lieber. Erstlich bitt' ich Sie, dem H. Hofrath Schaefer ausser meinem herzlichsten Grus die Bitte zu bringen, daß wenn ein Paquet unter der Adresse an "Theodorus" an ihn von den Herausgebern der staatswissenschaftlichen Litteratur5 einläuft, er mir es gütig übersenden möge und daß er über diese Freiheit, ihm Paquete wie Mücken ins Haus zu ziehen, nicht zürne. -- Zweitens bitt' ich Sie, an H. Ellrodt auch einen Grus (und eine Bitte) zu übermachen; (die nämlich, daß er H. Lübek frage, warum die Exemplare meines neuen Buches so lange in Bayreuth verzögern als10 meine Briefe an meine gute Schreib-Dreieinigkeit draussen hier in Hof.*) Denn jedem der 3 Exemplare wolt' ich einen langen Brief zum Begleiter geben.
Ihr lezter an mich gefält mir am meisten. -- Sie dürfen nicht aus der Welt gehen ohne drei Bücher so auswendig gelernt zu haben wie15 ich: Arrians Epiktet -- Antonins Betrachtungen -- und Kants Grundlegung zu einer Metaphysik der Sitten. Ich bitte Sie, alles was Kant über die Moral geschrieben, zu lesen: es ist leichter als sein Werk über oder gegen die Metaphysik und sezet die Lektüre des leztern nicht voraus. Glauben Sie mir auf mein Wort, das Geschrei über seine20 Unverständlichkeit werden Sie nicht mitschreien, wenn Sie blos in die ewig glänzenden Sonnen schauen, die er im Reiche der Moral auf- gehen lässet. Ihm fehlet zu einem zweiten Sokrates nur der Gift- becher und zum 2ten Christus nur das Kreuz.
Sie haben mich einigemale bisher misverstanden, in meinem25 Aufsaze und noch mehr im begleitenden Briefe. Meine Schwermuth, an der Sie einen so tugendhaften rührenden Antheil nehmen, be- zieht sich nicht auf Glüksgüter -- diese würden sie nur erhöhen und ich lebte ganz sorglos von jeher in das Leben hinein, das ich nicht sehr achte -- sie bezieht sich auch nicht auf meine Laune: ich bin den ganzen30 Tag heiter, zufrieden mit jedem Loos, mit allen Menschen, verhärtet gegen die Wespenstiche der Feinde und gegen manche Schläge des Schiksals, immer lustig durch meine Satiren, beglükt durch Bücher, [125]entzükt durch die grosse Natur aussen und durch die grössere innen, die der Ewige in die Brust edler Menschen legt ... Und doch erdrükt mich35
*) Eben brachte mir die Landkutsche die Erfüllung der obigen Bitte.
[124]Ich habe in dieſem Geſchäftsbrief nichts als Geſchäfte — nicht zu machen ſondern aufzutragen, Ihnen, Lieber. Erſtlich bitt’ ich Sie, dem H. Hofrath Schaefer auſſer meinem herzlichſten Grus die Bitte zu bringen, daß wenn ein Paquet unter der Adreſſe an „Theodorus“ an ihn von den Herausgebern der ſtaatswiſſenſchaftlichen Litteratur5 einläuft, er mir es gütig überſenden möge und daß er über dieſe Freiheit, ihm Paquete wie Mücken ins Haus zu ziehen, nicht zürne. — Zweitens bitt’ ich Sie, an H. Ellrodt auch einen Grus (und eine Bitte) zu übermachen; (die nämlich, daß er H. Lübek frage, warum die Exemplare meines neuen Buches ſo lange in Bayreuth verzögern als10 meine Briefe an meine gute Schreib-Dreieinigkeit drauſſen hier in Hof.*) Denn jedem der 3 Exemplare wolt’ ich einen langen Brief zum Begleiter geben.
Ihr lezter an mich gefält mir am meiſten. — Sie dürfen nicht aus der Welt gehen ohne drei Bücher ſo auswendig gelernt zu haben wie15 ich: Arrians Epiktet — Antonins Betrachtungen — und Kants Grundlegung zu einer Metaphyſik der Sitten. Ich bitte Sie, alles was Kant über die Moral geſchrieben, zu leſen: es iſt leichter als ſein Werk über oder gegen die Metaphyſik und ſezet die Lektüre des leztern nicht voraus. Glauben Sie mir auf mein Wort, das Geſchrei über ſeine20 Unverſtändlichkeit werden Sie nicht mitſchreien, wenn Sie blos in die ewig glänzenden Sonnen ſchauen, die er im Reiche der Moral auf- gehen läſſet. Ihm fehlet zu einem zweiten Sokrates nur der Gift- becher und zum 2ten Chriſtus nur das Kreuz.
Sie haben mich einigemale bisher misverſtanden, in meinem25 Aufſaze und noch mehr im begleitenden Briefe. Meine Schwermuth, an der Sie einen ſo tugendhaften rührenden Antheil nehmen, be- zieht ſich nicht auf Glüksgüter — dieſe würden ſie nur erhöhen und ich lebte ganz ſorglos von jeher in das Leben hinein, das ich nicht ſehr achte — ſie bezieht ſich auch nicht auf meine Laune: ich bin den ganzen30 Tag heiter, zufrieden mit jedem Loos, mit allen Menſchen, verhärtet gegen die Weſpenſtiche der Feinde und gegen manche Schläge des Schikſals, immer luſtig durch meine Satiren, beglükt durch Bücher, [125]entzükt durch die groſſe Natur auſſen und durch die gröſſere innen, die der Ewige in die Bruſt edler Menſchen legt ... Und doch erdrükt mich35
*) Eben brachte mir die Landkutſche die Erfüllung der obigen Bitte.
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Ich habe in dieſem Geſchäftsbrief nichts als Geſchäfte — nicht zu
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an ihn von den Herausgebern der ſtaatswiſſenſchaftlichen Litteratur 5
einläuft, er mir es gütig überſenden möge und daß er über dieſe
Freiheit, ihm Paquete wie Mücken ins Haus zu ziehen, nicht zürne. —
Zweitens bitt’ ich Sie, an H. Ellrodt auch einen Grus (und eine
Bitte) zu übermachen; (die nämlich, daß er H. Lübek frage, warum die
Exemplare meines neuen Buches ſo lange in Bayreuth verzögern als 10
meine Briefe an meine gute Schreib-Dreieinigkeit drauſſen hier in
Hof. *) Denn jedem der 3 Exemplare wolt’ ich einen langen Brief zum
Begleiter geben.
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Ihr lezter an mich gefält mir am meiſten. — Sie dürfen nicht aus
der Welt gehen ohne drei Bücher ſo auswendig gelernt zu haben wie 15
ich: Arrians Epiktet — Antonins Betrachtungen — und Kants
Grundlegung zu einer Metaphyſik der Sitten. Ich bitte Sie, alles was
Kant über die Moral geſchrieben, zu leſen: es iſt leichter als ſein Werk
über oder gegen die Metaphyſik und ſezet die Lektüre des leztern nicht
voraus. Glauben Sie mir auf mein Wort, das Geſchrei über ſeine 20
Unverſtändlichkeit werden Sie nicht mitſchreien, wenn Sie blos in die
ewig glänzenden Sonnen ſchauen, die er im Reiche der Moral auf-
gehen läſſet. Ihm fehlet zu einem zweiten Sokrates nur der Gift-
becher und zum 2ten Chriſtus nur das Kreuz.
Sie haben mich einigemale bisher misverſtanden, in meinem 25
Aufſaze und noch mehr im begleitenden Briefe. Meine Schwermuth,
an der Sie einen ſo tugendhaften rührenden Antheil nehmen, be-
zieht ſich nicht auf Glüksgüter — dieſe würden ſie nur erhöhen und ich
lebte ganz ſorglos von jeher in das Leben hinein, das ich nicht ſehr
achte — ſie bezieht ſich auch nicht auf meine Laune: ich bin den ganzen 30
Tag heiter, zufrieden mit jedem Loos, mit allen Menſchen, verhärtet
gegen die Weſpenſtiche der Feinde und gegen manche Schläge des
Schikſals, immer luſtig durch meine Satiren, beglükt durch Bücher,
entzükt durch die groſſe Natur auſſen und durch die gröſſere innen, die
der Ewige in die Bruſt edler Menſchen legt ... Und doch erdrükt mich 35
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*) Eben brachte mir die Landkutſche die Erfüllung der obigen Bitte.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/139>, abgerufen am 21.11.2024.
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