wenn die Erde mit meinen und unsern Lebensmöbeln und Geschirren und Lumpen weit unter unsern Füssen flieht? -- Sagen Sie der Dame, daß ich furchtsamer bin als furchtbar. Ich finde Fehler, aber ich suche keine, sondern nur Schönheiten, die [ich] leicht finde und leicht erträume. Sobald man nicht in bürgerliche Verhältnisse mit einem Menschen5 kömt, ist es eben so fehlerhaft, nach seinen Höckern herumzutasten, als es [150]wäre, wenn man auf einem Blumenbeete die Tulpen auseinanderbiegen und die verdorten Gräsgen des dunkeln Bodens aufdecken wolte. --
Die Gleichheit des Herzens hilft jeder Ungleichheit des Standes und Kopfes in der Freundschaft ab. Wenn ein Fürst ein Emanuel, oder10 eine Gräfin eine Emanuela ist: so können ich und Sie beide lieben. Was Sie aber darüber schrieben, ist sehr schön.
Amöne schrieb mir: "stilschweigend hätt ich meine Erlaubnis lieber "gegeben als laut. Schreiben Sie was Sie wollen. Lieset Ihre Bücher "doch auch jeder." D. h.: sie sagt Ja. Sobald ein Mädgen ein "Nein"15 nicht rundweg sagt, sondern mit Bedingungen: so sol man ihr nur das Ja abpressen. --
-- In der algem. Gerichtsordnung § 12 des XII. Tit. steht gleich- wol: "die Dedukzionen werden in der Regel von den rechtserfahrnen "Bevolmächtigten oder Beiständen, deren sich die Partheien bei der20 "Instrukzion bedient haben, angefertigt. Doch steht einer jeden Parthei, "besonders denjenigen, die die Instrukzion persönlich ohne besondere "Assistenten abgewartet haben, frei, die Anfertigung der Dedukzion "irgend einem andern selbst gewählten Rechtsgelehrten zu über- "tragen. Auch müssen dergl. allemal von einem Justizkommissar25 "unterschrieben und legalisiert sein."
Nach diesem Paragraph könnten Sie doch. -- Ich mag nicht weiter darüber denken d. h. fluchen.
Ich hatte nicht nur neulich die stumme Erlaubnis von Otto, seinen Brief an Sie zu lesen, sondern auch jezt die laute, Sie darum zu bitten30 -- zumal da er selber ihn wieder lesen wil.
Meinen herzlichen Dank für alles, was Sie mir in Bayreuth neu- lich gaben und noch immer verschaffen, worunter Freunde zuerst ge- hören -- Freundinnen auch. Wie sehn' ich mich wieder hin!
Ihr35 unveränderlicher Freund Richter
wenn die Erde mit meinen und unſern Lebensmöbeln und Geſchirren und Lumpen weit unter unſern Füſſen flieht? — Sagen Sie der Dame, daß ich furchtſamer bin als furchtbar. Ich finde Fehler, aber ich ſuche keine, ſondern nur Schönheiten, die [ich] leicht finde und leicht erträume. Sobald man nicht in bürgerliche Verhältniſſe mit einem Menſchen5 kömt, iſt es eben ſo fehlerhaft, nach ſeinen Höckern herumzutaſten, als es [150]wäre, wenn man auf einem Blumenbeete die Tulpen auseinanderbiegen und die verdorten Gräsgen des dunkeln Bodens aufdecken wolte. —
Die Gleichheit des Herzens hilft jeder Ungleichheit des Standes und Kopfes in der Freundſchaft ab. Wenn ein Fürſt ein Emanuel, oder10 eine Gräfin eine Emanuela iſt: ſo können ich und Sie beide lieben. Was Sie aber darüber ſchrieben, iſt ſehr ſchön.
Amöne ſchrieb mir: „ſtilſchweigend hätt ich meine Erlaubnis lieber „gegeben als laut. Schreiben Sie was Sie wollen. Lieſet Ihre Bücher „doch auch jeder.“ D. h.: ſie ſagt Ja. Sobald ein Mädgen ein „Nein“15 nicht rundweg ſagt, ſondern mit Bedingungen: ſo ſol man ihr nur das Ja abpreſſen. —
— In der algem. Gerichtsordnung § 12 des XII. Tit. ſteht gleich- wol: „die Dedukzionen werden in der Regel von den rechtserfahrnen „Bevolmächtigten oder Beiſtänden, deren ſich die Partheien bei der20 „Inſtrukzion bedient haben, angefertigt. Doch ſteht einer jeden Parthei, „beſonders denjenigen, die die Inſtrukzion perſönlich ohne beſondere „Aſſiſtenten abgewartet haben, frei, die Anfertigung der Dedukzion „irgend einem andern ſelbſt gewählten Rechtsgelehrten zu über- „tragen. Auch müſſen dergl. allemal von einem Juſtizkommiſſar25 „unterſchrieben und legaliſiert ſein.“
Nach dieſem Paragraph könnten Sie doch. — Ich mag nicht weiter darüber denken d. h. fluchen.
Ich hatte nicht nur neulich die ſtumme Erlaubnis von Otto, ſeinen Brief an Sie zu leſen, ſondern auch jezt die laute, Sie darum zu bitten30 — zumal da er ſelber ihn wieder leſen wil.
Meinen herzlichen Dank für alles, was Sie mir in Bayreuth neu- lich gaben und noch immer verſchaffen, worunter Freunde zuerſt ge- hören — Freundinnen auch. Wie ſehn’ ich mich wieder hin!
Ihr35 unveränderlicher Freund Richter
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Sobald man nicht in bürgerliche Verhältniſſe mit einem Menſchen 5
kömt, iſt es eben ſo fehlerhaft, nach ſeinen Höckern herumzutaſten, als es
wäre, wenn man auf einem Blumenbeete die Tulpen auseinanderbiegen
und die verdorten Gräsgen des dunkeln Bodens aufdecken wolte. —
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Die Gleichheit des Herzens hilft jeder Ungleichheit des Standes und
Kopfes in der Freundſchaft ab. Wenn ein Fürſt ein Emanuel, oder 10
eine Gräfin eine Emanuela iſt: ſo können ich und Sie beide lieben.
Was Sie aber darüber ſchrieben, iſt ſehr ſchön.
Amöne ſchrieb mir: „ſtilſchweigend hätt ich meine Erlaubnis lieber
„gegeben als laut. Schreiben Sie was Sie wollen. Lieſet Ihre Bücher
„doch auch jeder.“ D. h.: ſie ſagt Ja. Sobald ein Mädgen ein „Nein“ 15
nicht rundweg ſagt, ſondern mit Bedingungen: ſo ſol man ihr nur das
Ja abpreſſen. —
— In der algem. Gerichtsordnung § 12 des XII. Tit. ſteht gleich-
wol: „die Dedukzionen werden in der Regel von den rechtserfahrnen
„Bevolmächtigten oder Beiſtänden, deren ſich die Partheien bei der 20
„Inſtrukzion bedient haben, angefertigt. Doch ſteht einer jeden Parthei,
„beſonders denjenigen, die die Inſtrukzion perſönlich ohne beſondere
„Aſſiſtenten abgewartet haben, frei, die Anfertigung der Dedukzion
„irgend einem andern ſelbſt gewählten Rechtsgelehrten zu über-
„tragen. Auch müſſen dergl. allemal von einem Juſtizkommiſſar 25
„unterſchrieben und legaliſiert ſein.“
Nach dieſem Paragraph könnten Sie doch. — Ich mag nicht weiter
darüber denken d. h. fluchen.
Ich hatte nicht nur neulich die ſtumme Erlaubnis von Otto, ſeinen
Brief an Sie zu leſen, ſondern auch jezt die laute, Sie darum zu bitten 30
— zumal da er ſelber ihn wieder leſen wil.
Meinen herzlichen Dank für alles, was Sie mir in Bayreuth neu-
lich gaben und noch immer verſchaffen, worunter Freunde zuerſt ge-
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Ihr 35
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Richter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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