Du schüttelst ja den ganzen Erkentnisbaum über meinem Kopfe ab. Um den restierenden Jahrgang bitt ich dich, nämlich St. 10, 11, 12.
287. An Christian Otto.[174]5
[Hof, 14. April 1796]
Sei gut und gieb meinem Bruder die ästhetische nux von Helfrecht, weil sie heute in der Klasse aufgebissen wird. Du thätest mir einen Gefallen wenn du mir die "Vision" ungefähr morgen früh geben köntest, weil ich die 2te Hälfte umzubauen habe.10
288. An Christian Otto.
[Hof] d. 15 Apr. 96.
Ich hab' es meistens umgeschrieben und überal dein rügendes Urtheil befolgt, um es deines nachsichtigen wenn auch nicht würdig, doch würdiger zu machen. -- Um 8 Uhr sol es auf die Post für15 Emanuel, weil der es schwerlich gedrukt zu lesen bekömt. Ich frage dich nur, ob diese dritte Durchsicht deine Arbeiten nicht stöhrt: denn es hätte Zeit bis zur Wiederkunft von Emanuel. Für deinen Antheil an meinen Sachen hast du doch den Lohn des Bewustseins, daß in der Welt wenigstens kleine Sachen, wie meine sind, besser werden.20
Und schicke mir nachher die Westen etc. muster mit.
289. An Emanuel.
Citissime
[Hof, 15. April 1796. Freitag]
Guter!
Bayreuth d. 96 -- solten Sie heute schreiben, um das Monath25 vom Tage zu trennen. "4. 5. 96." ist 4 oder 5 das Monath? -- In der Freundschaft giebt es keine Vorrede mehr: man darf darin das Wichtigste im Scherz und den Scherz als Wichtigkeit sagen.
Wenn wir glauben, daß wir jemand etwas schicken, was für seine Seele ist: so lieben wir ihn eben darum mehr. Ja oft lieben wir ihn30 darum mehr, weil wir etwas von ihm fodern. Ich und Sie, mein Lieber, werden uns immer fester umarmen, je öfter wir zusammen- kommen. Im Anfang einer Bekantschaft drükt man mehr Liebe aus als man hat; in der Mitte derselben 10000 etc. mal weniger als man hat.
12 Jean Paul Briefe. II.
286. An Chriſtian Otto.
[Hof, 13. April 1796]
Du ſchüttelſt ja den ganzen Erkentnisbaum über meinem Kopfe ab. Um den reſtierenden Jahrgang bitt ich dich, nämlich St. 10, 11, 12.
287. An Chriſtian Otto.[174]5
[Hof, 14. April 1796]
Sei gut und gieb meinem Bruder die äſthetiſche nux von Helfrecht, weil ſie heute in der Klaſſe aufgebiſſen wird. Du thäteſt mir einen Gefallen wenn du mir die „Vision“ ungefähr morgen früh geben könteſt, weil ich die 2te Hälfte umzubauen habe.10
288. An Chriſtian Otto.
[Hof] d. 15 Apr. 96.
Ich hab’ es meiſtens umgeſchrieben und überal dein rügendes Urtheil befolgt, um es deines nachſichtigen wenn auch nicht würdig, doch würdiger zu machen. — Um 8 Uhr ſol es auf die Poſt für15 Emanuel, weil der es ſchwerlich gedrukt zu leſen bekömt. Ich frage dich nur, ob dieſe dritte Durchſicht deine Arbeiten nicht ſtöhrt: denn es hätte Zeit bis zur Wiederkunft von Emanuel. Für deinen Antheil an meinen Sachen haſt du doch den Lohn des Bewuſtſeins, daß in der Welt wenigſtens kleine Sachen, wie meine ſind, beſſer werden.20
Und ſchicke mir nachher die Weſten ꝛc. muſter mit.
289. An Emanuel.
Citissime
[Hof, 15. April 1796. Freitag]
Guter!
Bayreuth d. 96 — ſolten Sie heute ſchreiben, um das Monath25 vom Tage zu trennen. „4. 5. 96.“ iſt 4 oder 5 das Monath? — In der Freundſchaft giebt es keine Vorrede mehr: man darf darin das Wichtigſte im Scherz und den Scherz als Wichtigkeit ſagen.
Wenn wir glauben, daß wir jemand etwas ſchicken, was für ſeine Seele iſt: ſo lieben wir ihn eben darum mehr. Ja oft lieben wir ihn30 darum mehr, weil wir etwas von ihm fodern. Ich und Sie, mein Lieber, werden uns immer feſter umarmen, je öfter wir zuſammen- kommen. Im Anfang einer Bekantſchaft drükt man mehr Liebe aus als man hat; in der Mitte derſelben 10000 ꝛc. mal weniger als man hat.
12 Jean Paul Briefe. II.
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[177/0190]
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[Hof, 13. April 1796]
Du ſchüttelſt ja den ganzen Erkentnisbaum über meinem Kopfe ab.
Um den reſtierenden Jahrgang bitt ich dich, nämlich St. 10, 11, 12.
287. An Chriſtian Otto. 5
[Hof, 14. April 1796]
Sei gut und gieb meinem Bruder die äſthetiſche nux von Helfrecht,
weil ſie heute in der Klaſſe aufgebiſſen wird. Du thäteſt mir einen
Gefallen wenn du mir die „Vision“ ungefähr morgen früh geben
könteſt, weil ich die 2te Hälfte umzubauen habe. 10
288. An Chriſtian Otto.
[Hof] d. 15 Apr. 96.
Ich hab’ es meiſtens umgeſchrieben und überal dein rügendes
Urtheil befolgt, um es deines nachſichtigen wenn auch nicht würdig,
doch würdiger zu machen. — Um 8 Uhr ſol es auf die Poſt für 15
Emanuel, weil der es ſchwerlich gedrukt zu leſen bekömt. Ich frage
dich nur, ob dieſe dritte Durchſicht deine Arbeiten nicht ſtöhrt: denn
es hätte Zeit bis zur Wiederkunft von Emanuel. Für deinen Antheil
an meinen Sachen haſt du doch den Lohn des Bewuſtſeins, daß in der
Welt wenigſtens kleine Sachen, wie meine ſind, beſſer werden. 20
Und ſchicke mir nachher die Weſten ꝛc. muſter mit.
289. An Emanuel.
Citissime[Hof, 15. April 1796. Freitag]
Guter!
Bayreuth d. [FORMEL] 96 — ſolten Sie heute ſchreiben, um das Monath 25
vom Tage zu trennen. „4. 5. 96.“ iſt 4 oder 5 das Monath? — In
der Freundſchaft giebt es keine Vorrede mehr: man darf darin das
Wichtigſte im Scherz und den Scherz als Wichtigkeit ſagen.
Wenn wir glauben, daß wir jemand etwas ſchicken, was für ſeine
Seele iſt: ſo lieben wir ihn eben darum mehr. Ja oft lieben wir ihn 30
darum mehr, weil wir etwas von ihm fodern. Ich und Sie, mein
Lieber, werden uns immer feſter umarmen, je öfter wir zuſammen-
kommen. Im Anfang einer Bekantſchaft drükt man mehr Liebe aus als
man hat; in der Mitte derſelben 10000 ꝛc. mal weniger als man hat.
12 Jean Paul Briefe. II.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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