kums am meisten. Nichts ist gefährlicher für alle Arten von Fort- kommen in der Welt -- bei Damen, Ministern, Rezensenten -- als nicht gerade auf der Linie des Mittelmasses zu stehen: sogar unter der- selben zu sein, ist nicht ohne Gefahr, geschweige über.
295. An Christian Otto.5
[Hof, 23. April 1796]
Ich bringe dirs jezt selber und hol' es abends. Die Stelle, die sie in meinem Briefe meint, heisset so: "ich werde H. Ahlefeld immer mehr über Sie glauben als Ihnen selber: eh der Enthusiasmus grosse Schön- heiten erdichtet, müssen sie schon dagewesen sein, um ihn zu erzeugen.10 Eine schöne weibliche Seele ist, da die Fassung so sehr als der Edel- stein glänzt, almächtig: sie wirft ihre Stralen durch eine schöne Hülle, die wie Vasen aus Volterra Alabaster den Schimmer mildert, um ihn zu verschönern."
296. An Christian Otto.15
[Hof, 23. April 1796. Sonnabend]
Mein Bruder darf es von heute bis Montags behalten. Ich schicke dirs bis Morgen zur Untersuchung, ob es dir nicht gefallen wird. Wenigstens alle deutsche Zeitungen könt' es repräsentieren und ersezen.
297. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.20
[Anfang Kopie][Hof, 24. April 1796. Sonntag]
In Ihrem Brief ist der blaue Himmel, der jezt ausser uns so un- erwartet den Frühling anfängt. Ich wurde durch die erhabne Offen- heit Ihrer Seele zugleich stolz und gerührt. Unsre Freundschaft ist älter als unsre Bekantschaft und so alt als unsre Aehnlichkeit. -- Ein solchse25 Feuer wird durch fremde Dinte oder fremden Athem nicht gelöscht. Und eine solche Gesinnung sol auch nichts ändern -- den Gegenstand[179] am wenigsten -- als den Grad. Ach wenn Sie aus seinem [Ahlefelds] Herzen, das zwischen dem doppelten Druk der Phantasie und der Wirklichkeit liegt, das schöne Bild, das es noch [an] einander hält,30 ausziehen, so mus es zusammenbrechen -- das dornige Leben hat dan nichts mehr für ihn als Wunden und er müste an diesen sterben. Eine solche Neigung ist solang gut als die eine Person keine Erwiederung
kums am meiſten. Nichts iſt gefährlicher für alle Arten von Fort- kommen in der Welt — bei Damen, Miniſtern, Rezenſenten — als nicht gerade auf der Linie des Mittelmaſſes zu ſtehen: ſogar unter der- ſelben zu ſein, iſt nicht ohne Gefahr, geſchweige über.
295. An Chriſtian Otto.5
[Hof, 23. April 1796]
Ich bringe dirs jezt ſelber und hol’ es abends. Die Stelle, die ſie in meinem Briefe meint, heiſſet ſo: „ich werde H. Ahlefeld immer mehr über Sie glauben als Ihnen ſelber: eh der Enthuſiaſmus groſſe Schön- heiten erdichtet, müſſen ſie ſchon dageweſen ſein, um ihn zu erzeugen.10 Eine ſchöne weibliche Seele iſt, da die Faſſung ſo ſehr als der Edel- ſtein glänzt, almächtig: ſie wirft ihre Stralen durch eine ſchöne Hülle, die wie Vaſen aus Volterra Alabaſter den Schimmer mildert, um ihn zu verſchönern.“
296. An Chriſtian Otto.15
[Hof, 23. April 1796. Sonnabend]
Mein Bruder darf es von heute bis Montags behalten. Ich ſchicke dirs bis Morgen zur Unterſuchung, ob es dir nicht gefallen wird. Wenigſtens alle deutſche Zeitungen könt’ es repräſentieren und erſezen.
297. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.20
[Anfang Kopie][Hof, 24. April 1796. Sonntag]
In Ihrem Brief iſt der blaue Himmel, der jezt auſſer uns ſo un- erwartet den Frühling anfängt. Ich wurde durch die erhabne Offen- heit Ihrer Seele zugleich ſtolz und gerührt. Unſre Freundſchaft iſt älter als unſre Bekantſchaft und ſo alt als unſre Aehnlichkeit. — Ein ſolchse25 Feuer wird durch fremde Dinte oder fremden Athem nicht gelöſcht. Und eine ſolche Geſinnung ſol auch nichts ändern — den Gegenſtand[179] am wenigſten — als den Grad. Ach wenn Sie aus ſeinem [Ahlefelds] Herzen, das zwiſchen dem doppelten Druk der Phantaſie und der Wirklichkeit liegt, das ſchöne Bild, das es noch [an] einander hält,30 ausziehen, ſo mus es zuſammenbrechen — das dornige Leben hat dan nichts mehr für ihn als Wunden und er müſte an dieſen ſterben. Eine ſolche Neigung iſt ſolang gut als die eine Perſon keine Erwiederung
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ſelben zu ſein, iſt nicht ohne Gefahr, geſchweige über.
295. An Chriſtian Otto. 5
[Hof, 23. April 1796]
Ich bringe dirs jezt ſelber und hol’ es abends. Die Stelle, die ſie in
meinem Briefe meint, heiſſet ſo: „ich werde H. Ahlefeld immer mehr
über Sie glauben als Ihnen ſelber: eh der Enthuſiaſmus groſſe Schön-
heiten erdichtet, müſſen ſie ſchon dageweſen ſein, um ihn zu erzeugen. 10
Eine ſchöne weibliche Seele iſt, da die Faſſung ſo ſehr als der Edel-
ſtein glänzt, almächtig: ſie wirft ihre Stralen durch eine ſchöne Hülle,
die wie Vaſen aus Volterra Alabaſter den Schimmer mildert, um ihn
zu verſchönern.“
296. An Chriſtian Otto. 15
[Hof, 23. April 1796. Sonnabend]
Mein Bruder darf es von heute bis Montags behalten. Ich ſchicke
dirs bis Morgen zur Unterſuchung, ob es dir nicht gefallen wird.
Wenigſtens alle deutſche Zeitungen könt’ es repräſentieren und erſezen.
297. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth. 20
[Hof, 24. April 1796. Sonntag]
In Ihrem Brief iſt der blaue Himmel, der jezt auſſer uns ſo un-
erwartet den Frühling anfängt. Ich wurde durch die erhabne Offen-
heit Ihrer Seele zugleich ſtolz und gerührt. Unſre Freundſchaft iſt älter
als unſre Bekantſchaft und ſo alt als unſre Aehnlichkeit. — Ein ſolchse 25
Feuer wird durch fremde Dinte oder fremden Athem nicht gelöſcht.
Und eine ſolche Geſinnung ſol auch nichts ändern — den Gegenſtand
am wenigſten — als den Grad. Ach wenn Sie aus ſeinem [Ahlefelds]
Herzen, das zwiſchen dem doppelten Druk der Phantaſie und der
Wirklichkeit liegt, das ſchöne Bild, das es noch [an] einander hält, 30
ausziehen, ſo mus es zuſammenbrechen — das dornige Leben hat dan
nichts mehr für ihn als Wunden und er müſte an dieſen ſterben. Eine
ſolche Neigung iſt ſolang gut als die eine Perſon keine Erwiederung
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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