Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts in der Welt ungeschikter -- das Tanzen ausgenommen --
als zu solchen schönen Spielen: ich besorge, meine Einfälle sind noch
[196]dümmer als ich selber. Sie haben aber einen so langen und schönen
Szepter über mich ausgestrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm-
lichsten Handlungen begehen könte, sondern auch die sonderbarsten.5

Ich schrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge-
sehen hatte: er konte also erst heute die Güte Ihres melodischen
Herzens mit dem Echo des seinigen erwiedern und Ihnen für den
Antheil sogar an unsichtbaren Freunden danken.

Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie sezen blos10
meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr.
von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu
schreiben. Der A[hlefeldsche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür
ins Eden einer tugendhaften Seele.

Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schiksal schöne15
helle Gestirne und Nachtviolen!

Ihr
innigster Freund
Richter
*319. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.20

Nachsichtigster Freund!

Denn leider können Sie nicht der meinige sein, ohne jenes zu sein.
-- Hier send' ich Ihnen vor Ablauf der peremptorischen Frist und vor
dem meinigen nach Weimar die elenden Kupferplatten-Kartons, die25
Sie für Werke des Zufals auf den sandigen Scheiben Chladni's halten
sollen. -- Da der Fürst höchstens die exekutive und die Themis oder
das Volk die legislatorische Gewalt haben solte: so könte man die
Themis vorstellen, wie sie ihr Schwert dem König giebt, und diesen,
wie er ihr die Wage giebt (die sie leider jezt von den Königen erst30
bekömt, die doch auf ihr gewogen werden solten). Ich glaube nicht,
daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer postieren
werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und sie um den Hals
anknüpft zum Strangulieren. -- Oder Sie könten den Konsul Brutus
vorstellen lassen, der seine Söhne dem Geseze opfert; -- oder jenen35
[197]Sparter, dessen Kopf erst gekränzt wurde für seinen Sieg, dan ab-

nichts in der Welt ungeſchikter — das Tanzen ausgenommen —
als zu ſolchen ſchönen Spielen: ich beſorge, meine Einfälle ſind noch
[196]dümmer als ich ſelber. Sie haben aber einen ſo langen und ſchönen
Szepter über mich ausgeſtrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm-
lichſten Handlungen begehen könte, ſondern auch die ſonderbarſten.5

Ich ſchrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge-
ſehen hatte: er konte alſo erſt heute die Güte Ihres melodiſchen
Herzens mit dem Echo des ſeinigen erwiedern und Ihnen für den
Antheil ſogar an unſichtbaren Freunden danken.

Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie ſezen blos10
meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr.
von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu
ſchreiben. Der A[hlefeldſche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür
ins Eden einer tugendhaften Seele.

Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schikſal ſchöne15
helle Geſtirne und Nachtviolen!

Ihr
innigſter Freund
Richter
*319. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.20

Nachſichtigſter Freund!

Denn leider können Sie nicht der meinige ſein, ohne jenes zu ſein.
— Hier ſend’ ich Ihnen vor Ablauf der peremptoriſchen Friſt und vor
dem meinigen nach Weimar die elenden Kupferplatten-Kartons, die25
Sie für Werke des Zufals auf den ſandigen Scheiben Chladni’s halten
ſollen. — Da der Fürſt höchſtens die exekutive und die Themis oder
das Volk die legislatoriſche Gewalt haben ſolte: ſo könte man die
Themis vorſtellen, wie ſie ihr Schwert dem König giebt, und dieſen,
wie er ihr die Wage giebt (die ſie leider jezt von den Königen erſt30
bekömt, die doch auf ihr gewogen werden ſolten). Ich glaube nicht,
daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer poſtieren
werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und ſie um den Hals
anknüpft zum Strangulieren. — Oder Sie könten den Konſul Brutus
vorſtellen laſſen, der ſeine Söhne dem Geſeze opfert; — oder jenen35
[197]Sparter, deſſen Kopf erſt gekränzt wurde für ſeinen Sieg, dan ab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="198"/>
nichts in der Welt unge&#x017F;chikter &#x2014; das Tanzen ausgenommen &#x2014;<lb/>
als zu &#x017F;olchen &#x017F;chönen Spielen: ich be&#x017F;orge, meine Einfälle &#x017F;ind noch<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd2_196">[196]</ref></note>dümmer als ich &#x017F;elber. Sie haben aber einen &#x017F;o langen und &#x017F;chönen<lb/>
Szepter über mich ausge&#x017F;trekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm-<lb/>
lich&#x017F;ten Handlungen begehen könte, &#x017F;ondern auch die &#x017F;onderbar&#x017F;ten.<lb n="5"/>
</p>
        <p>Ich &#x017F;chrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge-<lb/>
&#x017F;ehen hatte: er konte al&#x017F;o er&#x017F;t heute die Güte Ihres melodi&#x017F;chen<lb/>
Herzens mit dem Echo des &#x017F;einigen erwiedern und Ihnen für den<lb/>
Antheil &#x017F;ogar an un&#x017F;ichtbaren Freunden danken.</p><lb/>
        <p>Ich gehe nach <hi rendition="#aq">Weimar</hi> den 30<hi rendition="#sup">ten</hi> Mai abends. Sie &#x017F;ezen blos<lb n="10"/>
meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr.<lb/><hi rendition="#aq">von Kalb</hi> gebohrne <hi rendition="#aq">v. Marschalk.</hi> Ich hoffe Ihnen noch einmal zu<lb/>
&#x017F;chreiben. Der A[hlefeld&#x017F;che] Brief war mir eine ofne Himmelsthür<lb/>
ins Eden einer tugendhaften Seele.</p><lb/>
        <p>Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schik&#x017F;al &#x017F;chöne<lb n="15"/>
helle Ge&#x017F;tirne und Nachtviolen!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb/>
innig&#x017F;ter Freund<lb/>
Richter</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>*319. An <hi rendition="#g">Hofrat Schäfer in Bayreuth.</hi><lb n="20"/>
</head>
        <dateline> <hi rendition="#right">Hof d. 25 Mai 1796.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Nach&#x017F;ichtig&#x017F;ter Freund!</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Denn leider können Sie nicht der meinige &#x017F;ein, ohne jenes zu &#x017F;ein.<lb/>
&#x2014; Hier &#x017F;end&#x2019; ich Ihnen vor Ablauf der peremptori&#x017F;chen Fri&#x017F;t und vor<lb/>
dem meinigen nach <hi rendition="#aq">Weimar</hi> die elenden Kupferplatten-Kartons, die<lb n="25"/>
Sie für Werke des Zufals auf den &#x017F;andigen Scheiben Chladni&#x2019;s halten<lb/>
&#x017F;ollen. &#x2014; Da der Für&#x017F;t höch&#x017F;tens die exekutive und die Themis oder<lb/>
das Volk die legislatori&#x017F;che Gewalt haben &#x017F;olte: &#x017F;o könte man die<lb/>
Themis vor&#x017F;tellen, wie &#x017F;ie ihr Schwert dem König giebt, und die&#x017F;en,<lb/>
wie er ihr die Wage giebt (die &#x017F;ie leider jezt von den Königen er&#x017F;t<lb n="30"/>
bekömt, die doch auf ihr gewogen werden &#x017F;olten). Ich glaube nicht,<lb/>
daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer po&#x017F;tieren<lb/>
werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und &#x017F;ie um den Hals<lb/>
anknüpft zum Strangulieren. &#x2014; Oder Sie könten den Kon&#x017F;ul Brutus<lb/>
vor&#x017F;tellen la&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;eine Söhne dem Ge&#x017F;eze opfert; &#x2014; oder jenen<lb n="35"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd2_197">[197]</ref></note>Sparter, de&#x017F;&#x017F;en Kopf er&#x017F;t gekränzt wurde für &#x017F;einen Sieg, dan ab-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0211] nichts in der Welt ungeſchikter — das Tanzen ausgenommen — als zu ſolchen ſchönen Spielen: ich beſorge, meine Einfälle ſind noch dümmer als ich ſelber. Sie haben aber einen ſo langen und ſchönen Szepter über mich ausgeſtrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm- lichſten Handlungen begehen könte, ſondern auch die ſonderbarſten. 5 [196]Ich ſchrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge- ſehen hatte: er konte alſo erſt heute die Güte Ihres melodiſchen Herzens mit dem Echo des ſeinigen erwiedern und Ihnen für den Antheil ſogar an unſichtbaren Freunden danken. Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie ſezen blos 10 meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr. von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu ſchreiben. Der A[hlefeldſche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür ins Eden einer tugendhaften Seele. Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schikſal ſchöne 15 helle Geſtirne und Nachtviolen! Ihr innigſter Freund Richter *319. An Hofrat Schäfer in Bayreuth. 20 Hof d. 25 Mai 1796. Nachſichtigſter Freund! Denn leider können Sie nicht der meinige ſein, ohne jenes zu ſein. — Hier ſend’ ich Ihnen vor Ablauf der peremptoriſchen Friſt und vor dem meinigen nach Weimar die elenden Kupferplatten-Kartons, die 25 Sie für Werke des Zufals auf den ſandigen Scheiben Chladni’s halten ſollen. — Da der Fürſt höchſtens die exekutive und die Themis oder das Volk die legislatoriſche Gewalt haben ſolte: ſo könte man die Themis vorſtellen, wie ſie ihr Schwert dem König giebt, und dieſen, wie er ihr die Wage giebt (die ſie leider jezt von den Königen erſt 30 bekömt, die doch auf ihr gewogen werden ſolten). Ich glaube nicht, daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer poſtieren werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und ſie um den Hals anknüpft zum Strangulieren. — Oder Sie könten den Konſul Brutus vorſtellen laſſen, der ſeine Söhne dem Geſeze opfert; — oder jenen 35 Sparter, deſſen Kopf erſt gekränzt wurde für ſeinen Sieg, dan ab- [197]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/211
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/211>, abgerufen am 21.11.2024.