[Ein Stilschweigen auf solche Briefe wie die Ihrigen, gnädige Frau, bedarf eine grössere Entschuldigung als Ihre Güte fodert; jene ist, ich[195] kont' Ihnen nicht eher gewis schreiben als heute, daß ich im Zwischen-5 raum vom 2 bis 9 Junius den Salomons Tempel stehen sehe, den mir bisher so viele Davids Träume vorgemalt. Bände man mir die Flügel, daß ich auf meiner Austerbank sizen bleiben müste: so würd' ich es Ihnen anzeigen. Ich kenne aber nur Eine Person, die meine Ankunft auf dieser glüklichen Insel kaum erwarten kan und die am10 meisten dabei gewint, und das ist meine eigne. Sie hingegen und der Kreis um Sie werden den Unterschied zwischen dem Menschen und dem Autor, so klein lezter ist, dennoch gros finden. --] Ein solcher Mensch hat stat der glatten Birke eine rauhe Borke. -- Ich komme nicht als ein bescheidner Man sondern als ein demüthiger [nach Weimar.15 Satire wohnt in meiner Feder, nicht auf meiner Zunge, nie in meinem Herzen. Zu der] Seele, [zu der ich komme und eile und] deren Glorie mit so vielen Stralen auf ihren 3 Blättern [an mich] liegt, [werde ich mit der freundlichsten gehen, und dieses mein weiches, stilles und folgendes Herz mus mir bei demjenigen Herzen, dem meines nachahmt,20 Nachsicht schaffen! Ach ich bin so wenig und komme vor Herder!]
Die Gründe [Ihres Stilschweigens über unsere briefstellerische Verbindung] kan ich leichter voraussezen als errathen -- [ich würde aber gewinnen, wenn Sie meine Beichte vor mehrere brächten. Bessere Stimmen als die meinige werden schon für] den schön ver-25 körperten reizenden Geist Ihrer Briefe [gedankt haben], die ich eher in den Briefen über die Humanität aufsuchte als in den Briefen des Feleisens. Ihr [voriger] Brief, der um die Hälfte besser war [als der lezte] d. h. länger, [hatte vielleicht überal Recht. Ich war in Bayreuth, um dem Frühling bis an die Treppe entgegen zu gehen.]30
Ihr schönes Herz besizt ein 2tes schön[es] -- ein 3tes -- 4tes -- 5tes -- -- etc. etc. -- und ohnehin das gutm[einen]de Ihres etc.
318. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.
Eiligst.
Hof d. 23 Mai 96.
Hier, beste Freundin, haben Sie die Nelkenabsenker meiner armen35 Phantasie: ich wolte durch die Menge den Werth ersezen. Ich bin zu
(*)317. An Charlotte von Kalb in Weimar.
[Kopie, z. T. Konzept][Hof, 19. Mai 1796]
[Ein Stilſchweigen auf ſolche Briefe wie die Ihrigen, gnädige Frau, bedarf eine gröſſere Entſchuldigung als Ihre Güte fodert; jene iſt, ich[195] kont’ Ihnen nicht eher gewis ſchreiben als heute, daß ich im Zwiſchen-5 raum vom 2 bis 9 Junius den Salomons Tempel ſtehen ſehe, den mir bisher ſo viele Davids Träume vorgemalt. Bände man mir die Flügel, daß ich auf meiner Auſterbank ſizen bleiben müſte: ſo würd’ ich es Ihnen anzeigen. Ich kenne aber nur Eine Perſon, die meine Ankunft auf dieſer glüklichen Inſel kaum erwarten kan und die am10 meiſten dabei gewint, und das iſt meine eigne. Sie hingegen und der Kreis um Sie werden den Unterſchied zwiſchen dem Menſchen und dem Autor, ſo klein lezter iſt, dennoch gros finden. —] Ein ſolcher Menſch hat ſtat der glatten Birke eine rauhe Borke. — Ich komme nicht als ein beſcheidner Man ſondern als ein demüthiger [nach Weimar.15 Satire wohnt in meiner Feder, nicht auf meiner Zunge, nie in meinem Herzen. Zu der] Seele, [zu der ich komme und eile und] deren Glorie mit ſo vielen Stralen auf ihren 3 Blättern [an mich] liegt, [werde ich mit der freundlichſten gehen, und dieſes mein weiches, ſtilles und folgendes Herz mus mir bei demjenigen Herzen, dem meines nachahmt,20 Nachſicht ſchaffen! Ach ich bin ſo wenig und komme vor Herder!]
Die Gründe [Ihres Stilſchweigens über unſere briefſtelleriſche Verbindung] kan ich leichter vorausſezen als errathen — [ich würde aber gewinnen, wenn Sie meine Beichte vor mehrere brächten. Beſſere Stimmen als die meinige werden ſchon für] den ſchön ver-25 körperten reizenden Geiſt Ihrer Briefe [gedankt haben], die ich eher in den Briefen über die Humanität aufſuchte als in den Briefen des Feleiſens. Ihr [voriger] Brief, der um die Hälfte beſſer war [als der lezte] d. h. länger, [hatte vielleicht überal Recht. Ich war in Bayreuth, um dem Frühling bis an die Treppe entgegen zu gehen.]30
Ihr ſchönes Herz beſizt ein 2tes ſchön[es] — ein 3tes — 4tes — 5tes — — ꝛc. ꝛc. — und ohnehin das gutm[einen]de Ihres ꝛc.
318. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.
Eiligſt.
Hof d. 23 Mai 96.
Hier, beſte Freundin, haben Sie die Nelkenabſenker meiner armen35 Phantaſie: ich wolte durch die Menge den Werth erſezen. Ich bin zu
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(*)317. An Charlotte von Kalb in Weimar.
[Hof, 19. Mai 1796]
[Ein Stilſchweigen auf ſolche Briefe wie die Ihrigen, gnädige Frau,
bedarf eine gröſſere Entſchuldigung als Ihre Güte fodert; jene iſt, ich
kont’ Ihnen nicht eher gewis ſchreiben als heute, daß ich im Zwiſchen- 5
raum vom 2 bis 9 Junius den Salomons Tempel ſtehen ſehe, den
mir bisher ſo viele Davids Träume vorgemalt. Bände man mir die
Flügel, daß ich auf meiner Auſterbank ſizen bleiben müſte: ſo würd’
ich es Ihnen anzeigen. Ich kenne aber nur Eine Perſon, die meine
Ankunft auf dieſer glüklichen Inſel kaum erwarten kan und die am 10
meiſten dabei gewint, und das iſt meine eigne. Sie hingegen und der
Kreis um Sie werden den Unterſchied zwiſchen dem Menſchen und
dem Autor, ſo klein lezter iſt, dennoch gros finden. —] Ein ſolcher
Menſch hat ſtat der glatten Birke eine rauhe Borke. — Ich komme nicht
als ein beſcheidner Man ſondern als ein demüthiger [nach Weimar. 15
Satire wohnt in meiner Feder, nicht auf meiner Zunge, nie in meinem
Herzen. Zu der] Seele, [zu der ich komme und eile und] deren Glorie
mit ſo vielen Stralen auf ihren 3 Blättern [an mich] liegt, [werde
ich mit der freundlichſten gehen, und dieſes mein weiches, ſtilles und
folgendes Herz mus mir bei demjenigen Herzen, dem meines nachahmt, 20
Nachſicht ſchaffen! Ach ich bin ſo wenig und komme vor Herder!]
[195]
Die Gründe [Ihres Stilſchweigens über unſere briefſtelleriſche
Verbindung] kan ich leichter vorausſezen als errathen — [ich würde
aber gewinnen, wenn Sie meine Beichte vor mehrere brächten.
Beſſere Stimmen als die meinige werden ſchon für] den ſchön ver- 25
körperten reizenden Geiſt Ihrer Briefe [gedankt haben], die ich eher
in den Briefen über die Humanität aufſuchte als in den Briefen des
Feleiſens. Ihr [voriger] Brief, der um die Hälfte beſſer war [als der
lezte] d. h. länger, [hatte vielleicht überal Recht. Ich war in Bayreuth,
um dem Frühling bis an die Treppe entgegen zu gehen.] 30
Ihr ſchönes Herz beſizt ein 2tes ſchön[es] — ein 3tes — 4tes — 5tes
— — ꝛc. ꝛc. — und ohnehin das gutm[einen]de Ihres ꝛc.
318. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.
Eiligſt.Hof d. 23 Mai 96.
Hier, beſte Freundin, haben Sie die Nelkenabſenker meiner armen 35
Phantaſie: ich wolte durch die Menge den Werth erſezen. Ich bin zu
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/210>, abgerufen am 16.02.2025.
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