Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.presset die Brust -- endlich trit der Gott her, kalt, einsylbig, ohne Auch frisset er entsezlich. Er ist mit dem feinsten Geschmak ge- Ich kan hier wenn ich wil an allen Tafeln essen. Ich kam noch zu Ich schicke dir diese Zeichnungen des Heiligenscheins, den sie hier um *) Sein Vorlesen ist nichts als ein tieferes Donnern vermischt mit dem leisen35
Regengelispel: es giebt nichts ähnliches. preſſet die Bruſt — endlich trit der Gott her, kalt, einſylbig, ohne Auch friſſet er entſezlich. Er iſt mit dem feinſten Geſchmak ge- Ich kan hier wenn ich wil an allen Tafeln eſſen. Ich kam noch zu Ich ſchicke dir dieſe Zeichnungen des Heiligenſcheins, den ſie hier um *) Sein Vorleſen iſt nichts als ein tieferes Donnern vermiſcht mit dem leiſen35
Regengeliſpel: es giebt nichts ähnliches. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="212"/> preſſet die Bruſt — endlich trit der Gott her, kalt, einſylbig, ohne<lb/> Akzent. Sagt Knebel z. B., die Franzoſen ziehen in Rom ein. „Hm!“<lb/> ſagt der Gott. Seine Geſtalt iſt markig und feurig, ſein Auge ein<lb/> Licht (aber ohne eine angenehme Farbe) Aber endlich ſchürete ihn<lb/> nicht blos der Champagner ſondern die Geſpräche über die Kunſt,<lb n="5"/> Publikum ꝛc. ſofort an, und — man war bei Göthe. Er ſpricht nicht<lb/> ſo blühend und ſtrömend wie Herder, aber ſcharf-beſtimt und ruhig.<lb/> Zulezt las er uns — d. h. ſpielte er uns<note place="foot" n="*)">Sein Vorleſen iſt nichts als ein tieferes Donnern vermiſcht mit dem leiſen<lb n="35"/> Regengeliſpel: es giebt nichts ähnliches.</note> — ein ungedruktes herliches<lb/> Gedicht vor, wodurch ſein Herz durch die Eiskruſte die Flammen trieb,<lb/> ſo daß er dem enthuſiaſtiſchen <hi rendition="#aq">Jean Paul</hi> (mein Geſicht war es, aber<lb n="10"/> meine Zunge nicht, wie ich denn nur von weitem auf einzelne Werke<lb/> anſpielte, mehr der Unterredung und des Beleges wegen,) die Hand<lb/> drükte. Beim Abſchied that ers wieder und hies mich wiederkommen.<lb/> Er hält ſeine dichteriſche Laufbahn für beſchloſſen. Beim Himmel wir<lb/> wollen uns doch lieben. Oſtheim ſagt, er giebt nie ein Zeichen der<lb n="15"/> Liebe. 1 000 000 ꝛc. Sachen hab’ ich dir von ihm zu ſagen.</p><lb/> <p>Auch friſſet er entſezlich. Er iſt mit dem feinſten Geſchmak ge-<lb/> kleidet. — —</p><lb/> <p>Ich kan hier wenn ich wil an allen Tafeln eſſen. Ich kam noch zu<lb/> keinem Menſchen ohne geladen zu ſein. Als ich ankam am Thore, wurd’<lb n="20"/> es ordentlich der Herzogin gemeldet und am andern Tage wuſt es<lb/> jeder. — Ich lebe faſt blos von Wein und engliſchem Bier. — Die<lb/> Karaktere „Joachime, Matthieu (der beſonders) und Agnola“<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd2_211">[211]</ref></note>werden hier für wahre gehalten und gefielen gerade am meiſten. Im<lb/> Klub ſtrit man ob Flachſenfingen ein Abris von Wien oder Manheim<lb n="25"/> wäre wegen des Lokalen — Wieland war des höhniſchen Dafür-<lb/> haltens, Flachſenfingen liege in Deutſchland ſehr zerſtreuet. —</p><lb/> <p>Ich ſchicke dir dieſe Zeichnungen des Heiligenſcheins, den ſie hier um<lb/> meinen kahlen Scheitel führen, darum ohne alle Scham nach Hof,<lb/> erſtlich damit du es weiter erzähleſt (denn ich werde alles zuſammen nur<lb n="30"/> dir erzählen, der du mich nie verkant, und blos zu ſehr geachtet haſt,<lb/> aber, (auch aus Ekel an der langen Geſchichte,) keinem weiter in Hof,<lb/> wo mir ſo oft Unrecht wiederfuhr, daß ich, wenn du nicht da wärſt,<lb/> geradezu hier ſizen bliebe). Ich ſchreibe eilig und ohne Ordnung,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0226]
preſſet die Bruſt — endlich trit der Gott her, kalt, einſylbig, ohne
Akzent. Sagt Knebel z. B., die Franzoſen ziehen in Rom ein. „Hm!“
ſagt der Gott. Seine Geſtalt iſt markig und feurig, ſein Auge ein
Licht (aber ohne eine angenehme Farbe) Aber endlich ſchürete ihn
nicht blos der Champagner ſondern die Geſpräche über die Kunſt, 5
Publikum ꝛc. ſofort an, und — man war bei Göthe. Er ſpricht nicht
ſo blühend und ſtrömend wie Herder, aber ſcharf-beſtimt und ruhig.
Zulezt las er uns — d. h. ſpielte er uns *) — ein ungedruktes herliches
Gedicht vor, wodurch ſein Herz durch die Eiskruſte die Flammen trieb,
ſo daß er dem enthuſiaſtiſchen Jean Paul (mein Geſicht war es, aber 10
meine Zunge nicht, wie ich denn nur von weitem auf einzelne Werke
anſpielte, mehr der Unterredung und des Beleges wegen,) die Hand
drükte. Beim Abſchied that ers wieder und hies mich wiederkommen.
Er hält ſeine dichteriſche Laufbahn für beſchloſſen. Beim Himmel wir
wollen uns doch lieben. Oſtheim ſagt, er giebt nie ein Zeichen der 15
Liebe. 1 000 000 ꝛc. Sachen hab’ ich dir von ihm zu ſagen.
Auch friſſet er entſezlich. Er iſt mit dem feinſten Geſchmak ge-
kleidet. — —
Ich kan hier wenn ich wil an allen Tafeln eſſen. Ich kam noch zu
keinem Menſchen ohne geladen zu ſein. Als ich ankam am Thore, wurd’ 20
es ordentlich der Herzogin gemeldet und am andern Tage wuſt es
jeder. — Ich lebe faſt blos von Wein und engliſchem Bier. — Die
Karaktere „Joachime, Matthieu (der beſonders) und Agnola“
werden hier für wahre gehalten und gefielen gerade am meiſten. Im
Klub ſtrit man ob Flachſenfingen ein Abris von Wien oder Manheim 25
wäre wegen des Lokalen — Wieland war des höhniſchen Dafür-
haltens, Flachſenfingen liege in Deutſchland ſehr zerſtreuet. —
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Ich ſchicke dir dieſe Zeichnungen des Heiligenſcheins, den ſie hier um
meinen kahlen Scheitel führen, darum ohne alle Scham nach Hof,
erſtlich damit du es weiter erzähleſt (denn ich werde alles zuſammen nur 30
dir erzählen, der du mich nie verkant, und blos zu ſehr geachtet haſt,
aber, (auch aus Ekel an der langen Geſchichte,) keinem weiter in Hof,
wo mir ſo oft Unrecht wiederfuhr, daß ich, wenn du nicht da wärſt,
geradezu hier ſizen bliebe). Ich ſchreibe eilig und ohne Ordnung,
*) Sein Vorleſen iſt nichts als ein tieferes Donnern vermiſcht mit dem leiſen 35
Regengeliſpel: es giebt nichts ähnliches.
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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