Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.Jena 1796 Sontags [26. Juni]. Den ersten Brief und den lezten schreib ich dir aus demselben Die Ostheim, Oertel, eine Frau von Düngen und mehrere wir Amöne gab mir durch ihr Schreiben die Freude, die mir dein Schreib ein Blätgen an meine Mutter, das ihr mein Wolsein -- Lebe wol, mein Lieber. Wenn ich nur die 1/2 meiner hiesigen[216] *344. An Karoline Herder in Weimar. Weimar d. 28 Jun. 96 [Dienstag].Ich bin gestern, theuerste Freundin -- warum wil ich Sie nicht Jena 1796 Sontags [26. Juni]. Den erſten Brief und den lezten ſchreib ich dir aus demſelben Die Oſtheim, Oertel, eine Frau von Düngen und mehrere wir Amöne gab mir durch ihr Schreiben die Freude, die mir dein Schreib ein Blätgen an meine Mutter, das ihr mein Wolſein — Lebe wol, mein Lieber. Wenn ich nur die ½ meiner hieſigen[216] *344. An Karoline Herder in Weimar. Weimar d. 28 Jun. 96 [Dienstag].Ich bin geſtern, theuerſte Freundin — warum wil ich Sie nicht <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0231" n="217"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Jena 1796 Sontags [26. Juni].</hi> </dateline><lb/> <p>Den erſten Brief und den lezten ſchreib ich dir aus demſelben<lb/> Hotel. Seit vorgeſtern bin ich hier und gehe morgen nach <hi rendition="#aq">Weimar</hi><lb/> zurük. Künftigen Sontag komm’ ich in Schleiz (im <hi rendition="#g">Engel)</hi> an, etwa<lb/> um 1, 2, 3 Uhr und da hoff ich dich, wenn du wilſt und kanſt, endlich<lb n="5"/> wieder zu umfaſſen. — Ich trat geſtern vor den felſigten Schiller, an<lb/> dem wie an einer Klippe alle Fremde zurükſpringen; er erwartete mich<lb/> aber nach einem Brief von Göthe. Seine Geſtalt iſt verworren, hart-<lb/> kräftig, vol Ekſteine, vol ſcharfer ſchneidender Kräfte, aber ohne<lb/> Liebe. Er ſpricht beinahe ſo vortreflich als [er] ſchreibt. Er war un-<lb n="10"/> gewöhnlich gefällig und ſezte mich (durch ſeinen Antrag) auf der<lb/> Stelle zu einem Kollaborator der Horen um — und wolte mir eine<lb/> Naturaliſazionsakte in Jena einbereden. —</p><lb/> <p>Die Oſtheim, Oertel, eine Frau von Düngen und mehrere wir<lb/> fuhren geſtern mit nach Truisniz: um dieſen Luſtort und um ganz<lb n="15"/> Jena lagert ſich die Natur mit einer doppelten Welt aus Reizen, mit<lb/> einem weiten Garten und mit hineingezogenen weiskahlen langen<lb/> Bergen, die wie Gräber von Rieſen daſtehen.</p><lb/> <p>Amöne gab mir durch ihr Schreiben die Freude, die mir dein<lb/> Schweigen verſagte. Dank ihr recht ſehr dafür.<lb n="20"/> </p> <p>Schreib ein Blätgen an meine Mutter, das ihr mein Wolſein —<lb/> nicht ſo wol als mein Seeligſein — und meine Ankunft anſagt.</p><lb/> <p>Lebe wol, mein Lieber. Wenn ich nur die ½ meiner hieſigen<note place="right"><ref target="1922_Bd2_216">[216]</ref></note><lb/> Geſchicht[e] ſo lange behielte, bis ich ſie in dein Gedächtnis über-<lb/> geſchüttet hätte! — Dieſe zwöchentliche Stelle in meiner Lebenslauf-<lb n="25"/> bahn iſt eine Bergſtraſſe, die eine neue Welt in mir anfängt. —<lb/> Voigt hier lies mir drei <hi rendition="#aq">Ldor</hi> für den Bogen bieten. — Noch einmal<lb/> leb wol. Mein lieber herzlicher Duzbruder Oertel pakt dieſes Jenaiſche<lb/> Blat zum Weimarſchen und überſchreibt es: denn er geht heute, ich<lb/> morgen.<lb n="30"/> </p> </div> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>*344. An <hi rendition="#g">Karoline Herder in Weimar.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Weimar</hi> d. 28 Jun. 96 [Dienstag].</hi> </dateline><lb/> <p>Ich bin geſtern, theuerſte Freundin — warum wil ich Sie nicht<lb/> ſo nennen, da ich mir Sie ſo denke? — im Triumph unter einem<lb/> lautern Donner und dichtern Regen als im <hi rendition="#aq">Lear</hi> Sonabends gemacht<lb n="35"/> wurde, in <hi rendition="#aq">Weimar</hi> eingezogen durch den Triumphbogen eines grauen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [217/0231]
Jena 1796 Sontags [26. Juni].
Den erſten Brief und den lezten ſchreib ich dir aus demſelben
Hotel. Seit vorgeſtern bin ich hier und gehe morgen nach Weimar
zurük. Künftigen Sontag komm’ ich in Schleiz (im Engel) an, etwa
um 1, 2, 3 Uhr und da hoff ich dich, wenn du wilſt und kanſt, endlich 5
wieder zu umfaſſen. — Ich trat geſtern vor den felſigten Schiller, an
dem wie an einer Klippe alle Fremde zurükſpringen; er erwartete mich
aber nach einem Brief von Göthe. Seine Geſtalt iſt verworren, hart-
kräftig, vol Ekſteine, vol ſcharfer ſchneidender Kräfte, aber ohne
Liebe. Er ſpricht beinahe ſo vortreflich als [er] ſchreibt. Er war un- 10
gewöhnlich gefällig und ſezte mich (durch ſeinen Antrag) auf der
Stelle zu einem Kollaborator der Horen um — und wolte mir eine
Naturaliſazionsakte in Jena einbereden. —
Die Oſtheim, Oertel, eine Frau von Düngen und mehrere wir
fuhren geſtern mit nach Truisniz: um dieſen Luſtort und um ganz 15
Jena lagert ſich die Natur mit einer doppelten Welt aus Reizen, mit
einem weiten Garten und mit hineingezogenen weiskahlen langen
Bergen, die wie Gräber von Rieſen daſtehen.
Amöne gab mir durch ihr Schreiben die Freude, die mir dein
Schweigen verſagte. Dank ihr recht ſehr dafür. 20
Schreib ein Blätgen an meine Mutter, das ihr mein Wolſein —
nicht ſo wol als mein Seeligſein — und meine Ankunft anſagt.
Lebe wol, mein Lieber. Wenn ich nur die ½ meiner hieſigen
Geſchicht[e] ſo lange behielte, bis ich ſie in dein Gedächtnis über-
geſchüttet hätte! — Dieſe zwöchentliche Stelle in meiner Lebenslauf- 25
bahn iſt eine Bergſtraſſe, die eine neue Welt in mir anfängt. —
Voigt hier lies mir drei Ldor für den Bogen bieten. — Noch einmal
leb wol. Mein lieber herzlicher Duzbruder Oertel pakt dieſes Jenaiſche
Blat zum Weimarſchen und überſchreibt es: denn er geht heute, ich
morgen. 30
[216]
*344. An Karoline Herder in Weimar.
Weimar d. 28 Jun. 96 [Dienstag].
Ich bin geſtern, theuerſte Freundin — warum wil ich Sie nicht
ſo nennen, da ich mir Sie ſo denke? — im Triumph unter einem
lautern Donner und dichtern Regen als im Lear Sonabends gemacht 35
wurde, in Weimar eingezogen durch den Triumphbogen eines grauen
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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